Eine Münze für Anna. Anne Gold
Glücksschuss.»
«Mit Folgen.»
«Zugegeben, das war eine unkonventionelle Art, seine zukünftige Frau kennenzulernen.»
Der Architekt fiel kopfüber auf die Umrandung seines Venusbrunnens. Als er Tage später aus dem Spital entlassen wurde, kam langsam Licht ins Dunkel. Nicht, wie man munkelte, ein unzufriedener Kunde, sondern der Sohn des Gärtners war für den K.-o.-Schlag verantwortlich.
«Zum Glück versteckten mich deine Eltern. Mein Vater hätte mich totgeschlagen.»
«Daraufhin belagerte die Polizei unser Anwesen, Paps amüsierte sich köstlich …»
«Und deine Mutter, von der ich es am wenigsten erwartet hätte, fuhr grosses Geschütz auf.»
Irene Christ hielt überhaupt nichts von der Vermischung sozialer Schichten. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten die Bediensteten in einem eigens für sie errichteten Gebiet gewohnt. Am besten durch einen Zaun von den Reichen getrennt, damit die Armutsseuche nicht plötzlich auf den Hügel überschwappen konnte. Eben diese als Patrizierin zur Welt gekommene Dame hielt ihrem Sohn eine gehörige Standpauke, dass solche Dinge eben passieren, wenn sich die erlesene Oberschicht mit dem Plebs abgibt. Danach kanzelte sie den Polizeikommandanten, der sich des Falles persönlich angenommen hatte, vor der versammelten Nachbarschaft ab und outete mit einem Rundumschlag den Architekten als perverses, degeneriertes Schwein. Und da sie schon einmal beim Ausmisten des Augiasstalles war, klopfte sie gleich noch an Otters Tür und las dem Gärtner gründlich die Leviten. Selbstverständlich alles in Begleitung ihres Gatten Ernst, der sie mit der passenden Wortwahl unterstützte. Der Polizeikommandant zog sich diskret in den Spiegelhof zurück, während sich der Perversling in seiner Villa verbarrikadierte, und Gärtner Otter machte fortan einen weiten Bogen um die Furie Irene Christ.
«Mutter war danach wochenlang das Stadtgespräch Nummer eins.»
«Und ich der Held von Fabienne.»
Christ stellte sich ans Fenster und blickte auf den Pavillon hinunter.
«Der ist neu, oder?»
«Nicht wirklich. Du bist schon lange nicht mehr hier gewesen.»
«Bernd, ich war bei Lisa Kolb.»
«Sie ist eine von vielen.»
«Du gibst es zu?»
«Wie bist du auf sie gekommen?»
Christ deutete auf den Pavillon.
«Nicole! Das hätte ich wissen müssen. Dein Terrier macht gegen mich mobil.»
«Gegen deine Geschäfte. Es war Ingo, der das Ganze ins Rollen brachte.»
«Er fürchtet, dass ich dir schaden könnte. Und ihm.»
«Ich soll deine Gesellschaft meiden.»
«Verständlich. Mit mir als Klotz am Bein wird deine Kandidatur infrage gestellt. Das kann er sich nicht leisten, er setzt voll auf dich – in der Erwartung deiner Dankbarkeit, versteht sich. Ich bin ja nicht blöd. Deshalb hielt ich mich auf dem Hörnli im Hintergrund. Ich will dir auf keinen Fall schaden.»
«Wie viele Lisa Kolbs gibt es?»
«Hunderte. Die einen verloren mehr, die anderen weniger.»
«Ist Fabienne eingeweiht?»
«Vermutlich ahnt sie etwas von meinen dubiosen Geschäften, aber sie hält bedingungslos zu mir.»
«Typisch für sie.»
«Was verlangst du von mir, Markus?»
«Unterstütze die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung.»
«Du erwartest, dass ich mich an den Galgen liefere und meine Familie in den Ruin treibe?»
