Zucker im Gepäck. Susanne Löw

Zucker im Gepäck - Susanne Löw


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Medizinische Fakten

      Über sieben Millionen Menschen haben in Deutschland aktuell Diabetes, rund 370.000 davon Typ-1-Diabetes. Der Körper zerstört bei dieser chronischen Autoimmunkrankheit die Langerhans’schen Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse, die für die lebensnotwendige Insulinproduktion verantwortlich sind. Ohne den „Türöffner“ Insulin gelangt keine Energie in die Zellen – man verhungert, der Körper übersäuert. Typ-1-Diabetiker sind daher ihr Leben lang auf Insulin angewiesen, müssen die Kohlenhydrate in ihrer Nahrung schätzen, die den Blutzucker ansteigen lassen, und die Menge an Insulin danach ausrichten. Ein täglicher Balanceakt.

      Was bedeutet die Diagnose Typ-1-Diabetes heutzutage? Intelligente Insulinpumpen, kontinuierliche Glukosemesssysteme mit Alarmfunktionen, Analoginsuline und Insuline mit schnellen Wirkprofilen helfen Diabetikern, ihren Blutzucker zu kontrollieren. Mit Werten im normnahen Bereich lassen sich die möglichen Folgeschäden wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Neuropathie oder Nierenschäden mittlerweile so weit hinauszögern, dass man sie nicht mehr erlebt – die Lebenserwartung ist dann dieselbe wie bei Nichtdiabetikern.

      Typ-2-Diabetiker produzieren im Gegensatz zu den Typ 1ern zwar noch Insulin, allerdings ist dessen Wirksamkeit reduziert. Die Folge: hohe Blutzuckerwerte, die oft viele Jahre lang – weil symptomlos – nicht erkannt werden. Mit Bewegung und gesunder Ernährung, gegebenenfalls auch Tabletten, kann die Insulinsensibilität wieder erhöht werden. Auch neue Medikamente, die die Wirkung des körpereigenen Insulins verstärken, sind mittlerweile verfügbar. Hilft das alles nicht, muss auch hier Insulin gespritzt werden.

      Für eine erfolgreiche Therapie müssen Diabetiker ihre Krankheit akzeptieren und sich selbst managen – Typ 1er genauso wie Typ 2er. Denn trotz vierteljährlicher Kontrolle beim Diabetologen: Bei jeder Mahlzeit, bei jeder Sporteinheit, bei jedem zu hohen oder zu niedrigen Blutzuckerwert im Alltag müssen Diabetiker ihre eigenen Entscheidungen treffen. Nach anfänglicher Schulung lernt man das vor allem durch Erfahrung.

      Daher gilt: Mutig sein, eigene Erfahrungen sammeln – ohne dabei natürlich leichtsinnig zu sein! Sich trauen, neue Dinge auszuprobieren. Und vor allem: Gelassen bleiben, wenn der Blutzucker mal nicht perfekt ist.

       In der Stierkampfarena in Ronda ging ich in Deckung – in Sachen Diabetes bin ich mutig.

      Mich überkommt das dringende Bedürfnis, endlich mal wieder rauszukommen. Zu verreisen. Ich will einfach raus. Exotik, Neues. Aus beruflichen Gründen kann ich aber nur in zwei Wochen weg. Egal. Ich buche – und gleich geht es mir besser.

      Zwei Wochen Vorlauf – das ging nur, weil ich das nötige Diabetes-Zubehör vorrätig hatte. Normalerweise würde ich sagen: Noch ein, zwei Monate bis zum Abflug? Höchste Zeit zu packen! Oder zumindest höchste Zeit, die Vorbereitungen zu treffen, wenn man nicht kurz vorher in Stress geraten will. Denn wenn Diabetiker auf große Reisen gehen, sollten sie mit ausreichend zeitlichem Vorlauf planen – und immer mehr als ausreichend die von ihnen benötigten Medikamente und Hilfsmittel im Gepäck haben. Die hat man nicht immer in diesen Mengen zu Hause vorrätig. Das bedeutet: rechtzeitig Rezepte beim Diabetologen holen, rechtzeitig Teststreifen, Insulin, Ketonteststreifen, Einmalspritzen et cetera in der Apotheke besorgen, rechtzeitig Traubenzuckervorrat – oder die persönlichen Lieblings-Hypo-Helfer – einkaufen.

