Butler Parker 124 – Kriminalroman. Günter Dönges
am Unglückstag beste Wetterbedingungen, wie man meiner bescheidenen Wenigkeit versicherte. Es bleibt rätselhaft, wieso Sir Paul über Bord seines Segelbootes fallen und dann ertrinken konnte.«
»Also ein Verbrechen!« Agatha Simpson lächelte erstaunlicherweise, obwohl Sir Paul schließlich ein entfernter Verwandter von ihr war.
»Die letzte Wahrheit, Mylady, wird man wohl kaum in Erfahrung bringen können.«
»Papperlapapp, Mr. Parker! Wir werden dieses Verbrechen aufklären, verlassen Sie sich darauf! Mir streut man keinen Sand in die Augen! Sir Paul ist umgebracht worden. Stellen Sie fest, wer an seinem Tod verdient! Das ist wahrscheinlich schon der Schlüssel zu meinem neuen Fall.«
»Wie Mylady wünschen.« Josuah Parker seufzte innerlich auf. Ihm war klar, daß die nächsten Tage und Wochen mit Sicherheit nicht ruhig verliefen.
*
»Die Morgenpost, Mylady.«
Butler Parker hatte das große Frühstückszimmer betreten und präsentierte das Silbertablett, auf dem die Briefe und Prospekte lagen. Agatha Simpson frühstückte gerade zusammen mit ihrer Gesellschafterin und Sekretärin Kathy Porter. Das ungleiche Paar war zurück nach London gekommen und zur Tagesordnung übergegangen. Die Nachforschungen in Sachen Sir Paul hatten leider kein Ergebnis gezeigt.
Seit dem Aufenthalt an der Küste war gut eine Woche verstrichen. Dennoch war der Fall Sir Paul nicht zu den Akten gelegt worden. Genau das Gegenteil war sogar der Fall. Es zeichneten sich unheimliche Dinge ab, die mehr sein mußten als eine unglückliche Verkettung sonderbarer Umstände.
»Haben Sie die Post bereits durchsortiert, Mr. Parker?« fragte die Detektivin, während sie nach der Post griff.
»Offensichtlich ein weiterer Trauerfall, Mylady.« Butler Parker deutete auf einen schwarz umrandeten Brief. »Er stammt aus dem Hause Putnam, wie es der Absender aus weist.«
»Du lieber Himmel!« Die ältere Dame öffnete den Umschlag und holte die Todesanzeige hervor. Sie überflog den Text und reichte das Papier an ihren Butler weiter. »Sir George ist nun auch gestorben. Das stimmt mich nachdenklich, Mr. Parker.«
»Sehr wohl, Madam.« Parker enthielt sich jeden Kommentars.
»Zuerst Sir Paul, dann Walter Lesterfall und nun Sir George. Wie finden Sie das, Mr. Parker?«
»Eine, wenn ich es so ausdrücken darf, bestürzende Folge von schlechten Nachrichten, Mylady.«
»Überraschend verschieden...« Agatha Simpson ließ sich noch mal die Todesanzeige reichen. »Das sagt mir gar nichts. Ich werde Lady Putnam anrufen, obwohl ich sie nicht ausstehen kann.«
»Das Telefon, Mylady.« Parker holte den Apparat vom Sideboard und baute das Telefon vor seiner Herrin auf. Er suchte im Verzeichnis nach der Rufnummer und wählte sie. Nachdem die Verbindung hergestellt worden war, reichte er der Lady den Hörer.
Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten.
Als Agatha Simpson den Hörer auflegte, funkelten ihre Augen.
»Sie werden es nicht glauben, Mr. Parker«, sagte sie und machte dabei einen zufriedenen Eindruck. »Sir George kam bei einem Sportunfall ums Leben.«
»Das ist in der Tat erstaunlich, Mylady. Darf ich mich erkühnen, nach der speziellen Sportart zu fragen?«
»Sir George rutschte bei seinem üblichen Morgenlauf eine Böschung hinunter und brach sich das Genick.«
»Sportler scheinen meiner bescheidenen Ansicht nach sehr gefährlich zu leben, Mylady.«
»Das denke ich allerdings auch, Mr. Parker. Fassen Sie noch mal zusammen!«
»Sir Paul ertrank während einer Segelpartie, Mr. Lesterfall verschied tragischerweise vor wenigen Tagen während einer Motorradfahrt, und Sir George rutschte den bereits erwähnten Abhang hinunter.«
»Und das alles läßt Sie kalt, Mr. Parker?« Leichte Empörung klang in Lady Simpsons Stimme.
