Die weiße Sklavin von Al Dschesair | Erotischer Roman. Johanna Söllner

Die weiße Sklavin von Al Dschesair | Erotischer Roman - Johanna Söllner


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haben ihre Plätze eingenommen. Die unteren Segel werden gerefft, um zu vermeiden, dass sie durch Funkenflug der Kanonen in Brand geraten. Denn nichts ist übler an Bord eines hölzernen Schiffes als Feuer.

      »Charlotte! Ich will, dass du nach unten gehst.«

      »Bitte Vater. Ich will hierbleiben.«

      »Nein, du gehst! Es wird gefährlich werden. Sie werden uns entern. Es wird zum Kampf kommen. Hier auf diesem Deck. Ich möchte, dass du in Sicherheit bist. Komm. Ich muss auch nach unten. Meinen Degen und meine Pistolen holen.«

      Sein Blick duldet keinen Widerspruch. Ich folge ihm durch den Niedergang nach unten. Der Kapitän hat uns für die Überfahrt großzügig seine große Kabine am Heck überlassen. Vater bewaffnet sich. Er drückt mich an seine Brust.

      »Charlotte, was auch geschieht: Bleib hier unten. Hier bist du am sichersten. Versprichst du mir das? Keine Extratouren. Verstanden?«

      Mein Mund ist trocken. Die Tür fällt ins Schloss. Ich will noch rufen: Vater, ich liebe dich, doch ich bekomme keinen Ton heraus. Was geschieht jetzt?

      Ich bin allein. Nur das Getrampel der Füße über mir und das Ächzen des Schiffes, ist zu hören. Die Befehle der Schiffsführung, die laut gerufen werden. Wie eine gut geölte Maschinerie macht sich die Agamemnon bereit, den Angriff der Piraten abzuwehren.

      Ich habe ein Fenster der Heckgalerie geöffnet. So kann ich recht gut sehen, was geschieht. Es sind drei. Drei schlanke Schiffe, die schnell näher kommen. Ihre dreieckigen Lateinsegel blähen sich im Wind. Da können wir machen, was wir wollen. Die sind auf jeden Fall schneller. Unter mir rumpelt es. Nach hinten hat die Agamemnon nur eine schwache Bewaffnung. Nur zwei Geschütze, die jetzt auf dem Batteriedeck ausgerollt werden. Es kribbelt in meinem Bauch. Ich werde nervös. Ich habe bisher verdrängt, dass dies eine knifflige Situation werden könnte. Habe immer die Stärke unseres Schiffes bewundert. Die eleganten Uniformen. Was wird das alles jetzt wert sein? Plötzlich ein lauter Krach. Noch einer. Das Schiff zittert leicht. Rauch zieht zu mir herauf. Ich klammere mich fest. Kralle mich in den Fensterrahmen, dass meine Knöchel ganz weiß werden. Dann fällte es mir auf. Es ist nichts. Nichts. Wir haben nur das Feuer eröffnet. Drüben bei den Berberschiffen spritzen zwei Wassersäulen hoch. Die sind jetzt schon verdammt nah. Jetzt holen sie die Segel ein. Fahren Ruder aus, die das Wasser schaumig peitschen. Dieses Manöver geschieht fast, ohne Fahrt zu verlieren. Das sind keine Anfänger. Wirklich nicht. Wieder krachen die Schüsse der beiden Kanonen unter mir. Die Führungsgaleere ist schon recht nah. Ich sehe Holz splittern. Treffer! Ich höre das Kriegsgeschrei bis zu mir herüber. Wieder sprechen unsere Kanonen. Die anderen schießen ja gar nicht zurück? Aber die Waffe dieser Galeeren ist nicht das Geschütz. Das sind die Mannschaften und die gute Manövrierfähigkeit. Wieder die Schüsse. Und diesmal ein echter Treffer! Der Mast des Führungsschiffes fällt wie ein Streichholz geknickt vom Sturm. Doch es wird nicht langsamer. Die Ruder treiben es voran.

      Jetzt nehmen sie uns in die Zange. Zwei an Backbord. Eines an Steuerbord. Die Agamemnon dreht, um endlich ihre imposante Breitseite einsetzen zu können. Doch damit haben die Berber gerechnet. Mit Leichtigkeit drehen sie mit. Trotzdem lässt der Kapitän die Geschütze abfeuern. Ein gewaltiger Donnerschlag rollt über die See. Doch die vielen Geschütze treffen nichts. Die Piraten haben sich im toten Winkel gehalten. Harmlos fallen die Kugeln in die See, ohne den geringsten Schaden anzurichten. Doch dann fällt die erste Musketensalve unserer Rotröcke. Das richtet mehr aus als unsere ganzen Kanonenschüsse. Wutgeheul schallt von den Berbern herüber. Jetzt wird zurückgeschossen, da die vier Schiffe in Reichweite der Musketen sind. Ich höre Schmerzensschreie über mir, als auch oben die ersten Verwundeten zu beklagen sind. Jetzt sind die Piraten schon sehr nahe. Scheinbar kann sie nichts aufhalten. Ich kann die Gesichter schon erkennen. Bärtige Gestalten mit kantigen Zügen. Wütende Fratzen. Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel. Und dann kracht der erste Schiffsrumpf gegen die Agamemnon. Enterhaken fliegen durch die Luft. Getroffene Piraten stürzen zwischen die beiden Schiffe. Und dann ist der Kampf an Deck schon im vollen Gange. Jetzt helfen auch die Musketen nicht mehr. Das ist jetzt ein Kampf Mann gegen Mann. Auch das zweite und dritte Piratenschiff haben mittlerweile ihr Ziel erreicht. Die Berber fluten unsere Decks. Der Lärm verlagert sich. Offenbar werden die unsrigen zum Hauptdeck zurückgedrängt. Das Geschrei ist ohrenbetäubend. Diese Ungewissheit macht mich noch wahnsinnig. Nicht zu wissen, wie es um uns steht. Ob wir die Angreifer zurückschlagen können? Was ist, wenn einer der Piraten in diese Kabine eindringt? Ich muss mich verstecken. Nur für den Notfall. Ich kann mich ja wieder zeigen, wenn die Gefahr vorbei ist.

