Imperium USA. Daniele Ganser

Imperium USA - Daniele Ganser


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fast nie von den über 700 Militärstützpunkten und den mehr als 200000 im Ausland stationierten Soldaten gesprochen werde.40

      Einflussreiche Politiker und Militärs in Washington, so Chalmers Johnson, sehen die USA als »ein neues Rom, als das mächtigste Reich in der Menschheitsgeschichte, das sich nicht länger an das internationale Recht, die Interessen von Alliierten oder sonstige Beschränkungen hinsichtlich des Einsatzes von Waffen gebunden fühlt«. Das Gewaltverbot der UNO, das den Einsatz von Gewalt in der internationalen Politik verbietet, wird von den Eliten in den USA immer wieder ignoriert, weil es die imperiale Macht einschränken würde. In den USA gibt es ein Übergewicht an Offizieren und Vertretern der Rüstungsindustrie in hohen Regierungsämtern. Die Verherrlichung von Krieg, Macht und Militär, kombiniert mit Propaganda und Fake News, werde zum wirtschaftlichen Ruin des Landes führen, prophezeit Johnson, weil immer mehr Ressourcen in immer ehrgeizigere Militärprojekte gesteckt würden.41

       Die besetzten Länder wehren sich

      Zumindest ein Teil der Bevölkerung in den besetzten Ländern will, dass die US-Truppen abziehen. Die Kubaner fordern schon lange die Schließung der US-Militärbasis Guantanamo. US-Präsident Barack Obama hatte versprochen, zumindest das berüchtigte Foltergefängnis auf Guantanamo zu schließen. Obama hat dieses Versprechen aber nicht eingehalten, und sein Nachfolger Präsident Trump erklärte, er werde weder das Gefangenenlager noch den US-Militärstützpunkt auf Kuba je aufgeben. Aber die Probleme der »imperialen Überdehnung« und die Grenzen der amerikanischen Macht werden in der multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts immer deutlicher, so der deutsche Historiker Manfred Berg, der an der Universität Heidelberg lehrt.42

      In Japan, dem am stärksten von den USA besetzten Land, wehren sich vor allem die Bewohner der Insel Okinawa gegen die US-Truppen. »Manche Bewohner der Inselgruppe sagen, für sie sei der Krieg noch heute nicht vorbei, sie fühlen sich von den USA weiter besetzt und von der Zentralregierung als Japaner zweiter Klasse behandelt«, berichtet Die Welt. Die Japaner beschweren sich über den Lärm der Kriegsflugzeuge, gewalttätige Zusammenstöße, Vergewaltigungen und Morde. Als ungerecht empfinden viele Japaner vor allem das Stationierungsabkommen, das US-Soldaten, die in Verbrechen verwickelt sind, vor der Verfolgung durch die japanische Justiz schützt. Wenn nach Vergewaltigungen von japanischen Frauen US-Soldaten nicht zur Rechenschaft gezogen werden, ist das für Japan sehr schmerzhaft. Die USA aber wollen ihre Militärbasen in Japan nicht aufgeben, weil sie von dort aus die aufstrebende Wirtschaftsmacht China beobachten.43

      Auch in Deutschland gibt es Widerstand gegen die US-Truppen und die auf dem Fliegerhorst Büchel an der Grenze zu Belgien und Luxemburg gelagerten 20 Atombomben, die den USA gehören. »Das US-Militär schützt uns nicht, sondern wird dazu beitragen, dass Europa im Kriegsfall total zerstört wird«, kritisiert Leutnant Uwe Schierhorn in der deutschen Militärzeitschrift Loyal. »Von den US-Basen in Deutschland werden Kriege unterstützt, die dem Primat des Völkerrechts widersprechen.« Das sei nicht akzeptabel, so Schierhorn. Deutschland brauche eine freundschaftliche Beziehung zu Russland und allen Ländern der Welt, und dürfe sich nicht an den Angriffskriegen von Washington beteiligen. Das US-Militär solle daher aus Deutschland abziehen.44

      Auch Albrecht Müller, der unter den Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt im Bundeskanzleramt diente, kritisiert die amerikanische Militärpräsenz in Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel sei zu »eng angebunden an die US-amerikanische Politik«, so Müller, daher werde von Berlin gegenüber Washington kein Truppenabzug gefordert. »Die Bundesregierung verliert kein Sterbenswörtchen gegen die Nutzung der Militärbasen in Deutschland für die Kriege des Westens, und schon gar nicht sagt sie etwas gegen die Lagerung und Modernisierung von Atomwaffen und die Nutzung von Ramstein für die Drohnenkoordination«, kritisiert Müller in den Nachdenkseiten. Deutschland sei den amerikanischen Kriegsvorbereitungen »schutzlos ausgeliefert«.45

