Thwaites stirbt. Caspar Heyse

Thwaites stirbt - Caspar Heyse


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Gegenteil von Klugheit? Dummheit! Nur die Dummheit kann uns retten!“

      Die anderen verstanden nicht gleich. „Wie meinst du das? ‚Nur die Dummheit kann uns retten‘?“

      „Nun“, antwortete der Einbeinige und zog klug die Augenbrauen hoch, „wir müssen uns dumm stellen, dann lassen uns die Könige und Kaiser ganz gewiss endlich in Ruhe.“

      „Aber wie stellt man sich dumm?“, fragte der Bürgermeister von Schilda und kratzte sich dabei an der Nase: „Mir scheint, Dummheit vorzugaukeln, ohne in Wirklichkeit dumm zu sein, ist nicht so leicht.“

      „Ach was“, meinte der Wirt voller Zuversicht. „Wir sind klug und werden das schon hinbekommen.“

      “Bravo!“, riefen jetzt einige aus der Runde.

      „Dumm zu sein ist mal was ganz anderes“, rief einer von ganz hinten, und „Lasst es uns doch versuchen!“ ein anderer. Immer mehr Schildbürgern gefiel der Plan, bis sie sich endlich einig waren: Sie wollten ihr Glück ab jetzt mit der Dummheit versuchen.

      Die Versammlung wurde beendet, und in der nächsten Zeit übten sie alle das Sich-dumm-Stellen im Verborgenen. Das ging besser und schneller, als sie gedacht hatten: Sie brauchten nur wenige Wochen, bis sie schon ziemlich zufrieden mit sich waren.

      „Ich habe kaum mehr kluge Gedanken“, sagte der Bürgermeister bei der nächsten Versammlung, und auch die anderen meinten, dass sie nur noch dumme Ideen in ihren Köpfen hätten.

      „Meine Kinder fragen manchmal: Was redest du nur für dumme Sachen?“, meinte einer. „Das hast du doch früher nicht getan!“

      „Genau wie bei mir“, meldete sich ein anderer Schildbürger zu Wort: „Sie sagen, wenn sie mich reden hören, dreht sich ihnen der Magen um!“ Dabei hielt er sich vor Lachen den Bauch fest.

      „Passt nur auf: Wer lange genug tut, als wäre er dumm, der wird es am Ende wirklich sein!“, warnte der kluge Lehrer sie. Doch die Schildbürger lachten ihn nur aus und waren froh, weil ihnen das Dummsein so gut gelungen war. Dann gingen sie an ihren ersten Streich.

      Sie bauten ein Rathaus, das sah ganz besonders aus, denn es war dreieckig. Nach einigen Wochen war es fast fertig, und sie mussten nur noch das Dach darauf setzen. Als sie auch das hinbekommen hatten, gingen sie stolz in das neue Gebäude. Doch kaum waren sie drinnen, da stolperten sie auch schon über die Beine der anderen, stürzten und taten sich weh.

      „Ach Mensch, es ist ja völlig dunkel in unserem Rathaus“, sagte der Bürgermeister. „Was können wir machen?“

      „Ich habe eine Idee“, meinte der Wirt. „Wir müssen das Licht nur in das Haus hineintragen, und schon wird es hell!“

      Gesagt, getan: Sie schaufelten vor der Tür das Sonnenlicht in Säcke, Töpfe und Eimer und trugen es hinein. Als sie die Behälter ausgeschüttet hatten, merkten sie, dass es drinnen immer noch dunkel war. Verdutzt sahen sie sich an, denn sie verstanden nicht, warum ihre Arbeit umsonst gewesen war.

      Sie wussten sich keinen Rat mehr, und auch dem Wirt fiel nichts ein. Zum Glück kam ein Besucher vorbei, der vom dreieckigen Rathaus angelockt worden war, und der hatte eine Idee: „Ihr müsst das Dach abdecken, dann wird es wieder hell!“

      Begeistert folgten die Schildbürger seinem Rat, und in weniger als einem Tag hatte das Rathaus kein Dach mehr. Zufrieden gingen sie hinein: „Nun ist es hell“, sagten sie. „Manchmal muss man auch auf einen Rat von anderen hören!“

      Als der Herbst kam, begann es zu stürmen und zu regnen. Die Schildbürger wurden in ihrem Rathaus klatschnass und liefen schnell davon. Offenbar war der Ratschlag des Fremden doch nicht so gut gewesen.

      Wie immer, wenn es notwendig war, trafen sie sich im Wirtshaus und überlegten hin und her.

