Butler Parker 124 – Kriminalroman. Günter Dönges
sollte dem Profi-Killer ein Terrain bieten, damit er sich betätigen kann.«
*
»Hier Foldex«, sagte die Stimme am Telefon. »Mr. Lordans will sich mit Ihnen treffen. Er hat ein paar Informationen für Sie, Mr. Parker.«
»Verbinden Sie mich bitte mit ihm«, erwiderte Parker. Er stand in der Halle des Stadthauses von Mylady.
»Mr. Lordans? Einen Moment, bitte.«
Es knackte in der Leitung, dann war die Stimme des Informanten zu vernehmen.
»Lordans«, sagte sie. »Ich habe nur wenig Zeit, Mr. Parker. Wir treffen uns in einer Stunde an den East India Docks. Seien Sie pünktlich! Ich denke, ich habe da ein paar erstklassige Nachrichten für Sie.«
Er schaltete sich aus der Leitung, bevor Parker weitere Fragen stellen konnte. Dafür aber ließ sich Herb Foldex noch mal vernehmen.
»Sie treffen den Chef hinter der Brücke der Ferry Road«, sagte er knapp. »Ich werde da mit meinem Wagen stehen und Sie weiterlotsen. Ende!«
Parker legte auf und schaute einen Moment nachdenklich auf den Apparat. Warum wollte Lordans sich mit ihm draußen an den Docks treffen? Warum hatte er seine Information nicht per Telefon gegeben? Er hätte doch nur einen Namen und vielleicht auch noch eine Adresse zu nennen brauchen? Sollte er, Josuah Parker, in eine Falle gelockt werden? Zeichneten sich da Dinge ab, die mit dem neuen Fall von Mylady etwas zu tun hatten?
Natürlich war Parker entschlossen, hinaus zu den East India Docks zu fahren, doch er hielt es für angebracht und richtig, gewisse Vorkehrungen zu treffen. Parker war ein vorsichtiger und stets mißtrauischer Mensch. Er hatte in der Vergangenheit schon zu viel erlebt.
Bevor er das Haus verließ, ging er nach unten in das Souterrain und präparierte sich. Zu seinen privaten Räumen gehörte auch das, was er seine »Bastelstube« nannte. Ein großer Raum glich der Kombination einer feinmechanischen Werkstatt und einem Labor, hier bastelte der Butler an seinen Überraschungen, die für seine Gegner gedacht waren.
Agatha Simpson schwindelte er vor, er habe noch einige Einkäufe zu tätigen. Er wollte sie nicht mitnehmen, denn das Temperament seiner Herrin war unberechenbar. Witterte sie auch nur die Möglichkeit, sich körperlich betätigen zu können, nutzte sie die Gelegenheit, um sich mit dem Gegner anzulegen. Dabei war sie eigentlich kaum zu bremsen.
Parker war heilfroh, als er am Steuer seines hochbeinigen Monstrums saß und zur City fuhr. Er passierte sie, benutzte dann die Commercial Road und hatte wenig später bereits die East India Dock Road erreicht. Während der Fahrt schaute er selbstverständlich immer wieder prüfend in den Rückspiegel. Er traute diesem Herb Foldex nicht. Der junge Mann war genau der Typ, der nicht nur drohte, sondern der auch zu Taten überging.
Parker konnte keinen Verfolger feststellen. Da der Verkehr aber am Nachmittag recht stark war, wollte das kaum etwas besagen. Ein geschickter Fahrer hatte durchaus die Möglichkeit, sich an seinen Privatwagen zu hängen.
Parker bog in die Ferry Road ab und näherte sich der Brücke, die hier den Zubringerkanal zu den Docks überquerte. Er fuhr sehr langsam und hielt Ausschau nach Foldex.
Einen möglichen Schuß aus dem Hinterhalt brauchte er solange nicht zu befürchten, als er im Wagen saß. Die Scheiben seines hochbeinigen Monstrums bestanden aus schußsicherem Glas. Und auch die Karosserie war mit einem noch so rasanten Schuß nicht zu überwinden. Erst wenn er den Wagen verließ, wurde es kritisch.
Knapp hinter der Brücke, entdeckte Parker dann Foldex.
Der junge Mann seines Informanten stand neben einem unscheinbar aussehenden Morris und winkte ihm nur knapp. Foldex schien allein zu sein.
Parker hielt an, kurbelte die Wagenscheibe herunter und sah Foldex prüfend an.
»Fahren Sie mir nach«, rief der Mann ihm zu. »Der Chef ist da drüben in einem Magazin.«
Er kümmerte sich nicht darum, ob Parker einverstanden war oder nicht. Er setzte sich einfach in seinen Wagen und fuhr los. Parker folgte dem jungen Mann, der ihm immer unsympathischer wurde. Er hielt ihn für eine Giftschlange, die nur darauf wartete, ihr Gift loswerden zu können.
