So gewinnen Sie mehr Selbstvertrauen. Rolf Merkle
man kann sich nicht trennen. Ohne meinen Partner käme ich mir total verloren vor. Am schlimmsten ist dieser Selbsthass. Ich verabscheue mich, dass ich mir all das antun lasse. Er benutzt mich, ich weiß es und lasse es mir gefallen. Wie blöd kann man eigentlich sein? Ich kann mir selbst nicht in die Augen schauen, weil ich mich dafür verabscheue, dass ich nicht stark genug bin, mich zu befreien.“
Hans-Jürgen geht schnell an die Decke, wenn er das Gefühl hat, seine Frau halte ihn für dumm, – und dies kommt sehr häufig vor. Erinnert ihn seine Frau daran, dass er noch etwas erledigen muss oder dass sie beide mit Freunden verabredet sind, platzt ihm der Kragen. Er macht seiner Frau dann heftige Vorwürfe, sie behandle ihn wie ein kleines Baby und überhaupt, wenn sie ihn lieben würde, dann würde sie ihm mehr zutrauen. Die Folgen solcher Auseinandersetzungen sind tagelanges eisiges Schweigen und Sich-aus-dem-Weg-Gehen.
Alex rastet schnell aus, wenn seine Frau ihm widerspricht. Er bekommt einen Tobsuchtsanfall und verprügelt seine Frau, vor allem wenn er getrunken hat. In der Therapie weint er häufig. Er will seine Frau nicht so mies behandeln, aber manchmal „gehe es mit ihm eben durch“. Wenn seine Frau ihm widerspreche, habe er das Gefühl, sie nehme ihn nicht für „voll“, und dann wisse er sich nicht anders zu helfen, als zu schreien und zu schlagen.
Cornelia fühlt sich sehr häufig einsam und ist deprimiert. Wenn sie eingeladen wird, dann glaubt sie, sie werde nur deshalb eingeladen, weil der andere gerade nichts Besseres vorhabe. Sie kommt sich als Lückenbüßer vor. An ihr sei schließlich nichts Besonderes, weswegen man sie einladen sollte. Sie habe nichts zu bieten. Wenn sie jemand um ihre Meinung fragt, dann denkt sie, der andere tue nur so interessiert, um ihr zu schmeicheln.
Jennifer ist 25 Jahre alt. Sie ist Single, fühlt sich sehr einsam und ist „todunglücklich“. Wenn sie sich zu einem Mann hingezogen fühlt, hat sie große Angst, diesem ihre Sympathie zu zeigen. Will sich ein Mann mit ihr verabreden, dann zieht sie sich sofort in ihr Schneckenhaus zurück und flüchtet sich in Ausreden, warum sie sich nicht mit ihm treffen und keine Beziehung mit ihm eingehen könne. Sie reagiert so, weil sie Angst hat, der andere könnte ihr vermeintlich wahres „minderwertiges“ Ich entdecken, wenn sie nur lange genug zusammen wären. Diese Angst rührt von ihrem Vater her, der zu ihr früher oft sagte: „Kein Mann wird es lange bei dir aushalten. Wenn der erst einmal merkt, dass mit dir nichts los ist, dann bist du ihn schnell los.“ Um sich diese Enttäuschung zu ersparen, geht sie erst gar keine enge Beziehung ein.
Connie fühlt sich immer ungeliebt und unverstanden. Sie ist sehr attraktiv und bekommt viele Einladungen. Gleichgültig aber, wie nett andere zu ihr sind und wie oft diese ihr sagen, dass sie sie sehr gerne haben, Connie fühlt sich immer „verarscht“. Sie glaubt nämlich genau zu wissen, dass sie „unmöglich“ und absolut wertlos ist, und deshalb könne sie niemand wirklich lieben.
Angelika wünscht sich sehnlichst einen Partner, hat jedoch immer „wahnsinnige Angst“, zurückgewiesen zu werden. Deshalb hält sie alle Männer auf Distanz und geht keine enge Bindung ein, obwohl es ihr an Angeboten nicht mangelt. Sie hält sich selbst nicht für liebenswert und denkt deshalb, die Männer wollten sie lediglich benutzen.
Genug der schlechten Nachrichten. Wie sehr du auch unter den Folgen deiner geringen Selbstachtung leidest, du kannst lernen, dich mehr anzunehmen, und so deinen Problemen und deinem Unglücklichsein ein Ende bereiten.
Schauen wir uns im nächsten Kapitel an, woher es kommen kann, dass du diese negative Stimme in dir hast, die dich ständig kritisiert, verurteilt und mit dem Gefühl zurücklässt, dass mit dir etwas nicht stimmt.
Kein Urteil hat weitreichendere Folgen als das, das du über dich selbst fällst.
