Die großen Western 113. Robert Ullmann
Bewegungen mit denen er den Pumpenhebel bediente und die Seife über die Muskeln rieb, demonstrativer.
Um Pats Lippen kräuselte ein verächtlicher Zug. Sie spürte die Nähe ihres Vaters und sagte: »Er wird ihn schlagen. Ganz bestimmt.«
Der Rancher schob die Unterlippe vor. Tom gefiel ihm nicht. Und Männer, die beim Anblick eines Mädchens gleich mit den Muskeln spielen, liebte er schon gar nicht. Aber Pat hatte ihn empfohlen, und das genügte.
»Warum hasst du Otis Kerrigan eigentlich?«, fragte er, und er fragte es zum ersten Mal, seit er die Spannung zwischen seiner Tochter und dem Texaner beobachtete.
Pat bewegte sich nicht. Sie starrte Tom an, aber sie blickte durch ihn hindurch, und Tom bemerkte es.
»Ich hasse ihn nicht«, sagte sie mit rauer Stimme. »Hass setzt Interesse voraus. Das habe ich nicht.«
»Dann möchte ich wissen, warum du dir solche Mühe gibst, ihn zu demütigen.«
Der Rancher konnte ihr Gesicht nicht sehen. Er sah aber, dass sich ihr Nacken feuerrot färbte.
Das Mädchen starrte ihm nach, drehte sich dann langsam um und begegnete den Augen Tom Shawns, der sich mit einem Frottiertuch den Rücken abtrocknete.
»Morgen, Miss Pat«, rief Tom freundlich.
»Morgen, Tom. Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
»Okay. Ich kleide mich rasch an.«
»Sie finden mich im Corral.«
Tom nickte und blickte ihr nach. Im Corral hinter dem Bunkhaus legten die Reiter ihren Pferden das Rodeogeschirr an. Jeder besaß mehrere Pferde. Ein ausdauerndes Weidepony, ein Catcherpferd für den langen Trail und die Lassoarbeit, eine »Bergziege«, ein Pferd also, das fast nur in den blanken Klippen und Schluchten der Sierra zu gebrauchen war. Man ritt es, um verirrte Maverickrudel in den Felsen aufzustöbern – und endlich den hochbeinigen, breitbrüstigen »Racer«, den Renner, der nur einmal im Jahr geritten wurde, wenn man die Jungstiere zusammentrieb.
Tom sah das Mädchen auf dem Corralzaun sitzen. Er sah aus wie immer. Trug sein altes Hemd, die gleichen Hosen und Stiefel.
Zwei Schritte vor Pat blieb Tom stehen und schaute sie ruhig an.
»Und was ist, wenn Kerrigan nach den Kämpfen zurückreitet?«, fragte er.
»Das wird er nicht. In den zwei Jahren, die er hier ist, gab es sechs Tanzfeste. Er hat keins ausgelassen.«
Toms Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln.
»Dieses Gebirge von einem Mann und tanzen?«
»Er tanzte nie. Er stand herum und trank, als wäre es jedes Mal der letzte Whisky in seinem Leben.«
»Ich glaube nicht, dass er zum Tanzen gehen wird, wenn ich ihn schlagen sollte, wovon ich übrigens noch gar nicht überzeugt bin.«
»Sie müssen ihn schlagen, Tom«, entfuhr es ihr, und ihre Augen blitzten. »Und auch dann wird er kommen. Sie kennen ihn nicht. Also, Tom, Sie werden mich belästigen, Sie versuchen, mich beim Tanzen zu küssen. Ich darf doch hoffen, dass es Ihnen ein Vergnügen sein wird?«
Mit aufreizender Gelassenheit zuckte Tom die Schultern.
»Sie sind nicht mein Typ«, gab er zurück und massierte die Unterlippe mit den Zähnen. »Wir haben zu vieles gemeinsam, Pat. Und noch eins: Lassen Sie sich nicht einfallen, mich ins Gesicht zu schlagen. Ich bin darin sehr empfindlich, auch Frauen gegenüber.«
Langsam drehte er sich um. Über die Schulter sagte er: »Die ganze Sache gefällt mir nicht. Aber sie passt in das, was ich vorhabe.«
»Und was haben Sie vor?«, fragte Pat betroffen. Sie hatte geglaubt, Tom Shawn habe damals nur in ihren Vorschlag eingewilligt, weil sie ihr Angebot mit dreihundert Dollar unterstrich.
