Schiller: Wilhelm Tell. Friedrich Schiller

Schiller: Wilhelm Tell - Friedrich Schiller


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Der Quell des Sehn’s ist ausgeflossen,

      Das Licht der Sonne schaut er niemals wieder.

      WALTHER FÜRST: Schont seines Schmerzens!

      MELCHTHAL: Niemals! Niemals wieder!

       (Er drückt die Hand vor die Augen und schweigt einige Momente, dann wendet er sich von dem einen zu dem andern und spricht mit sanfter, von Tränen erstickter Stimme.)

      O, eine edle Himmelsgabe ist

      Das Licht des Auges – Alle Wesen leben

      Vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf –

      Die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Lichte.

      Und er muss sitzen, fühlend, in der Nacht,

      Im ewig Finstern – ihn erquickt nicht mehr

      Der Matten warmes Grün, der Blumen Schmelz,

      Die roten Firnen kann er nicht mehr schauen –

      Sterben ist nichts – doch leben und nicht sehen,

      Das ist ein Unglück – Warum seht ihr mich

      So jammernd an? Ich hab zwei frische Augen,

      Und kann dem blinden Vater keines geben,

      Nicht einen Schimmer von dem Meer des Lichts,

      Das glanzvoll, blendend, mir ins Auge dringt.

      STAUFFACHER:

      Ach, ich muss Euren Jammer noch vergrößern,

      Statt ihn zu heilen – Er bedarf noch mehr!

      Denn alles hat der Landvogt ihm geraubt,

      Nichts hat er ihm gelassen als den Stab,

      Um nackt und blind von Tür zu Tür zu wandern.

      MELCHTHAL: Nichts als den Stab dem augenlosen Greis!

      Alles geraubt, und auch das Licht der Sonne,

      Des Ärmsten allgemeines Gut – Jetzt rede

      Mir keiner mehr von Bleiben, von Verbergen!

      Was für ein feiger Elender bin ich,

      Dass ich auf meine Sicherheit gedacht,

      Und nicht auf deine – dein geliebtes Haupt

      Als Pfand gelassen in des Wütrichs Händen!

      Feigherz’ge Vorsicht, fahre hin – Auf nichts

      Als blutige Vergeltung will ich denken –

      Hinüber will ich – Keiner soll mich halten –

      Des Vaters Auge von dem Landvogt fodern –

      Aus allen seinen Reisigen heraus

      Will ich ihn finden – Nichts liegt mir am Leben,

      Wenn ich den heißen, ungeheuren Schmerz

      In seinem Lebensblute kühle.

       (Er will gehen.)

      WALTHER FÜRST: Bleibt!

      Was könnt Ihr gegen ihn? Er sitzt zu Sarnen

      Auf seiner hohen Herrenburg und spottet

      Ohnmächt’gen Zorns in seiner sichern Feste

      MELCHTHAL: Und wohnt’ er droben auf dem Eispalast

      Des Schreckhorns oder höher, wo die Jungfrau

      Seit Ewigkeit verschleiert sitzt – Ich mache

      Mir Bahn zu ihm, mir zwanzig Jünglingen,

      Gesinnt wie ich, zerbrech ich seine Feste.

      Und wenn mir niemand folgt, und wenn ihr alle

      Für eure Hütten bang und eure Herden,

      Euch dem Tyrannenjoche beugt – die Hirten

      Will ich zusammenrufen im Gebirg,

      Dort unterm freien Himmelsdache, wo

      Der Sinn noch frisch ist und das Herz gesund,

      Das ungeheuer Grässliche erzählen.

      STAUFFACHER (zu Walther Fürst):

      Es ist auf seinem Gipfel – wollen wir

      Erwarten, bis das Äußerste –

      MELCHTHAL: Welch Äußerstes

      Ist noch zu fürchten, wenn der Stern des Auges

      In seiner Höhle nicht mehr sicher ist?

      – Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir

      Die Armbrust spannen und die schwere Wucht

      Der Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward

      Ein Notgewehr in der Verzweiflungsangst,

      Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt

      Der Meute sein gefürchtetes Geweih,

      Die Gemse reißt den Jäger in den Abgrund –

      Der Pflugstier selbst, der sanfte Hausgenoss

      Des Menschen, der die ungeheure Kraft

      Des Halses duldsam unters Joch gebogen,

      Springt auf, gereizt, wetzt sein gewaltig Horn

      Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.

      WALTHER FÜRST:

      Wenn die drei Lande dächten wie wir drei,

      So möchten wir vielleicht etwas vermögen.

      STAUFFACHER: Wenn Uri ruft, wenn Unterwalden hilft,

      Der Schwyzer wird die alten Bünde ehren.

      MELCHTHAL:

      Groß ist in Unterwalden meine Freundschaft,

      Und jeder wagt mit Freuden Leib und Blut,

      Wenn er am andern einen Rücken hat

      Und Schirm – O fromme Väter dieses Landes!

      Ich stehe nur ein Jüngling zwischen Euch,

      Den Vielerfahrnen – meine Stimme muss

      Bescheiden schweigen in der Landsgemeinde.

      Nicht weil ich jung bin und nicht viel erlebte,

      Verachtet meinen Rat und meine Rede,

      Nicht lüstern jugendliches Blut, mich treibt

      Des höchsten Jammers schmerzliche Gewalt,

      Was auch den Stein des Felsen muss erbarmen.

      Ihr selbst seid Väter, Häupter eines Hauses,

      Und wünscht Euch einen tugendhaften Sohn,

      Der Eures Hauptes heil’ge Locken ehre,

      Und Euch den Stern des Auges fromm bewache.

      O weil Ihr selbst an Eurem Leib und Gut

      Noch nichts erlitten, Eure Augen sich

      Noch frisch und hell in ihren Kreisen regen,

      So sei Euch darum unsre Not nicht fremd.

      Auch über Euch hängt das Tyrannenschwert,

      Ihr habt das Land von Östreich abgewendet,

      Kein


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