Deshalb ist es wichtig, dass du die Wahrheit über dich kennst.
3Die Ursachen einer geringen Selbstachtung
Du bist nicht mit einer geringen Selbstachtung und Minderwertigkeitsgefühlen auf die Welt gekommen.
Diese hast du dir angeeignet.
Du hast gelernt, geringschätzig von dir zu denken.
Wie kam es dazu? Es waren deine Erfahrungen im Elternhaus in den ersten sieben Lebensjahren und später vielleicht Erfahrungen mit Gleichaltrigen, die dazu geführt haben, dass du den Eindruck hast, nicht in Ordnung zu sein. Was für Erfahrungen waren das, die in dir das Gefühl entstehen ließen, nicht in Ordnung zu sein?
Erfahrungen im Elternhaus
Wenn wir klein sind, glauben wir unseren Eltern alles, was diese sagen. Eltern sind für Kinder das, was der Papst für viele Gläubigen ist: unfehlbar. Was die Eltern sagen und tun, sie wissen es besser. Wenn diese sagen, etwas sei schlecht, dann ist es schlecht. Wie sollen kleine Kinder auch wissen, was gut und schlecht, richtig und falsch ist? Das lernen sie erst durch die Eltern.
Weil Kinder in den ersten Lebensjahren es nicht besser wissen und die Eltern für unfehlbar halten, nehmen Kinder grundsätzlich an, sie hätten etwas falsch gemacht und hätten es verdient, wenn sie durch Worte oder abweisendes und missbilligendes Verhalten bestraft und getadelt werden.
Hinzu kommt, dass Kinder instinktiv wissen, nicht ohne ihre Eltern leben und überleben zu können. Deshalb ist es für sie besonders wichtig, es sich nicht mit den Eltern zu verscherzen.
Haben Kinder das Gefühl, aufgrund ihres Verhaltens nicht mehr gemocht zu werden, dann erleben sie die emotionale Ablehnung ihrer Eltern als lebensbedrohlich. Sie nehmen sich deshalb die Worte der Eltern zu Herzen und übernehmen deren Regeln als vorbeugende Maßnahme gegen weitere Ablehnung.
Dies ist die Geburtsstunde des inneren Kritikers. Um der Ablehnung und der Bestrafung durch die Eltern zu entgehen, verinnerlichen Kinder die Gebote, Verbote und Regeln. Sie sagen sich selbst: Das tut man nicht. Das sagt man nicht. Das ist schlecht.
So wie die Eltern uns verbal bestraften, lernen wir, uns selbst zu bestrafen, wenn wir uns falsch verhalten oder schlecht benehmen. Das bedeutet:
Unser Kritiker ist in den ersten Lebensjahren eine sinnvolle Einrichtung.
Er sichert die Zuneigung der Eltern und damit unser Überleben.
Diese Verinnerlichung der Regeln und Verbote ist nicht das eigentliche Problem. Regeln führen nicht zu Selbstablehnung und Minderwertigkeitsgefühlen.
Zum Problem wurde die Beurteilung unseres Verhaltens als richtig und falsch, gut und schlecht, erst, als wir und unsere Eltern einen folgenschweren Fehler begingen.
Du bist, was du tust
Dieser Fehler bestand darin, unser Verhalten mit unserer Person und unserem Wert als Mensch gleichzusetzen. Tue ich etwas Schlechtes, dann bin ich als Mensch schlecht. Tue ich etwas Verwerfliches, dann bin ich als Mensch verwerflich. Tue ich etwas Unmoralisches, dann bin ich ein unmoralischer Mensch. Tue ich etwas Blödes oder Dummes, dann bin ich blöd und dumm. Mache ich etwas verkehrt, dann bin ich als Mensch nicht in Ordnung. Bin ich ängstlich, dann bin ich ein Feigling. Mache ich etwas falsch, dann bin ich als Mensch fehler- und mangelhaft.
Wir setzten unser Verhalten also mit unserer Person gleich:
Ich bin gut, wenn ich etwas Gutes tue. Ich bin schlecht, wenn ich etwas Schlechtes tue – dachten wir.
An dieser unglücklichen Schlussfolgerung waren unsere Eltern maßgeblich beteiligt. Wir gelangten zu dieser Schlussfolgerung aufgrund von Worten wie den folgenden: „Was hast du dir nur dabei gedacht?“, „Aus dir wird nie etwas werden.“, „Mit dir hat man nichts als Ärger.“, „Dumme Gans.“, „Mit dir muss man sich schämen.“, „Du bist ein Tollpatsch.“, „Du bist ein Versager.“, „Du bist wohl nicht ganz bei Verstand.“, „Du bist stinkfaul.“, „Wie kann man nur …?“, „Kannst du auch mal zur Abwechslung was richtig machen?“, „Du