      Da ist der große Wandschrank. Ich öffne die Tür und schlüpfe hinein. Es ist genug Platz für mich. Ich drücke mich an die Rückwand und ziehe die ganze Kleidung als Tarnung vor mich und halte den Atem an. Hoffe, dass alles bald vorbei ist.

      ***

      Ich weiß nicht, wie lange ich hier drin stehe. Die Luft ist heiß und stickig. Ist es vorbei? Es ist so ruhig geworden. Haben wir sie geschlagen? Meine Knie zittern. Das schlimmste ist, in dieser Dunkelheit herumstehen zu müssen und völlig ahnungslos zu sein. Da höre ich Schreie vom Oberdeck. Aber, das ist nicht englisch. Das ist eine kehlige, gutturale Sprache, die ich nicht verstehe. Nein! Das darf nicht sein! Haben sie uns besiegt? Was ist mit Vater? Ist er tot? Ich muss es wissen und gerade als ich die Hand ausstrecke, um die Schranktür zu öffnen, da höre ich laute Schritte auf dem Deckabgang. Es kommt jemand! Ich presse mich an die Rückwand. Wer kann das sein? Bitte nicht! Ich versuche, mich so unsichtbar wie möglich zu machen. Es müssen zwei sein. Mindestens. Sie lachen und scherzen in dieser seltsamen Sprache. Wenigstens soweit habe ich Gewissheit. Die Piraten haben das Schiff übernommen.

      Was ist mit Vater? Was wird aus mir? Ich weiß nur eines: Sie dürfen mich nicht finden. Ich hab keine Lust, mich von denen gefangen nehmen zu lassen. Wirklich nicht! Aus den Geräuschen, die von draußen an mein Ohr dringen, höre ich, wie die beiden die Kabine durchsuchen. Oh nein! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie mich in meinem Versteck finden. Ich halte den Atem an. Dann wird die Schranktür aufgerissen. Ich habe mich hinter einem langen alten Mantel versteckt. Nur meine Füße sind sichtbar. Hoffentlich sehen sie die nicht. Ich halte die Luft an. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Das Blut rauscht in meinen Ohren. Ich habe das Gefühl, dass meine Herzschläge so laut sind wie Donnerschläge. Aber der Pirat ist offenbar in Eile. Er findet hier drin keine Schätze, sondern nur muffige Klamotten des Kapitäns. Er gibt der Tür einen Stoß. Quietschend schwingt sie zu. Aber nicht ganz. Wer noch genauer hinsieht, könnte mich sehr wohl noch entdecken. Ich wage es nicht, mich zu rühren. Dann laute Pfiffe vom Oberdeck. Ich habe es geschafft. Die beiden Kerle verlassen eiligen Schrittes die Kajüte. Erst als die Schritte draußen verklungen sind, wage ich mich vorsichtig aus dem Versteck. Die Kabine ist ein einziges Chaos. Die Schübe sind aufgerissen, der Inhalt ist über den Boden verstreut. Ich ducke mich und krieche zu der Heckgalerie. Linse vorsichtig nach draußen. Die Piraten sind gerade dabei, ihre Beute zu verstauen. Dann werden die Leinen gelöst. Zwei der Schiffe treiben bereits nach achtern weg. Das Dritte, das mit dem kaputten Mast liegt noch vertäut. Doch irgendetwas stimmt hier nicht. Es riecht so komisch. Rauch? Woher kommt der Rauch?

      Ich reiße die Tür auf. Jetzt sehe ich es. Höre es. Es brennt! Ich höre ganz klar das Prasseln des Feuers. Ich muss hier raus und haste den Flur entlang. Es wird heißer. Ich öffne die Tür zum Hauptdeck. Das Schiff steht in Flammen! Überall liegen Leichen. Ich stolpere förmlich über sie. Wate in ihrem Blut. Mein Blick geht zum Oberdeck. Da oben sind noch ein paar Piraten. Sie sehen mich im selben Augenblick wie ich sie. Sie deuten zu mir. Ich weiß nicht, was sie sagen. Der eine will mich holen. Das sehe ich. Doch der andere, offenbar der Anführer winkt ab. Treibt zur Eile. Deutet auf die Flammen. Das soll vermutlich heißen: »Lasst die Ungläubige hier verbrennen!«

      Durch Rauch und Flammen krieche ich nach oben. Hoch auf das Achterdeck. Wo ist Vater? Die Augen tränen mir. Funken fliegen um mich herum. Es ist glühend heiß. Und dann sehe ich sie. Den Kapitän, seine Offiziere und etwas abseits, da liegt Vater. Von mehreren Stößen mit dem Entermesser durchbohrt. Ich werfe mich über ihn. Vergieße bittere Tränen. Er war alles, was mir auf dieser Welt geblieben ist. Seine Augen sind glasig. Irgendwie ungläubig starren sie leblos in die grausige Welt. Dann trifft mich ein herabfallendes Teil aus der Takelage über mir. Bringt mich wieder zurück in die Wirklichkeit.


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