Milena - Heart am Limit | Erotischer Roman. Julia M. Flinck
Gegenwart war ja Dauerzustand … Bei Ben mit seiner ansonsten ziemlich frechen Klappe hatte ich dagegen überhaupt nicht damit gerechnet, dass er unsicher sein könnte! Aber nach einer Weile legte sich das, und dann kam es zu einem wirklich guten Gespräch. Für einen Zweiundzwanzigjährigen hatte Ben zu vielen Dingen eine sehr vernünftige und interessante Einstellung.
Später erzählte er mir auch von seiner Sandra, mit der er über zwei Jahre zusammengelebt und die ihn vor knapp sechs Monaten verlassen hatte. Sie hatte ihn damals sehr verletzt. Aha, da lag also das Problem! Offensichtlich hatte er daran noch ganz schön zu knabbern und war deshalb noch nicht für eine neue Beziehung bereit, weder mit Janine noch mit jemand anderem. Da er sich mir gegenüber sonst immer so provokant verhielt, war ich sehr überrascht, jetzt seine verletzliche Seite kennenzulernen. Fast tat er mir leid. Um ihn von diesem traurigen Thema abzulenken, fragte ich nach seinen Hobbys – worauf er ein Foto von seinem Motorrad aus dem Geldbeutel zog. Ich sah mir auch die beiden anderen Fotos an, die er stets bei sich trug. Auf einem hatte er eine hübsche junge Blondine im Arm und strahlte über das ganze Gesicht. Zweifellos handelte es sich um Sandra, daher war dieses Bild nicht gerade dazu geeignet, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Ich gab es ihm also gleich zurück. Das letzte Foto zeigte Ben vor einem großen Löschfahrzeug. Sieh einer an, dachte ich mir, auch als Feuerwehrmann macht er eine gute Figur. Ich fragte ihn also nach der Freiwilligen Feuerwehr und er erzählte mir ausführlich von seinen bisherigen Einsätzen.
Zu vorgerückter Stunde allerdings – inzwischen war es schon fast drei Uhr – wurden unsere Themen weniger unverfänglich, um nicht zu sagen pikant. Keine Ahnung, wie wir nach der Freiwilligen Feuerwehr darauf kamen, aber irgendwann unterhielten wir uns über Verhütungsmethoden, Sex im Allgemeinen und Selbstbefriedigung im Besonderen. Ich hatte tatsächlich noch nie zuvor mit einem männlichen Wesen so unverblümt über diese Dinge geredet. Ach, und weil wir schon bei »unverblümt« waren, sagte ich ihm bei dieser Gelegenheit gleich noch, dass er es zukünftig lieber lassen solle, Spielchen mit mir zu spielen. Er stellte sich dumm. Irgendwie schien er nicht kapieren zu wollen, was ich damit meinte. Deshalb sagte ich es ihm dann ganz deutlich. Dass er mich entweder in Ruhe lassen oder endlich mit mir schlafen solle.
Das war das erste und einzige Mal, dass ich ihn sprachlos erlebte. Er wurde tatsächlich rot und rutschte ganz unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Dann räusperte er sich und murmelte etwas wie: »… davon träumt doch jeder Mann …«
»Wie bitte?«, fragte ich mit einem unschuldigen Augenaufschlag.
»… dass eine Frau wie du ihm ein solches Angebot macht, meine ich …«
Ich hatte keinen blassen Schimmer, was in mich gefahren war, mich so zu verhalten. Dabei hatte ich nicht einmal Alkohol getrunken. Nicht auszudenken, wie ich mich vielleicht hätte gehen lassen, wenn Ben mir statt Cola einen (oder mehrere) Prosecco bestellt hätte! Andererseits: Warum sollte es nur Männern zustehen, dass ihnen ab und zu das Gehirn etwas tiefer rutscht? Außerdem war ich extrem »untersext«, wie meine Freundin Andrea es nannte, wenn eine Frau längere Zeit keinen Sex gehabt hatte und deshalb – gelinde ausgedrückt – etwas unausgeglichen war. Oder auch unberechenbar. Eine Definition, die exakt auf meinen derzeitigen Gemütszustand zutraf.
Ben war doch ziemlich geplättet und erklärte mir im Brustton der Überzeugung, dass er niemals mit einer Frau Sex haben könnte, mit der er keine Beziehung habe. Prima, das traf sich gut, denn ich wollte wegen eines Anfalls schwerer geistiger Umnachtung nicht meine Ehe aufs Spiel setzen, mochte sie momentan auch noch so unbefriedigend sein. Die Vorstellung einer Affäre war zwar äußerst reizvoll, die Umsetzung jedoch absolut unmöglich, darin waren wir uns einig. Als wir kurz darauf nach Hause fuhren, war ich sehr erleichtert. Endlich war alles geklärt, die Katze sozusagen aus dem Sack. Nun konnte nicht mehr viel passieren. Schließlich hatten wir dieses Thema ausführlich diskutiert. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Ab sofort keine Spielchen mehr – so einfach war das. Dachte ich.
