Imperium USA. Daniele Ganser

Imperium USA - Daniele Ganser


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dort US-Ökonom Nouriel Roubini von der New Yorker Stern School of Business gegenüber Bloomberg, dass sich die USA in eine Plutokratie, also eine Herrschaft der Reichen, verwandelt haben. Der Graben zwischen Arm und Reich werde in den USA immer größer, beklagte Roubini. »Eigentlich sollte in einer Demokratie das Prinzip gelten: Jeder Stimmbürger eine Stimme«, so Roubini. Doch die Macht der Superreichen habe in den USA dazu geführt, dass diese nun die Zügel der Macht in der Hand halten und über Lobbys und ihre Vertreter im Parlament die Gesetzgebung nach ihrem Gutdünken steuerten. »Wenn man darüber nachdenkt, kommt man zu dem Schluss, dass die USA nun ein System der legalisierten Korruption haben«, so die scharfe Kritik des Ökonomen. »Jene mit viel Geld haben einen größeren Einfluss als jene mit wenig Geld. Wir haben keine echte Demokratie in den USA, es ist eine Plutokratie.«73

       US-Wähler haben kaum Einfluss auf die Politik

      Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen diese Aussage des Ökonomen Roubini. Im April 2014 berichtete die BBC mit Bezug auf eine Studie der Universität Princeton, dass die USA »eine Oligarchie, keine Demokratie« mehr sind. Es war eine jener seltenen Meldungen, bei der die europäischen Medien die USA korrekt als Oligarchie bezeichneten. »Die USA werden durch eine reiche und mächtige Elite dominiert«, erklärte die BBC richtig. Die Autoren der Princeton-Studie, die Professoren Martin Gilens und Benjamin Page, hatten die Situation in den USA sehr systematisch untersucht. Sie hatten einen Zeitraum von zwei Dekaden (1981 bis 2002) ausgewertet, in welchem durch öffentliche Umfragen die Meinung der US-Bevölkerung zu insgesamt 1779 verschiedenen Sachfragen erhoben und dokumentiert worden war. Für jede der Sachfragen konnten Gilens und Page angeben, ob die US-Bevölkerung mehrheitlich dafür oder dagegen war. Zudem verwendeten die Forscher nur Umfragen, bei denen auch das Einkommen der Befragten erhoben worden war, also die Klassenzugehörigkeit. Diese Daten glichen sie mit den tatsächlichen Entscheidungen der US-Politiker ab und fanden heraus, dass die Entscheidungen der Politiker gar nicht mit den Wünschen der Masse der Bevölkerung übereinstimmten, und dass die Wünsche der Unterschicht und Mittelschicht ignoriert werden.74

      »Die Wünsche des durchschnittlichen Amerikaners scheinen nur einen ganz kleinen, fast nicht vorhandenen und statistisch nicht signifikanten Einfluss auf die Politik zu haben«, fanden die Forscher der Universität Princeton heraus. Daher könne man nicht von einer Herrschaft des Volkes sprechen, so Gilens und Page. »In den USA, so zeigen unsere Resultate, regiert nicht die Mehrheit – zumindest nicht in dem Sinne, dass sie tatsächlich einen Einfluss auf politische Entscheidungen hätte. Wenn eine Mehrheit der Bürger eine andere Meinung hat als die wirtschaftliche Elite oder organisierte Lobbys, dann verliert sie in der Regel.« Es seien die Superreichen und ihre Lobbys, die in den USA über die Politik entscheiden: »Unsere Studie kommt zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Amerikaner wenig Einfluss auf die Entscheidungen hat, die unsere Regierung fällt. Wir Amerikaner zeichnen uns zwar durch viele Merkmale aus, die für ein demokratisches System kennzeichnend sind, darunter regelmäßige Wahlen, Rede- und Versammlungsfreiheit und eine breite Wahlberechtigung«, so Gilens und Page. »Aber wir glauben, dass, wenn die Politik durch mächtige Wirtschaftsorganisationen und eine kleine Zahl von sehr reichen Amerikanern dominiert wird, auch der Anspruch von Amerika, eine Demokratie zu sein, wirklich in Gefahr ist.«75

      Weil in den USA die Redefreiheit garantiert ist, können sich auch die Kritiker der Superreichen öffentlich äußern. Und das tun sie auch, wenn auch nicht in den Massenmedien mit großer Reichweite, die ihnen verwehrt sind. Der amerikanische Historiker Eric Zuesse bedauert ausdrücklich, dass sich die USA in eine Oligarchie verwandelt haben, und kritisiert diese Entwicklung scharf. »Die amerikanische Demokratie ist nur ein Schwindel und Augenwischerei, egal wie oft die Oligarchen, welche unser Land regieren und auch die Medien kontrollieren, das Gegenteil behaupten«, so Zuesse in der kleinen Zeitschrift Counterpunch. »Die USA sind, mit anderen Worten, eigentlich sehr ähnlich wie Russland oder viele andere obskure ›Wahldemokratien‹. Früher waren wir das nicht, aber jetzt sind wir eine Oligarchie.«76