«Das hättest du dir früher überlegen müssen. Ich verstehe dich nicht. Wie kam es dazu? Was sind deine Beweggründe? Du bist doch ein vermögender Mann, Geld kann keine Rolle spielen.»
«Zuerst faszinierte mich die Idee. Es ist kein Schneeballsystem, wie alle vermuten. Es könnte wirklich funktionieren, wenn man es seriös betreibt. Aber das genügte Redding nicht, er wollte das schnelle Geld.»
«Und du?»
«Ich dachte, ich bekomme ihn in den Griff. Doch das war ein fataler Irrtum.»
«Warum bist du nicht ausgestiegen?»
«Wie so oft im Leben verpasst man den richtigen Zeitpunkt und dann hängst du voll mit drin. Redding, der innovative und kreative Kopf, mauserte sich vom kleinen Investor zum unberechenbaren Gangster.»
«Mit deiner Unterstützung.»
«Ja, mit meiner Hilfe. Ohne mich wäre er nie so weit gekommen.»
«Lisa Kolb muss ihr Haus verkaufen. Sie wird in ein Altersheim ziehen müssen. Ich gebe ihr dort höchstens sechs Monate. Ist es das wert?»
«Nein.»
«Dann hilf mit, weitere solche Schicksale zu verhindern.»
«Was soll ich tun?»
«Du bist der Einzige, der das System Redding im Detail kennt. Wir müssen das System aushöhlen und vernichten.»
«Ich kann nicht. Nicht wegen mir, wegen Fabienne und Denise.»
«Wirst du bedroht?»
«Nein. Aber ich traue Redding alles zu. In seinem Haus schleichen dubiose Gestalten herum, die schrecken vor nichts zurück. Wenn ich dir das Material liefere, weiss er ganz genau, woher es stammt. Dann rächt er sich gnadenlos an meiner Familie.»
«Und an dir.»
«Das ist mir inzwischen ziemlich egal. Könnte ich nur die Uhr zurückdrehen … Jetzt ist es zu spät.»
«Ohne dich kann ihn die Staatsanwaltschaft nicht aus dem Verkehr ziehen.»
«Ich weiss.»
«Dann macht er weiter und du siehst einfach zu.»
«Genau so wird es sein. Das ist und bleibt mein Dilemma.»
«Überleg es dir.»
«Da gibt es nichts zu überlegen. Tut mir leid.»
Christ ging langsam zur Tür.
«Unsere Freundschaft bedeutet mir viel, Markus. Aber ich kann nicht. Ich hoffe, dass du mich ein wenig verstehst.»
«Ich begreife nicht, wie es so weit kommen konnte. Ich … ich akzeptiere deine Entscheidung. Vermutlich würde ich genauso handeln. Die Polizei wird dir am Donnerstag oder am Freitag einen Besuch abstatten.»
«Du warnst mich vor?»
«Ich weiss nicht, was sie gegen dich und Redding in der Hand haben. Vielleicht bluffen sie nur. Trotzdem, nimm es bitte nicht auf die leichte Schulter. Es ist schon mancher über Nacht in der Zelle zusammengebrochen.»
«Dann … dann war das jetzt unser letztes Gespräch, unsere letzte Begegnung.»
«Nur bis zur nächsten Woche. Länger können sie dich vermutlich nicht festhalten. Du schuldest mir übrigens noch eine Revanche.»
«Du wirst wieder verlieren. Ich bin eindeutig besser im Bowling.»
«Wir werden sehen.»
«Markus, du weisst, was das für dich bedeutet?»
«Ja. Ich werde mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht Bundesrat.»
«Wieso nimmst du das auf dich?»
«Ganz einfach, weil du mein Freund bist.»
«Und, wie wars?»
«Es ist schön hier im Garten. So mitten in der Stadt, eine ausgezeichnete Lage. Schade, dass die Villa als Büro genutzt wird.»
«Er wird nicht kooperieren.»
«Ich