***
Normalerweise ging ich nur einmal pro Woche aus, aber am nächsten Abend waren wir wieder im Andromeda, da Ben nochmals arbeiten musste. Das würde eine lange Nacht werden, denn die Diskotheken schlossen erst um fünf Uhr früh, und er war für die letzte Schicht an der Hauptgarderobe eingeteilt. Janine, die heute mitgekommen war, hatte ein paar Freunde getroffen und war mit ihnen im sogenannten Schlagerschuppen verschwunden – ein Ort, an den ich mich in der Tat äußerst selten verirrte, weil mir dort weder Atmosphäre noch Musik zusagten. Gegen die ab und zu gespielten Oldies hätte ich absolut nichts einzuwenden gehabt. Doch hier lief meistens so eine Art Stimmungs- und Schunkelmusik, die ich mir bestenfalls an Fasching oder nach der zweiten Flasche Sekt antun konnte. Ich hielt mich daher meistens lieber im Houseclub auf, wo manchmal auch Rockmusik gespielt wurde, was meinen Vorlieben noch am nächsten kam. Dort saß ich also, auf einer Stufe neben der Tanzfläche, und starrte gedankenversunken mein Handy an. Trotz der lauten Musik und der vielen Menschen fühlte ich mich völlig allein. Ich dachte an Ben, an unsere Unterhaltung von letzter Nacht und daran, wie gut wir uns verstanden hatten. An die teils harmlosen, teils prickelnden Gesprächsthemen und das Foto von der Freiwilligen Feuerwehr. Aus den Lautsprechern dröhnte gerade ein Hit aus den Charts. Die Sängerin sprach mir wirklich aus der Seele: »… my body is burning …« Meine Finger drückten ganz von selbst die Tasten:
Ich brenne – wann kommst du löschen?
Ich dachte nicht nach. Ich schickte die SMS einfach ab.
Kurz darauf wurde mir schlagartig bewusst, was ich da gerade getan hatte. Um Himmels Willen, war ich denn völlig übergeschnappt? Zum Glück kam keine Antwort. Vielleicht hatte ich ja gar nicht wirklich auf »Senden« gedrückt … Als Janine und ich Ben morgens gegen halb sechs an der Garderobe abholten, wäre ich vor Scham beinahe im Erdboden versunken. Ich traute mich kaum, ihn anzusehen vor lauter Angst, er könnte irgendeine anzügliche Bemerkung wegen der SMS machen. Später, in seinem Auto auf der Heimfahrt, erwähnte er dann, dass er sein Handy bei uns zu Hause hatte liegen lassen. Immerhin – das bedeutete einen kleinen Aufschub. Vielleicht kam die SMS ja gar nicht an, das passierte manchmal. Oder sein Handy ging plötzlich kaputt – alles schon mal da gewesen. Oder die Katze hatte es gefressen, oder die Erde tat sich auf und verschluckte das Haus mitsamt dem verdammten Telefon …
***
Um elf Uhr saßen wir alle zum Brunch am Küchentisch, Oliver, Janine, Nicole, Ben und ich. Ausgerechnet jetzt schaltete Ben sein Handy ein. Welches natürlich prompt durch einen aufdringlichen Piepton verkündete, dass eine neue SMS angekommen war. Ich hielt den Atem an, starrte auf meinen Teller und schob schwer konzentriert das darauf liegende Brötchen hin und her. Ehrlich, ich fühlte mich nicht besonders wohl in meiner Haut. Am liebsten hätte ich mich unter dem Tisch versteckt, aber das wäre nun doch zu sehr aufgefallen. Gott sei Dank ließ Ben sich beim Lesen wenigstens nicht anmerken, was für eine Art Nachricht er bekommen hatte. Und vor allem von wem … Er verhielt sich absolut normal.
Nach dem Frühstück waren er und ich allein in der Küche. Die anderen hatten – wie meistens, wenn es etwas zu tun gab – fluchtartig das Feld geräumt. Und wie immer, wenn er da war, half Ben mir dabei, die Küche wieder auf Vordermann zu bringen. Im Gegensatz zu sonst lief das heute ziemlich schweigsam ab. Meine unüberlegte (aber durchaus zutreffende) SMS stand nach wie vor im Raum und sorgte für eine angespannte Stille. Ich ließ heißes Wasser ins Spülbecken einlaufen und begann mit dem Abwasch der Töpfe vom Vorabend.
Gerade eben war Ben noch damit beschäftigt gewesen, den Küchentisch zu säubern, dann stand er plötzlich hinter mir und flüsterte: »Was soll ich nur mit dir machen …?«
Mein Herz klopfte bis zum Hals.
»Was wohl …«, antwortete ich mit belegter Stimme.
Nach gefühlten fünf Minuten sagte er langsam: »Ich glaube, ich sollte dir auch mal eine SMS schicken.«
Ich schluckte und murmelte: »Du hast wirklich Glück, dass ich zu alt für dich bin – oder Pech, je nachdem, wie man es nimmt …«
»Du bist genau richtig für mich«, flüsterte er dicht an meinem Ohr.
Meine Hände bewegten sich mechanisch im Spülwasser. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken und wie sich die