Die Fahrt dauerte nicht lange und führte an grauen Lagerschuppen und Magazinen vorbei. Der Verkehr war recht beachtlich. Sattelschlepper, normale Lastwagen und Container-Trucks kurvten allenthalben herum. Das Tuten kleiner Schlepper war zu vernehmen, das Kreischen von Seilwinden und das metallische Röhren der Kräne. An den Kais hatten große und kleine Frachter festgemacht, die entweder be- oder entladen wurden. Eines stand fest, wenn hier ein schallgedämpfter Schuß abgefeuert wurde, so ging dieses tückische »Plopp« mit Sicherheit im Lärm unter.
Foldex steuerte den Morris durch das geöffnete Tor eines Lagerschuppens. Parker folgte weiter, aber er schaltete auf allergrößte Wachsamkeit um. Seine innere Alarmanlage meldete sich leise, ein sicheres Zeichen dafür, daß Gefahr drohte.
Foldex stieg aus.
Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte gegen den Wagen. Er grinste Parker überlegen an. Foldex schien zu spüren, wie vorsichtig der Butler war.
Josuah Parker stieg aus. Das geschah mit einiger Umständlichkeit, die aber nicht sonderlich auffiel und wohl mit dem langen Covercoat zusammenhing, den er trotz der nicht geraden tiefen Temperaturen trug. Parker rückte sich die schwarze Melone zurecht, legte den Universal-Regenschirm über den linken Unterarm und begab sich gemessen hinüber zu Foldex.
Er hatte ihn noch nicht ganz erreicht, als Foldex blitzschnell zur Schulterhalfter griff, seinen Revolver zückte und auf Parker schoß. Der Butler fühlte den ungemein harten Schlag gegen die linke Brustseite, einen zweiten Schlag gegen den Leib und sackte dann in sich zusammen.
Er blieb regungslos auf dem schmutzigen Zementboden liegen ...
*
Herb Foldex lächelte tückisch und ging langsam auf den am Boden liegenden Butler zu, ließ ihn dabei aber nicht aus den Augen. Daß er getroffen hatte, war ihm klar. Er wußte nur zu gut, daß er ein erstklassiger Schütze war. In diesem Fall hatte er auf das Herz und auf den Leib des Butlers gehalten. Der Tod mußte sofort eingetreten sein.
Er hatte Parker erreicht.
Mit der Fußspitze drehte er den Butler herum. Überraschungen brauchte der Mörder nicht zu befürchten. Dieser Lagerschuppen gehörte seinem Boß Lordans. Hier kam keiner herein, der nicht mußte.
Und ob Foldex getroffen hatte!
Auf der Brustseite des Mantels war ein zerlaufener, roter Blutfleck zu sehen. Volltreffer also. Das Herz war zerfetzt worden. Leider hatte dieser komische Butler wohl gar nicht mitbekommen, daß er in eine raffinierte Falle gestolpert war.
Foldex richtete sich wieder auf und streckte den kurzläufigen Revolver zurück in die Schulterhalfter. Sekundenbruchteile später schoß die Schirmspitze wieder von dem »Toten« hoch und bohrte sich in seine Magenpartie.
Foldex röchelte auf, krümmte sich und stierte dann auf den Toten, der erstaunlich geschmeidig aufstand, ohne dabei etwas von seiner Würde zu verlieren.
»Ich sehe mich gezwungen, Ihr Verhalten zu tadeln«, ließ der Butler sich vernehmen und stieß mit der Schirmspitze noch mal zu. Sie traf diesmal die Region des Bauchnabels, worauf Foldex sich hastig noch tiefer verbeugte. »Sie können übrigens von Glück sagen, daß die Selbstbeherrschung von mir geradezu gepflegt wird. Ich hätte nämlich nicht übel Lust, mich ein wenig gehenzulassen.«
Foldex sah den Butler durch einen Tränenschleier. Das Wasser stand ihm dick in den Augen. Er schluchzte und keuchte und hatte das Gefühl, von zwei Degenstichen durchbohrt zu sein. Er bekam überhaupt nicht mit, daß Parker ihm den Revolver aus der Schulterhalfter nahm.
»Gehen wir zu Mr. Lordans«, sagte Parker gemessen. »Ich bin sicher, daß Sie keine Schwierigkeiten machen, Mr. Foldex.«
Während der Butler noch redete, nahm er den Blutfleck von seinem schwarzen Überzieher. Es handelte sich natürlich um eine täuschend echte Nachbildung