Fiona - Gefühle. Zsolt Majsai

Fiona - Gefühle - Zsolt Majsai


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… eigentlich nur in einem Traum möglich.“

      Mir fällt ein, dass ich frühstücken könnte und nehme ein Brötchen. Als ich hineinbeißen will, nimmt James es mir aus der Hand, schneidet es auf und schmiert Marmelade auf beide Hälften. Dann bekomme ich es zusammengelegt wieder.

      „Danke … was symbolisiert ein Kind, das eigentlich mein junges Ich ist und in einem Sarg liegt? Dass ich bald sterben werde?“

      „Na, dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen. Darin hast du nun wirklich viel Übung.“

      „Du ...!“ Ich atme laut aus. „Ja. Und ich bin erwachsen.“

      „Eben. Kannst ja tagsüber darüber nachdenken oder nächste Nacht das Kind fragen. Ich muss jetzt los, habe in einer Viertelstunde eine Besichtigung.“

      „Soll ich heute Danny nehmen?“

      „Das wäre super.“ Er gießt den Kaffee hinunter und gibt mir einen Kuss. „Bis heute Abend. Und vergiss nicht, dich anzuziehen, bevor du zur Arbeit fährst.“

      Manchmal hasse ich ihn. Fast. Wenigstens ein bisschen. Wie kann ein Mensch nur so zynisch sein? Mich ausgenommen!?

      Mit 10 war ich ein Einzelkind. Nachdenklich betrachte ich meine Mutter, während ich lustlos im Essen herumstochere. James unterhält sich angeregt mit meinem Vater, aber ich weiß genau, dass er mitkriegt, wie ich drauf bin. Deswegen unterhält er sich so angeregt mit meinem Vater. Aber er schafft es nicht, auch meine Mutter abzulenken. Sie beobachtet mich eine Weile, ehe sie mich anspricht.

      „Was ist los, mein Schatz?“

      „Nichts.“ Wir alle wissen, dass das gelogen ist.

      „Erzählst du mir, welches Nichts dich so beschäftigt?“

      „Du bist fast so zynisch wie ich, Mama.“

      „Ja, ich habe viel von dir gelernt.“

      Ich grinse. „Echt? Die schlimmen Sachen auch?“ Ich atme tief durch. „Ich habe blöd geträumt, das ist alles.“

      „Mein Kind, hast du so wenig Vertrauen zu mir?“

      Was soll ich dazu sagen? Mütter sind lästig. Meiner Mutter kann ich nichts vormachen, sie kennt mich viel zu gut. Sie spielt oft und erfolgreich die Gattin des reichen Ex-Unternehmers und Entrepreneurs, aber sie kriegt einfach alles mit. Fast alles.

      Ich stehe auf und gehe nach draußen. Es regnet leicht, daher bleibe ich unter dem Terrassendach stehen und zünde mir eine Zigarette an. Meine Mutter legt von hinten ihre Arme um mich.

      „In letzter Zeit wirkst du oft traurig“, sagt sie plötzlich.

      „Traurig?“

      „Ja. Nicht immer. Aber ab und zu.“

      „Oft oder ab und zu?“

      „Mir kommt es oft vor, aber wahrscheinlich ist es gar nicht so oft, wie ich mir einbilde. – Gibt es Probleme mit James?“

      „Mit James?“ Ich schüttle den Kopf. Nein, mit James habe ich keine Probleme. Ich liebe ihn. Mein Problem heißt Katharina. Aber das weiß niemand außer ihr. Ich lehne den Kopf zurück, bis unsere Wangen sich berühren. „Mama, ich weiß es nicht. Ich meine, was mich so traurig macht. Mit James ist alles in Ordnung. Ich liebe ihn.“

      „Wann werde ich Großmutter?“

      „Was?!“ Ich richte mich auf und starre sie entgeistert an.

