Ohne die Tat ist alles nur Geplapper. Galsan Tschinag

Ohne die Tat ist alles nur Geplapper - Galsan Tschinag


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Der Kinderschamane

       Das eigene Pferd schlachten

       Dolle Kerle

      VORWORT

       Im Herzen dieses Buches dreht sich vieles um den Mut:

       den Mut – unverschämte Visionen zu entwickeln

       den Mut – große Ideen in die Tat umzusetzen

       den Mut – für eine bessere Welt zu kämpfen

       den Mut – Menschen zu berühren

       den Mut – sich selbst ins Auge zu schauen

       den Mut – sich anderen zu offenbaren

       den Mut – bei allen Erfolgen demütig zu bleiben

      Galsan Tschinag ist für mich ein mutiger Mensch – ein Mensch, der mich von unserer ersten Begegnung an mit der Vielfalt seiner Facetten und Rollen, mit seiner Art im Leben unterwegs zu sein, begeistert hat.

      Aus dieser ersten Begegnung erwuchs eine Freundschaft – und daraus jene Einladung, die mich in die Mongolei geführt hat. Dort hatten Galsan Tschinag und ich fast drei Wochen Zeit, miteinander Gespräche zu führen. Gespräche und Reflexionen, die sich oft der von mir vorgedachten Dramaturgie entwunden haben: „Andreas vergiss Deinen Regieplan, der macht Dich nur zum Knecht –sei einfach situativ und aufmerksam mit deiner Kamera dabei!“

      Dieses Buch ist ein „Hörbuch“ im wahrsten Sinne des Wortes geworden. Durch die vorher nicht abgesprochenen Interviewfragen sind alle Texte O-Töne – durch die redaktionelle Nachbearbeitung nur ganz sanft „geglättet“. Es ist bewusst auch ein „Bilder-Buch“ geworden, weil für uns beide Bilder Unaussprechliches darstellen können und eine eigene Kraft und Aussage ausstrahlen und das Herz ansprechen – wo die Sprache allein nicht hinreicht.

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       Mongolei, Mai bis Juni 2013

      »DU MONGOLIDER GERMANE UND ICH GERMANOIDER MONGOLE!«

      Nicht zuletzt ist dieses Buch ein „Spiegel“. Es spiegelt uns „Westlern“ – im Kontrast zur Lebenswelt der Nomaden – unsere Form des „In-der-Welt-Seins“, unseren Kulturrahmen wider: Das, was wir gewonnen und verloren haben. Es macht uns nachdenklich über das scheinbar „Selbstverständliche“. Mit diesem Spiegel eröffnet uns Galsan Tschinag mehr Achtsamkeit und neue Möglichkeiten, das eigene Leben reicher zu machen: mit Liebe, Respekt, Mut, Achtsamkeit und Humor.

      Ich danke Dir dafür – lieber Galsan! Ganz viel Spaß bei Ihrer Bilder- und Leseentdeckungsreise wünscht Ihnen

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      MEINE WURZELN

       Mein Vater war Häuptling einer Sippe. Also Sippenhäuptling. War Dschingis Khans Vater auch. Häuptling, das ist der weltliche Führer einer Großfamilie. Dann hatten wir in der eigenen Sippe auch eine Schamanin, das muss sogar die ruhmreichste in den Gefilden zu der Zeit gewesen sein.