»Das werden Sie zeitig genug erfahren«, antwortete Tom, tippte an den Hutrand und ließ sie stehen.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte sie ihm nach. Ihr fiel ein, dass er damals in Goldfield zusammengezuckt war, als sie ihren Namen nannte. Sie war auf dem Wege nach Tonopah, um eine Grundbucheintragung vornehmen zu lassen. Die Kutsche hatte eine Stunde Aufenthalt. Den benutzte sie dazu, sich die kleine Stadt anzusehen. Aber es gab nichts zu sehen, außer dass Tom Shawn vor einem Lokal drei finstere Burschen niederkämpfte. Als Tom schließlich seinen Hut aufhob, der vor ihre Füße gefallen war, als er sich bückte und sie in sein blutendes Gesicht blickte, da war ihr die Idee gekommen, ihn für sich zu gewinnen. Sie sagte, dass sie ihm einen Vorschlag zu machen habe, und nannte ihren Namen. Zuerst sah es aus, als zähle sich Tom zu den Männern, die sich grundsätzlich keine Vorschläge aus Frauenmund anhörten, dann aber richtete er seine Augen mit einem seltsamen Ausdruck von Interesse auf sie und murmelte:
»Stein, Patricia Stein?«
Pat nickte.
»Von der Domino-Six-Ranch bei Trail City?«
»Yeah, ich biete Ihnen eine Stellung als Vormann unserer Mannschaft.«
Da hatte Tom die Augen zusammengekniffen, und sein Gesicht war merkwürdig starr geworden.
»Und was noch?«, fragte er.
Zuerst fasste sie diese Frage falsch auf. Das Blut schoss ihr in den Kopf. Sie deutete auf die Saloontür und schlug mit heiserer Stimme vor, es dort zu besprechen. Dort beruhigte sie sich rasch wieder, und es war zu dem Handel gekommen, der damit endete, dass Tom dreihundert von ihren sechshundert ersparten Dollar einsteckte und sich ihr anschloss.
Pat stieß sich von dem oberen Balken des Corralzaunes ab und blickte Tom nach.
Wie meinte er das, als er sagte, sie hätten zu vieles gemeinsam? Was war es, das er vorhatte? Was konnte man als Vormann der Ranch schon vorhaben, wenn man viele Dollar dafür bekam, einen Mann zu demütigen?
Und da fiel ihr wieder Otis Kerrigan ein. Sie ballte die Hände, drehte sich um und lehnte sich gegen den Corralzaun. Sie malte sich aus wie Tom sie zu küssen versuchte, wie sie ihn anschrie und zurückstieß und wie sich Otis auf Tom stürzte, um vor ihr den Beschützer und Helden zu spielen. Und Tom würde den Texaner zusammenschlagen, wie er die drei rauen Burschen in Goldfield zusammengeschlagen hatte. Sie stellte sich den gefällten Otis vor. Sie würde dabeistehen, und wenn er am Boden läge, dann würde sie Tom zulächelnd, würde den Arm ausstrecken und wieder mit ihm tanzen.
*
Als Shawn Costontino den Jail betrat, warf er zuerst einen Blick in die offene Zellentür des Texaners Lacy McCullough.
McCullough schlief, aber das war es nicht, was ihn an dem Mann faszinierte, denn der hatte einen weiten und harten Ritt hinter sich. Es war vielmehr der Ausdruck seines Gesichtes, der den Sheriff veranlasste, ganz nahe an die geöffnete Gittertür zu treten.
Das schmale Gesicht war glatt. Da war keine der bitteren Falten mehr an den Mundwinkeln und zwischen den Augenbrauen. Die Lippen leicht geöffnet, sodass man die Zähne etwas hervorschimmern sah, lag der Mann da mit einem Gesicht wie ein Junge.
Und von diesem Gesicht glitt Costontinos Blick ab zu dem schwarzen Kolben des Revolvers und wieder hinauf zur Brust. Das Hemd war während der Nacht geöffnet worden. Auf der Brust befanden sich vier kerzenartige Narben.
So sahen Wunden aus, in die man ein breites Reitermesser stieß, um eine Kugel hervorzuholen und die man anschließend mit einem weiß glühenden Eisen ausbrannte, um die Blutung zu stillen. Eine solche Prozedur überstand nur ein Mann, der hart wie Stahl war.
Als er sich umdrehte, hockte der Falschspieler auf der Pritsche und sah ihn stumm an.
Der Sheriff kochte Kaffee, schlug ein halbes Dutzend Eier in die Pfanne, schlang diese lustlos hinunter, trat auf den Gehsteig und verschloss die Tür hinter sich.
Durch die Straße rollten die ersten Ranchwagen. In den Bars machten sich Mannschaften breit. Vom Rodeogelände am Rande der Stadt tönten raue Stimmen, Hufgetrappel und Hammerschläge herüber. Er betrat den Trail-Saloon, in dem jeder