      „Warum erschreckt dich dieser Gedanke so? Du bist eine junge Frau, und du wärst eine wunderbare Mutter.“

      „Ich?“ Als Mutter kann ich mich nun wirklich nicht vorstellen. Kind stillen, wickeln, baden … ich??? „Mama, ich glaube nicht, dass ich eine gute Mutter wäre.“

      „Doch, das wärst du. Ich habe gesehen, wie du mit Kindern umgehst. Kinder lieben dich.“

      „Weil ich auch ein Kind bin!“

      „Du bist doch kein Kind mehr!“

      Ich ziehe an meiner Zigarette. „In meinem Traum schon. Ich fand mich als Zehnjährige in einem Sarg liegend.“

      „Oh. – Jetzt verstehe ich. Aber es war nur ein Traum. Ein böser Traum.“

      „Ja, ein böser Traum … wie auch immer. Ich sollte vielleicht erst einmal erwachsen werden, bevor ich ein Kind bekomme.“

      „Dann würde die Menschheit aussterben, wenn das Bedingung wäre.“ Meine Mutter kichert. „Es ist gar nicht so gut, ganz erwachsen zu werden.“

      „Du überrascht mich, Mama.“

      „Wirklich?“

      „Nein.“

      „Ich habe mich schon fragen wollen, ob du mich wirklich so schlecht kennst.“

      Ich zwinge ein Lächeln auf mein Gesicht. „Mama, im Moment kenne ich nicht einmal mich selbst.“ Seufzend nehme ich einen letzten Zug von der Zigarette, bevor ich sie ausdrücke. „Vor allem verstehe ich nicht, dass ein Traum mich so … depressiv macht.“

      „Gegen Depressionen gibt es gute Mittel.“

      „Wie den Psychoterroristen?“

      „Wieso nennst du ihn eigentlich immer so? Das ist abwertend, und das hat er nicht verdient.“

      „Weil er wie ein Terrorist in mein Innerstes eingedrungen ist und dort alles durcheinandergebracht hat.“

      „Vielleicht hat er auch nur aufgeräumt.“

      „Ja, natürlich. – Nein, Mama, das geht schon. Ich bin bestimmt nicht selbstmordgefährdet. Wüsste sowieso nicht, wie ich das anstellen sollte.“

      „Zum Glück ...“ Sie schweigt erschrocken. „Tut mir leid, verzeih mir. So war es nicht gemeint.“

      Ich nehme sie in die Arme. „Ich weiß, Mama. Ist schon gut. Ist lieb gemeint, dass du versuchst, mir zu helfen, aber ich muss mit diesem Ding, das sich mein Leben nennt, selbst fertig werden. Irgendwie. Und ich schaffe das schon. Trotzdem, danke.“

      Sie streichelt mir mein Gesicht, dann gehen wir wieder hinein. Die Männer sehen uns erwartungsvoll an, aber sie werden enttäuscht. Von uns erfahren sie nichts. Außerdem hätten wir sowieso keine Gelegenheit etwas zu erzählen, denn mein Handy meldet sich lautstark. Auf dem Display steht der Name von Jack. Mein Herz verkrampft sich.

      „Hallo Jack.“

      „Fiona … tut mir leid, dich zu stören.“

      „Hat Schneewittchen wieder zugeschlagen?“

      „Ja, wahrscheinlich.“

      „Scheiße. Hast du Ben schon Bescheid gesagt?“

      Er zögert. „Das geht nicht“, sagt er schließlich. Dann räuspert er sich. „Sie haben ihn entführt.“

      „Wen?“ Ich kapiere mal wieder nichts. „Wer hat wen entführt?“

      „So wie es aussieht, hat Schneewittchen Ben entführt.“

      „Was!? Jack, wo bist du?“

      „In Bens Wohnung. Kannst du herkommen?“

      „Ja, natürlich. Bin gleich da.“ Ich lege auf und starre James an.

      „Habe ich das richtig verstanden, dass Ben entführt wurde?“, fragt er. Ich nicke. „Verdammt. Heftig. Wesen, die Polizisten persönlich angreifen, sind entweder sehr dumm oder sehr gefährlich.“

      „Oder beides. Schatz, ich muss hin.“

      „Ich weiß.“

      Ich gebe ihm einen Kuss, verabschiede mich von meinen Eltern und laufe rüber zu unserem Haus. Kurzerhand nehme ich den Jaguar, weil ich ihn sowieso wegsetzen müsste. Vor dem Haus, in dem Ben wohnt, sehe ich schon von Weitem den üblichen Auflauf. Allerdings ist die Presse


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