Butler Parker 119 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 119 – Kriminalroman - Günter Dönges


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      »Die Gefahr, Mylady, dürfte meiner bescheidenen Ansicht nach gebannt sein.« Parker deutete mit seiner rechten Hand fast lässig auf die Feuerwand, die jetzt die Biegung erreicht hatte, doch die Kurve nicht nehmen konnte. Sie stürzte lotrecht weiter und hüpfte dann über den Steilhang weiter nach unten.

      »Puh«, stieß Kathy Porter hervor und holte tief Luft. »Das war sehr knapp.«

      »Nun übertreiben Sie mal nicht, Kindchen«, sagte Lady Simpson. »Ich wäre vielleicht noch etwas schneller gewesen.«

      »Gewiß, Lady Simpson«, antwortete Kathy Porter und lächelte bereits wieder. So war sie nun einmal, Lady Agatha Simpson. Sie wußte alles besser und mußte kritisieren. Wahrscheinlich waren solche Behauptungen nur eine Art Ventil, um »inneren Dampf« abzulassen.

      »Der Lastwagen, Mylady«, meldete der Butler gemessen. Lady Simpson und Kathy Porter beugten sich vor und beobachteten den Wagen, dessen aufgeschraubter Kastentank lichterloh brannte.

      Diese riesige Fackel hatte die Biegung erreicht und schoß mit großer Fahrt über den Straßenrand hinweg nach unten auf den Steilhang. Sekunden später war eine Detonation zu hören.

      *

      »Wenn Mylady gestatten, möchte ich dem abgestürzten Tankwagen meine bescheidene Aufmerksamkeit widmen.«

      »Aber beeilen Sie sich«, verlangte Lady Agatha. »Ich möchte endlich meinen Tee nehmen.«

      »Damit kann ich selbstverständlich dienen, Mylady.«

      Der Butler griff nach einem Bastkorb, der neben ihm im Wagen stand, öffnete den Deckel und holte eine Thermosflasche hervor. Da er den äußerst schwachen Kreislauf Lady Simpsons kannte, hatte er für jede Fahrt sicherheitshalber einen französischen Cognac mitgenommen.

      »Das mache ich schon, Mister Parker«, schaltete Kathy Porter sich ein, als Parker den Cognac servieren wollte.

      »Laufen Sie nicht in die nächste Falle, Mister Parker«, warnte die Lady, als Parker den Wagen verlassen wollte.

      »Eine Falle, Mylady?« Parker sah Lady Agatha ernst und gemessen an.

      »Haben Sie das noch nicht herausgefunden?« wunderte sich Lady Simpson. »Das wundert mich aber doch sehr, Mister Parker.«

      »Mylady haben Tatbestände entdeckt, die diese Annahme rechtfertigen?«

      »Mein gesunder Menschenverstand«, sagte die Lady energisch. »Es kann doch kein Zufall gewesen sein, daß der Lastwagen ausgerechnet dort oben auf der Geraden stand, oder?«

      »Über diesen Punkt werde ich ein wenig nachdenken«, versprach der Butler. Er griff nach seinem Universal-Regenschirm und öffnete ihn. Es war erstaunlich, daß dieses Gerät tatsächlich auch gegen Regen schützte. Normalerweise war dieser Schirm nichts anderes als ein geschickt getarntes Schießgerät, mit dem der Butler Blasrohrpfeile durch die Lüfte schicken konnte.

      Er rückte seine schwarze Melone zurecht und schloß dann die Wagentür hinter sich. Der Wind griff sofort nach seinem Covercoat, den er trug. Regen peitschte auf den Schirm. Der Butler stemmte sich gegen den Sturm und ging dann gemessen zur Biegung.

      Der Lastwagen brannte noch, obwohl der Regen in Sturzbächen vom Himmel rauschte. Er lag gut und gern fünfzig bis sechzig Meter unten auf dem Steilhang. Im Feuerschein war nicht zu erkennen, ob dort unten menschliches Leben war. Parker mußte also notgedrungen absteigen und sah sich nach einem geeigneten Weg um.

      Er fand eine Art Pfad, nur wenige Fuß breit, der in steilen Serpentinen nach unten führte. Der Butler stieg ab und ließ sich dabei Lady Simpsons Behauptung durch den Kopf gehen. Sollte es sich wirklich um eine Falle gehandelt haben? Hatte man Lady Simpson, Kathy Porter und ihn vielleicht umbringen wollen? Falls dem so war, mußte diese Falle von langer Hand vorbereitet worden sein. Der Aufwand war beträchtlich gewesen und ließ auf gute Organisation schließen. Laien konnten so etwas wohl kaum inszeniert haben.