      Große Unterschiede zwischen Reich und Arm existieren nicht nur in den USA, sondern in vielen Ländern, auch in China. Wird es im 21. Jahrhundert gelingen, eine gerechtere Welt aufzubauen? Dies ist zumindest denkbar, und viele engagierte Menschen setzen sich für dieses Ziel ein. Die Menschen gestalten das Miteinander selbst, gemäß ihrem Bewusstsein. »Die Grundbedürfnisse aller Menschen der Erde nach Nahrung, Wasser, Obdach und Kleidung könnten befriedigt werden, wenn nicht das irrwitzige, habgierige Verlangen nach mehr, die Gier des Ego, für ein solches Ungleichgewicht bei der Verteilung der Ressourcen sorgen würde«, erklärt der in Kanada wohnhafte deutsche Bestsellerautor Eckhart Tolle. Für den Frieden in der Welt sei es unabdingbar, so Tolle, dass durch Achtsamkeit die Identifikation des Menschen mit dem eigenen Ego und der Gier überwunden werde.77

       3.Die Indianerkriege

      Ab dem Jahre 1500 sind die Europäer in alle Teile der Welt ausgewandert und haben bis ins Jahr 1900 Nordamerika, Südamerika, Afrika, Australien, Neuseeland, Indien und die Küsten von China erobert und besetzt. Das primäre Ziel der Europäer war es, Handel zu treiben und Gewinne zu realisieren. Wenn die Einheimischen Widerstand leisteten, wurden sie von den Europäern versklavt und getötet. Einige Einheimische wurden verschleppt und in den europäischen Zoos als Attraktion ausgestellt. Die imperiale Herrschaft der Europäer über weite Teile der Welt war ein brutales System der Unterdrückung, basierend auf Gier nach Geld und Rohstoffen, Rassismus und missionarischem Eifer.

      Die Europäer handelten sehr unbewusst und brutal, sie waren nicht willens oder fähig, die anderen Menschen als gleichberechtigte Mitglieder der Menschheitsfamilie zu betrachten. Das UNO-Gewaltverbot gab es damals noch nicht. Das christliche Gebot »Du sollst nicht töten« wurde von den Imperialisten missachtet. In Nordamerika wurde die indianische Urbevölkerung ausgerottet. Von fünf Millionen Indianern, die vor der Ankunft der Engländer in Nordamerika lebten, waren nach den Indianerkriegen nur noch 250000 übrig, weggesperrt in Reservate. Dies bedeutet, dass mehr als vier Millionen Indianer durch Krieg und aus Europa eingeschleppte Krankheiten dahingerafft wurden. Diese vier Millionen Toten sind »die erste Ursünde der amerikanischen Gesellschaft«, erklärt der einflussreiche US-Intellektuelle Noam Chomsky. Über diese Ursünde wird in den USA noch heute aus Scham nur wenig gesprochen.78

      Das Gefühl der Überlegenheit gegenüber fremden Kulturen und der Glaube an Gewalt sind nicht von den USA erfunden worden, sondern entstammen dem europäischen Kolonialismus. Heute gibt es zum Glück auf beiden Seiten des Atlantiks immer mehr Menschen, die ein anderes Bewusstsein haben, sich in Achtsamkeit üben und sich der Friedensbewegung verpflichtet fühlen. Sie teilen die feste Überzeugung, dass wir die größten Probleme im 21. Jahrhundert nicht mit Gewalt lösen können, und dass keine Kultur der anderen überlegen ist, weil alle Menschen zur Menschheitsfamilie gehören.

       Die europäischen Großmächte teilen Amerika unter sich auf

      Als der italienische Seefahrer Christoph Kolumbus im Auftrag von Spanien und im Wettstreit mit Portugal den Seeweg nach dem sagenhaft reichen Indien suchte, segelte er fast drei lange Monate unter großen Entbehrungen über den Atlantik und landete 1492 mit seinen Schiffen auf einer Insel der Bahamas. Die beiden Kontinente Nord- und Südamerika waren damals in Europa unbekannt. Europäische Kartographen des 15. Jahrhunderts zeichneten eine Welt, die allein aus Europa, Asien und Afrika bestand. Von der Existenz Amerikas und Australiens wussten sie nichts. Kolumbus glaubte bis zu seinem Lebensende irrtümlich, er sei in Indien gelandet. Die europäischen Seefahrer nannten die verschiedenen indigenen Völker Nordamerikas, die heute auf Englisch als Native Americans oder American Indians bezeichnet werden, daher Indianer.79

      Erst der italienische Seefahrer Amerigo Vespucci, der im Auftrag von Portugal 1501 die Ostküste Südamerikas erkundete, vermutete richtig, dass es sich bei dem entdeckten Land nicht um Indien, sondern um einen neuen Kontinent handelt. Amerigo Vespucci sah die Neue Welt mit den Augen


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