      Das ahnten wir schon damals, wussten, sie war bei vielen gefürchtet und verehrt von fast allen. Wer, aus welchem Grund auch, von auswärts zu unserem Ail kam, konnte vor ihr, unserer Schamanin, schnell klein werden. Selbst große, erwachsene Männer bekamen im Gespräch mit ihr tiefernste Gesichter und leise, ja oft zittrige Stimmen. Und dann noch etwas vom Belang: Mein Vater war von Herkunft her reich. Seine Vorfahren waren es alle. Also gehörten hier drei Dinge zusammen: Häuptling, Schamanin, Reichtum. Doch was heißt da reich sein? Es ist gar nicht viel mehr als das, dass seine Vorfahren etwas mehr Tiere besaßen, also deutlich größere Herden als die anderen Familien hatten. Aber dennoch, in der sonst so ebenen Lebenssteppe des Nomadentums bildeten wohl diese zusammengefallenen drei Dinge schon eine Anhöhe, auf der unsereiner sicher und sichtbar zu stehen vermochte. Ich wurde in das Häuptlingstum, das Schamanentum und den Reichtum hineingeboren, und das waren mir wohl so kleine Starthilfen. Ja, das habe ich recht früh zu spüren bekommen. Und das muss mir von Anfang an eine gewisse Handlungsfreiheit verliehen haben. Zumindest halte ich es für den Grund, weshalb ich so früh habe anfangen können, zuerst auf die gewöhnliche und später auf eine ungewöhnliche Art und Weise wieder und weiter zu schamanen, das heißt zu dichten.

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      OHNEHIN MÖCHTE ICH IN DER REICHWEITE MEINER NABELSCHNUR BLEIBEN, WO ICH EINST HINGEFALLEN BIN.

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      Ich müsste doch zunächst ein ganz gewöhnliches Wesen gewesen sein, ein hilflos schwaches Kind. Dabei sehe ich mich genötigt, zu Protokoll zu geben, dass ich von den vier Kindern, die meine Mutter zuletzt geboren hat, als Einziges habe überleben dürfen. Und wie jedes andere Kindswesen werde ich wohl dann auf Schritt und Tritt gesehen und gespürt haben, wem ich da gegenüberstand: einer gewaltigen Natur und vielen Geschöpfen, die, verglichen mit mir, alle mächtiger waren. Ja, alle waren stärker, selbst die vor kurzem auf der Welt erschienenen Lämmchen erwiesen sich mir gegenüber als kräftiger, schneller und robuster.

      Die Zivilisierten reden, wenn sie es gut mit uns meinen, von Naturkindern, die wir seien. Ich weiß und weiß es nicht, wie weit wir es sind. Denn auch wir sind längst beeinflusst von diesem und jenem, im Unterschied zu den Lämmern und Kälbern. Und selbst da muss ich einschränken, heutige Lämmer und Kälber sind nicht ganz zu vergleichen mit denen aus Zeiten der Vorfahren. Denn ich habe während meines Erdendaseins beobachten können, der Zeitstrom bearbeitet nicht uns, das Menschenvolk, einzig, sondern alles, alles – so auch die Völker von Schafen und Yaks, so deren Nachkommen.

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       Doch, was soll‘s, ich stelle mich auch den Erwartungen und Behauptungen anderer Leute geduldig hin. Ich kann schon mit dem leben, was sie mir zuteilen. Wobei das, was uns in dem Falle zufällt, nichts weiter als eine edle Rolle ist.

      Ohnehin möchte ich in der Reichweite meiner Nabelschnur bleiben, wo ich einst hingefallen bin. Dort liegen meine Wurzeln. Und ohne die würde ich schnell einem abgebrochenen und vertrockneten Ast gleichen. Und ich bin eigentlich immer bei den Wurzeln geblieben. Also, ich lebe gerne in der Welt, die mich von Anfang an umgeben hat. Auch, wenn ich seit langem hier in der mild beheizten Stube zu hocken und vor einem PC zu schwitzen pflege, sind meine Gedanken dauernd in der kargen, kahlen, kalten Höhensteppe des Altai.

      NOMADEN

      DER NOMADE IST DAS KIND, DER FREUND UND DER HÜTER DER NATUR.

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      SCHÖNHEIT IST GABE, ERFOLG IST WILLE. Nomade ist, wie manche Städter von uns denken mögen, nicht der Name irgendeines vor Schmutz starrenden Dürftigen, eines beliebigen schreib- und leseunkundigen, Fett und Fleisch fressenden, Milch und Schnaps saufenden Primitiven. Kein Simpler schlechthin. Gewiss gibt es auch unter den Nomaden nicht besonders Intelligente. Aber gerade in den Unscheinbaren steckt sehr oft eine verblüffend scharfe Intelligenz. Im


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