»Erfreulicherweise, Mylady huldige ich keiner Sportart«, sagte der Butler ausweichend.
»Papperlapapp, Mr. Parker. Sie wissen genau, was ich meine.«
»Gewiß, Mylady. Zufall oder Absicht, das dürfte die entscheidende Frage sein.«
»Und ob, Mr. Parker! Und wenn Sie mich fragen, so glaube ich an Absicht.«
»Zumal die so bedauerlich Verschiedenen größere Vermögen hinterlassen.«
»Na, endlich haben Sie begriffen«. Agatha Simpson nickte erleichtert. »Manchmal sind Sie ziemlich begriffsstutzig, Mr. Parker.«
»Wie Mylady wünschen.«
»Gezielte Morde wurden als Sportunfälle getarnt, Mr. Parker.«
»Dieser Verdacht, Mylady, bietet sich in der Tat an.«
»Und alles geschieht nach einem ganz bestimmten System, Mr. Parker.«
»Eine erregende Vorstellung, Mylady.«
»Nur eine Person scheint alle diese Morde inszeniert und ausgeführt zu haben.«
»Ich möchte nicht widersprechen, Mylady.«
»Das möchte ich Ihnen auch nicht raten.« Sie sah ihn grimmig an. »Vielleicht haben wir es aber auch statt nur mit einem mit mehreren Tätern zu tun, die aber alle zentral gesteuert werden.«
»Durchaus vorstellbar, Mylady.« Parker blieb zurückhaltend.
»Diese Zentrale werden wir finden und ausheben, Mr. Parker.«
»Ein äußerst schwieriges Unterfangen, Mylady, wenn ich es so umschreiben darf.«
»Wenn schon, Mr. Parker. Lassen Sie sich gefälligst etwas einfallen, wie man die Sache angehen könnte! Mit solchen Kleinigkeiten gebe ich mich nicht ab.«
»Wie Mylady befehlen.« Parker deutete eine Verbeugung an. »Ich werde, Myladys Einverständnis vorausgeschickt, mit zuständigen Kontaktleuten Gespräche führen. Mylady sollten aber keine Wunder erwarten.«
»Ich erwarte Ergebnisse, Mr. Parker.« Sie wirkte etwas versöhnlicher. »Ich bin gespannt, wann wir die nächste Todesanzeige erhalten.«
*
Patricia Smithonian war eine sportliche Dame, die viel von körperlicher Ertüchtigung hielt.
Sie war schon seit geraumer Zeit Witwe, lebte auf einem herrlichen Landsitz in Sussex und ließ sich von den aufmerksamen Mitbürgern ihrer großen Familie verwöhnen.
Man tat das gern, denn sie besaß viel Geld und war das, was man eine reiche Erbtante nannte. Lady Patricia war mittelgroß und schlank. Sie wurde hinter der vorgehaltenen Hand ihrer Familienmitglieder ein ungemein zähes Luder genannt. Weit über fünfundsechzig Jahre alt, erfreute sie sich bester Gesundheit.
An diesem Morgen verlief erst mal alles wie üblich.
Lady Patricia stand um sechs Uhr auf, streifte ihren Badeanzug über und warf dann den bis zu den Fußknöcheln reichenden Bademantel über. Sie schlüpfte in Sandalen und verließ ihr Schlafzimmer.
Es gehörte zu den ungeschriebenen Regeln ihres Lebens, vor dem Frühstück im kleinen See zu schwimmen. Sie haßte Swimming-pools und temperaturgeregeltes Wasser. Selbst im kalten englischen Winter, der allerdings kaum Schnee brachte, verzichtete sie nicht auf dieses Training.
Der kleine See lag hinter einer übermannshohen Hecke am Ende des Parks. Es gab hier ein kleines Badehaus, einen Landesteg für das Boot und einen Uferstreifen, der nicht mit Schilf bewachsen war. Das war genau die Stelle, wo Lady Patricia jeden Morgen anzutreffen war.
Im leichten Dauerlauf lief die schlanke, zähe Frau hinunter zum See, streifte den Bademantel ab und stieg ins Wasser. Sie fühlte sich ausgezeichnet an diesem Morgen und im Vollbesitz ihrer Kräfte. Als sie bis zu den Hüften im Wasser war, beugte sie sich vor und glitt schwimmend weiter. Etwa hundert Meter lang war der kleine