      Das ZDF berichtet, dass Deutschland für die US-Militärstützpunkte auf deutschem Boden jedes Jahr eine Milliarde Dollar bezahlen muss. Dieses Geld muss von den deutschen Steuerzahlerinnern und Steuerzahlern aufgebracht werden. Die besetzten Länder werden zur Kasse gebeten. Derzeit werde in den USA darüber nachgedacht, ob Länder mit großen US-Millitärbasen, wie Deutschland, Italien und die Türkei, »sogar die Gehälter amerikanischer Soldaten und die Besuche von US-Flugzeugträgern und U-Booten bezahlen sollen«, berichtet das ZDF. »Besondere Rabatte könne es dagegen geben, wenn ein Land seine Politik mit der amerikanischen Politik in Einklang bringt.«46

      Immer mehr Menschen in Deutschland lehnen diese Bevormundung durch die USA ab. Fast jeder zweite Deutsche ist heute für einen Abzug aller US-Soldaten. Besonders stark, so ergab eine Umfrage 2018, wird in Deutschland ein Abzug der US-Truppen von den Wählern der Linken (67 Prozent), der AfD (55 Prozent) und der Grünen (48 Prozent) befürwortet. Wiederholt fanden Demonstrationen vor der berüchtigten US-Basis in Ramstein statt, weil von dort der Einsatz von US-Drohnen unterstützt wird, welche in Afghanistan und anderen Ländern Menschen töten. Auch ich bin ein Gegner des US-Drohenkriegs und unterstütze die Forderung, dass alle US-Soldaten friedlich wie die Russen aus Deutschland abziehen sollten. Am 8. September 2017 habe ich daher an der »Stopp Air Base Ramstein«-Demonstration in der Erlöserkirche in Kaiserslautern eine Rede gehalten, um die Friedensbewegung zu stärken. Vor mir hat der mutige Theologe Eugen Drewermann gesprochen und mit Nachdruck gefordert, dass sich Deutschland in keiner Weise an den Kriegen des US-Imperiums beteiligen dürfe. Ich teile diese Ansicht und bin der Meinung, dass Deutschland aus der NATO austreten und, in Erinnerung der eigenen Geschichte, keine Truppen mehr ins Ausland schicken, sondern sich als neutrales Land für das Völkerrecht und friedliche Konfliktlösungen einsetzen sollte. Die Bundeswehr sollte als reine Verteidigungsarmee im Inland stationiert sein.47

       2.Die USA sind eine Oligarchie

      Wenn die Welt heute von »Amerika« spricht, es bewundert oder fürchtet, dann ist in der Regel das Territorium der USA gemeint, und nicht eines der Länder aus Südamerika wie Chile oder Brasilien, obwohl alle Menschen, die dort leben, ohne Zweifel Amerikaner sind. Für eine präzise Analyse ist es aber unabdingbar, dass man nicht pauschal von »Amerika«, sondern spezifisch von den USA und den dort wohnhaften 330 Millionen US-Amerikanern spricht. Und selbst das ist noch nicht präzise genug. Denn die meisten US-Amerikaner haben überhaupt keinen Einfluss auf die internationale Politik. Es sind nur die Superreichen, eine kleine Gruppe von rund 300000 US-Amerikanern, welche die US-Außenpolitik steuern und vom US-Imperialismus profitieren. Die USA sind keine Demokratie, sondern eine Oligarchie, ein Land, in dem die Reichen regieren. Wer die bestehende große Kluft zwischen Arm und Reich in den USA ignoriert, verdeckt die Tatsache, dass auch Millionen von US-Amerikanern unter den Folgen des US-Imperialismus leiden, weil die Regierung das Geld in Rüstung und Krieg investiert, anstatt auch der Unterschicht ein würdiges Leben zu ermöglichen.

       300000 Superreiche lenken das Imperium

      »Die heutige Ungleichheit ist nahezu beispiellos«, protestierte im Jahre 2019 Noam Chomsky, einer der einflussreichsten Intellektuellen der Vereinigten Staaten, der viele Jahre am Massachusetts Institute of Technologiy (MIT) in Boston lehrte. Über Jahrzehnte hat die Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik in den USA darin bestanden, den Reichen Vorteile zu verschaffen. Dieses Prinzip hat die Politik dominiert. Daher konzentriert sich heute die wirkliche Macht »in einem Bruchteil von einem Prozent der Bevölkerung«, so Chomsky. Diese »Superreichen«, wie Noam Chomsky sie nennt, lenken das Imperium. »Sie bekommen einfach, was sie wollen, sie bestimmen im Grunde, was läuft.«48

      Diese Einschätzung deckt sich mit den Resultaten von anderen US-Forschern. Gemäß dem Politologen Jeffrey Winters, der an der Northwestern University in Illinois lehrt, steuern die Superreichen mit ihrem Geld die Politik und die Medien in den USA. Zu den Superreichen gehören gemäß Winters nur ein Zehntel von einem Prozent der US-Bevölkerung, also 300000 Menschen. Diese Superreichen sitzen


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