      Nun, zur Zeit standen Lady Simpson, Kathy Porter und er nicht im Mittelpunkt irgendeines Gangsterrings. Das Trio arbeitete an keinem Fall. Man befand sich auf dem Weg nach Wolverton House, um einer Verwandten Myladys einen Besuch abzustatten.

      Lady Dorothy Wolverton hatte sehr dringend um diesen Besuch gebeten und dazu das richtige Stichwort geliefert. Sie hatte Lady Simpson gegenüber von einem geheimnisvollen Spuk gesprochen und damit natürlich sofort eine Zusage ausgelöst. Für Geister und Spuk war Lady Simpson immer zu haben. Sie ließ sich keine Gelegenheit entgehen, Gespenstern auf den Zahn zu fühlen.

      Die beiden Damen waren miteinander verwandt. Lady Dorothy Wolverton war die Schwägerin Lady Agathas, inzwischen auch längst verwitwet und ebenfalls nicht gerade unvermögend. Lady Agatha und Lady Dorothy Wolverton waren sich nicht gerade in überströmender Herzlichkeit zugetan. Normalerweise hätte Lady Agatha eine Einladung abgelehnt, doch wie gesagt, der Hinweis auf einen Spuk hatte sie geradezu belebt und ihre Aversion gegen Lady Wolverton vergessen lassen.

      Parker hatte inzwischen die eigentliche Unfallstelle erreicht. Der Tankaufsatz des Lastwagens war auseinandergeborsten. Der Inhalt – es schien sich um Heizöl zu handeln – brannte lichterloh und schlug eine‘ Zone, die wegen der Hitze einfach nicht zu durchbrechen war. Die Tankflüssigkeit war ausgelaufen, breitete sich immer weiter aus und bildete überall kleine Tochterbrände, gegen die selbst der Regen nicht ankam.

      Nein, hier war nichts mehr zu machen. Wer immer sich im Lastwagen befunden haben mußte, der konnte einfach nicht mehr leben, es sei denn, er war im letzten Moment aus dem Wagen geschleudert worden.

      Parker rechnete mit solch einer Möglichkeit und suchte erst die nähere, dann die weitere Umgebung der Brandstelle ab. Vom Fahrer des Lastwagens war weit und breit nichts zu sehen. Er befand sich entweder im fast weißglühenden Lastwagen, oder es war ihm sogar gelungen, noch rechtzeitig auszusteigen.

      *

      Lady Agatha Simpson hatte auf ihren Tee verzichtet, dafür aber einen doppelten Cognac zu sich genommen. Nachdem ihr Kreislauf auf diese Art und Weise wieder auf Touren gebracht worden war, sah sie ihre Gesellschafterin wieder einmal mißbilligend an.

      »Spüren Sie denn nichts, Kindchen?« fragte sie Kathy Porter.

      »Was denn, Lady Simpson?« wollte Kathy wissen.

      »Da braut sich wieder was zusammen«, behauptete Lady Agatha kriegerisch. »Ich spür’s in den Fingerspitzen. Irgend etwas tut sich da draußen im Regen.«

      »Sie rechnen mit einem zweiten Lastwagen, Mylady?«

      »Seien Sie nicht albern, Kindchen. Aber es gefällt mir einfach nicht, daß wir hier im Wagen herumsitzen. Besser könnten wir uns doch gar nicht anbieten.«

      »Das Wetter draußen ist grauenhaft, Mylady.«

      »Der Tod ist aber noch grauenhafter, Kindchen.« Lady Simpson nickte nachdrücklich und griff dann nach ihrem Südwester. »Wir werden sofort den Wagen verlassen. Werfen Sie sich was über.«

      »Mylady, Sie werden sich erkälten.«

      »Papperlapapp, Kindchen. Mich wirft so leicht nichts um. Kommen Sie, oder wollen Sie als Zielscheibe dienen?«

      »Die Wagenfenster bestehen aus schußsicherem Glas, Mylady.«

      »Müssen Sie immer widersprechen?« Lady Simpson kümmerte sich nicht weiter um ihre Sekretärin. Sie band sich den Südwester unter dem faltenreichen Kinn fest zusammen und erinnerte jetzt an den energischen Kapitän eines Dreimastschoners, der sich anschickt, Kap Horn zu umsegeln. Sie griff nach ihrem weiten, wallenden Umhang, drückte die Wagentür auf und stieg beherzt ins Freie.

      Kathy Porter mußte notgedrungen folgen. Eine Lady Agatha Simpson ließ man tunlichst nicht allein. Selbst hier draußen im Unwetter fand sie bestimmt eine Möglichkeit, eine mittelmäßige bis große Dummheit zu begehen. Ihre Energien brauchten einfach ein Betätigungsfeld. Kathy streifte sich ebenfalls ihren Südwester über und band sich ein Tuch um den Kopf.

      »Mir nach, Kindchen!« Lady Simpson marschierte bereits los,


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