Mami Bestseller 55 – Familienroman. Myra Myrenburg

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sie sich eigentlich, Nora?«

      »Von Kartoffelpüree, größtenteils wenigstens«, erwiderte Nora halblaut »sie schwindet mir richtig dahin, findest du auch?«

      »Eben, drum. Na, laß nur, Onkel Fedja macht das schon. Alles andere mußt du leider allein besorgen – toi, toi, toi.«

      Einer Eingebung folgend fuhr er den Fluß entlang, dort, wo die Promenadenwege einsamer und romantischer wurden.

      Und dann sah er sie – zwei junge Leute, die gemächlich unter zartgrünen Birken dahinschlenderten.

      Er hatte den Arm um ihre Schulter gelegt, und sie rieb zuweilen den Kopf an seiner Brust.

      Über ihnen spannte sich ein blaßblauer Märzhimmel, und die Sonne malte Kringel auf den Kiesweg.

      Wie immer und zu allen Zeiten, dachte Fedor Rasin, so ist das Leben, so wird es bleiben, zwei Verliebte auf einsamem Parkweg. Das wird es noch geben, wenn sie den Mond heruntergeholt haben, wenn sie alle Atome zersplittert haben, wenn nichts mehr übrigbleibt – das wird es geben. Denn das ist der Anfang allen Lebens, und nichts wird es auslöschen können.

      »Glück auf, ihr beiden«, murmelte er halblaut und hob die Hand wie zu einem Gruß. Aber sie sahen nicht hin zu ihm, sie entfernten sich langsam aus seinem Blickfeld, gingen der Brücke zu, und er wendete den Wagen und fuhr nach Haus.

      *

      »Ausgerechnet heute!« jammerte Wendi. »Warum kommt dieser miese Professor nicht an einem anderen Abend, Tante Nora? Heute ist doch die Abschiedsvorstellung im Stargast – ach bitte, bitte, laß mich trotzdem gehen! Du weißt nicht, was mir das bedeutet…«

      Nora stülpte den Deckel auf ihre Schreibmaschine und raffte ein Bündel Papiere zusammen.

      »Wendi, es ist nicht mein Professor, sondern deiner. Du hast mir damit in den Ohren gelegen, daß du ein Examen machen willst, unbedingt und mit aller Gewalt. Daß du dir selbst etwas beweisen willst. Ich halte nichts davon, dir Vorschriften zu machen, du mußt lernen, dich frei zu entscheiden und einmal im Leben etwas zu Ende zu führen.

      Professor Becker kommt nicht von ungefähr, er kommt vielmehr auf Grund einer Einladung, die wir beide, du und ich, kürzlich beschlossen haben. Du wolltest dich über die neuen Prüfungsordnungen informieren, und ich war nicht abgeneigt, ihn einmal wiederzusehen.

      Er war ein guter Gesellschafter damals, als wir zufällig auf einem Schiff zusammentrafen. Womit ich nicht sagen will, daß mir rasend viel an seiner Gesellschaft liegt. Ich hätte es bei weitem vorgezogen, mit Onkel Fedja Schach zu spielen. Wenn wir ihn ausladen sollen, bitte schön, das ist dann deine Sache.«

      »Tante Nora, versteh mich doch – ich will ihn nicht ausladen! Das wäre ja geradezu empörend, unmöglich, provozierend, um Gottes willen, nein, das keinesfalls. Ich meine nur – ob ich denn unbedingt dabeisein muß…«

      »Tja, Wendi, wie stellst du dir das vor? Was soll ich denn mit ihm anfangen? Ich hab’ ihn mir nicht eingeladen, wie ich eben schon sagte. Ich habe keine Fragen an ihn, mich interessiert keine Prüfungsordnung. Entweder du bleibst, oder ich lade ihn aus.«

      »Nein, nein!« rief Wendi. »Nur das nicht. Dazu ist er viel zu wichtig, wenn ich auch gestehen muß – ach, mir ist im Grunde alles gleichgültig, außer Alexis. Sie brechen doch morgen auf, Tante Nora, begreifst du das nicht, dann werde ich ihn nicht mehr sehen können – es sei denn, ich fahre nach Wien, was ja nicht aus der Welt ist, wenn man es recht bedenkt, nicht wahr? Ich könnte doch ganz gut mal nach Wien fahren, die nächsten beiden Stationen sind viel weiter weg.«

      Nora war aufgestanden. Ihr Haar lag weich und gepflegt um ihren schmalen Kopf. Sie wußte, was man dem Professor schuldig ist, der die Tochter examinieren würde.

      »Wendi, bleib jetzt mal bei diesem Abend. Wien und alles andere können wir später besprechen. Also, was ist nun?«

      Wendis kleine Gestalt sank in sich zusammen. Ihr Gesichtchen wurde spitz und blaß.

      »In Gottes Namen«, flüsterte sie, »ich bleibe hier.«

      *

      Es wurde der ungemütlichste Abend, an den sich Nora erinnern konnte, seitdem sie diese behagliche alte Villa bezogen hatte, und das war lange her. Nicht nur Wendis Einsilbigkeit, ihre flatternden Hände, ihr geistesabwesender Blick, nein, auch ihre eigene unerklärliche Unruhe wirkte sich alles andere als gastlich aus.

      Der Professor war seinerseits ein sehr nervöser Mann, dem das moderne Universitätsleben durch den krassen Gegensatz zum Althergebrachten mehr zu schaffen machte, als er sich selbst eingestehen mochte. Von dem Gesellschaftslöwen von früher war keine Spur mehr vorhanden, an jene Schiffsreise erinnerte er sich nur noch mit einem wehmütigen Lächeln.

      Aber er konnte die Fragen präzis beantworten, die Wendi schließlich zögernd an ihn stellte, und da er ein Frühaufsteher war, verabschiedete er sich bereits um elf.

      Kaum hatte er das Haus verlassen, als Wendi in ihren Ledermantel schlüpfte und Nora abbittend um den Hals fiel.

      »Laß mich gehen, Tante Nora, bitte, laß mich gehen. Sie treffen sich immer noch nach der Vorstellung im ›Grünen Baum‹. Ich habe Alexis versprochen, hinzukommen, falls ich irgendwie kann. Und nun kann ich ja…«

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