      „Was ist erst, wenn es schneit?“, jammerte der Wirt. „Dann haben wir einen Berg voll Schnee im Rathaus und können es gar nicht mehr betreten.“

      „Es hilft alles nichts“, sagte der Bürgermeister streng. „Wir müssen dem Rathaus wieder ein Dach geben!“

      Sofort machten sie sich an die Arbeit, und weil sie dabei sehr geschickt zu Werke gingen, waren sie noch vor dem Winter mit dem Dach fertig. So konnten sie nun wieder in ihr Rathaus gehen, ohne nass zu werden.

      „Aber jetzt haben wir wieder das Problem mit der Dunkelheit!“, sagte der Wirt.

      „Man kann nicht alles haben im Leben“, erwiderte der Bürgermeister. „Entweder du hast es trocken oder du hast es hell. Beides geht nicht!“

      „Vielleicht doch“, widersprach der Wirt. „Lasst uns Streichhölzer anzünden!“

      Flugs zündete jeder von ihnen ein Streichholz an, und schon wurde es etwas hell im Rathaus. Leider dauerte dies nicht lange, denn als die Streichhölzer abgebrannt waren, war es sofort wieder stockdunkel.

      Da zeigte einer von ihnen plötzlich an die Decke. „Seht mal, von da oben kommt Licht herein!“

      „Richtig“, rief ein anderer. „Da ist ein kleines Loch im Dach!“

      „Oh nein!“ Der Bürgermeister wollte sich mit der Hand an die Stirn schlagen, traf aber, weil es so dunkel war, nur seine Nase, so dass er vor Schmerzen laut brüllte.

      „Was ist passiert?“, fragten alle wie aus einem Munde.

      „Nichts ist passiert, nichts, verdammt noch einmal!“, fluchte der Bürgermeister. Er wollte doch sein Missgeschick nicht zugeben und hatte sich rasch wieder im Griff.

      „Mir ist nur etwas auf den Kopf gefallen“, sagte er darum. „Wahrscheinlich kam es durch das Loch geflogen. Aber das ist auch jetzt egal. Die Hauptsache ist, dass ich die Lösung gefunden habe!“

      „Welche Lösung?“, fragten die anderen dumm.

      „Die Lösung für unser Problem! Wir brauchen nämlich Löcher in den Wänden, und dann ist es auch nicht mehr dunkel hier drinnen. Habt ihr verstanden?“

      Keiner von den anderen sagte etwas, offenbar waren Sie noch am Überlegen.

      „Begreift ihr nicht?“, rief der Bürgermeister ungeduldig. „Fenster müssen her! Wir haben die Fenster vergessen!“

      „Oh ja, wir Dummköpfe! Wir haben die Fenster vergessen!“ Es war der Wirt, der als Erster verstanden hatte, und jetzt ging auch allen anderen ein Licht auf.

      „Fenster!“, brüllten die Schildbürger im Chor. „Wir brauchen Fenster!“

      „Dann lasst uns nicht lange fackeln und gleich mit der Arbeit beginnen“, schlug der Wirt vor. In wenigen Stunden waren die Fenster fertig, und es strömte von allen drei Seiten Licht ins Rathaus. Die Männer von Schilda freuten sich über ihre Erfindung, und nun kamen aus allen Richtungen Leute herbei, die sehen wollten, wie dumm die Schildbürger waren.

      „Seht ihr“, sagte am Abend im Wirtshaus der Bürgermeister stolz. „Seht ihr, nun müssen wir nicht mehr in die Fremde gehen, denn die Leute kommen zu uns und lassen ihr Geld in unserer Stadt!“

      „Ja, für was Dummheit nicht alles gut ist“, stimmte der Wirt zufrieden zu und nahm einen großen Schluck aus seinem Weinkrug. Seitdem er so dumm war, tat er das immer häufiger.

      Im ganzen Land hörten die Menschen von den Streichen der Schildbürger, und deren Dummheit sprach sich überall herum. So kam es, dass ihr Rat mit der Zeit sehr begehrt war, und sie wurden reich und mächtig.

      Für jeden dummen Rat gab es gutes Geld, und es gab nichts, dass so dumm gewesen wäre, dass die Menschen es nicht befolgt hätten.

      „Das haben wir nur dem dreieckigen Rathaus zu verdanken“, sagte der Bürgermeister bei der nächsten Versammlung. „Wenn wir noch mehr besondere Dinge erfinden, dann werden wir noch reicher!“

      So entbrannte mit der Zeit ein richtiger Wettstreit darüber, wer sich denn die dümmsten


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