      Jedes Mal, wenn ich mindestens drei Wochen und in ferne Regionen reise, fühle ich mich als Insulinpumpenträgerin außerdem mit einer zusätzlichen Ersatz-Pumpe sicherer, auf die ich im Notfall zurückgreifen kann (nur einmal hatte ich sie nicht dabei – und genau da hätte ich sie gebraucht, siehe hier). Dabei erhält man – im Fall von Omnipod als Kunde vom Fach- und Versandhändler DiaExpert – kostenlos und leihweise eine (zweite) Insulinpumpe – originalverpackt, die man nur im Notfall öffnen darf, wenn also die eigene Pumpe kaputt- oder verloren geht. Aber auch der Versand einer Leihpumpe benötigt Vorlauf, den man einkalkulieren muss: DiaExpert empfiehlt beispielsweise eine Ankündigung vier Wochen vor Abreise. Nicht zu missachten bei der Planung: die Lieferzeit. Und nimmt der Nachbar das Paket entgegen und verreist dann selbst kurz darauf, kann es schnell knapp werden mit dem Pumpenersatz. Einzelne Pumpenhersteller bieten statt des Leihgeräts aber auch den Service, im Notfall – zum Beispiel innerhalb der EU – binnen eines Tages Ersatz zu liefern. Jede Firma hat eine andere Vorgehensweise bei Urlaubspumpen, also: Rechtzeitig informieren!

      Damit man die Notfall-Pumpe auch tatsächlich nutzen kann, braucht man im Notfall außerdem seine aktuelle Basalrate. Diese abzufotografieren, abzuschreiben oder auszudrucken gehört ebenso zu den Vorbereitungen. Was noch? Die ärztliche Diabetes-Bescheinigung für Sicherheitskontrollen während der Reise suchen – oder auch erstmalig beim Diabetologen erstellen lassen (siehe hier). Recherchieren, welche Insuline es im Zielland gibt, welches dem eigenen am ehesten entspricht. Wie auch für Nichtdiabetiker gilt: Je nach Reiseland braucht man vielleicht spezielle Schutzimpfungen – ein Tropeninstitut hilft zum Beispiel weiter. Einen Überblick über tropenmedizinische Institutionen gibt die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e. V. (www.dtg.org). Und kurz vor der Reise muss dann auch das Frio-Kühlsystem für den Transport von Insulin vorbereitet werden (siehe hier.).

       Immer ein gutes Gefühl: mit gepacktem Rucksack die Wohnungstür zuziehen.

      Es gibt also viel zu tun. Jedenfalls mehr, als nur Klamotten, Badesachen, Reiseführer und Sonnenbrille einzupacken …

       Diabetes-Ausrüstung ins Handgepäck!

      Vertrauen ist gut, Kontrolle auch. Zumindest gilt das für mich immer für meine Diabetes-Ausrüstung auf Reisen. Ich habe keine Angst, dass mir auf Reisen aufgrund meines Diabetes etwas passieren könnte – warum auch, die Diabetes-Therapie ist dieselbe wie zu Hause. Aber ich weiß auch, dass ich dafür mein Insulin und mein Equipment brauche. Geht es verloren, wird es geklaut, ist es kaputt oder unbrauchbar, wird die Wiederbeschaffung im Ausland stressig und lästig. Folglich verstaue ich – auch wenn ich viele Wochen verreise – nur ein, zwei Ersatz-Pods für meine Patch-Insulinpumpe Omnipod und einen Notfall-Pen im Koffer oder Rucksack. Meine gesamten Vorräte habe ich dagegen im Handgepäck und hüte sie wie meinen Augapfel. Aufwendig? Im Vergleich zu dem Aufwand, den eine Neubeschaffung im Ausland bedeuten würde: überhaupt nicht. Eine zweite „Not-Ration“ (eine Insulinampulle, Einmalspritzen, ein Ersatz-Messgerät, eine Packung Teststreifen, eine Stechhilfe und Traubenzucker) gebe ich außerdem gerne meiner Reisebegleitung, wenn ich nicht alleine reise. Sicher ist sicher. Bei richtig langen Reisen nimmt der „Zucker im Gepäck“ das Ausmaß eines eigenen, zweiten Handgepäckstücks ein. Ich habe es bisher immer darauf ankommen lassen, auch wenn nur ein Handgepäck erlaubt ist. Trotzdem gut zu wissen: Airlines erlauben bei medizinischem Bedarf teilweise ein Extra-Handgepäckstück, wenn man es vorher anmeldet. Dazu vermeldet die Lufthansa: „Zusätzliches Gepäck, Handgepäck oder aufgegebenes Gepäck kann bei entsprechender medizinischer Indikation und Vorlage der notwendigen Bescheinigungen kostenlos mitgeführt werden. Hierzu ist es notwendig, dass der Passagier mit mindestens 72 Stunden Vorlauf das Medical Operation Center ([email protected]) kontaktiert, sodass die entsprechenden Vermerke in der Buchung vorgenommen werden können.“


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