Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank
Inhalt
Antonia und der traurige Prinz
Ein Märchenschloss voll Traurigkeit
Sie spielte die Rolle der Braut
Leseprobe:
Ein Lord für alle Fälle
Lord Cameron liebte die frühen ruhigen Morgenstunden. Schon als Kind war er ein Frühaufsteher gewesen. Damals war er auf seinem Pony durch das Gelände geritten. Sein Großvater Shane MacGregor hatte ihn immer begleitet. Da er wieder in Irland weilte, nahm Lord Cameron diese Gewohnheit wieder auf. Er hoffte, dass in einigen Jahren sein Enkel oder seine Enkelin ihn begleiten würden. Wenn der Lord daran dachte, atmete er immer tief durch. Der Gedanke gab ihm Hoffnung und Stärke, obwohl es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand. Er hatte sich dazu durchgerungen, sich einer Stammzellentherapie zu unterziehen. Seine Tochter Florence und ihr Halbbruder David hatten sich testen lassen, ob sie geeignete Spender wären. Vielleicht würde sich dabei herausstellen, dass David sein Sohn war und damit Florences Bruder. Aber die Verwandtschaftsverhältnisse waren nebensächlich. Für Cameron zählte nur, dass er eine Chance hätte, wieder gesund zu werden, und noch viele glückliche Jahre mit seiner unehelichen Tochter verbringen könnte. Seit sie bei ihm auf MacGregor Manor lebte, stellten sie jeden Tag mehr fest, wie ähnlich sie sich waren. Der frische feuchte Morgenwind wehte ihm ins Gesicht, als er den Weg am Waldrand entlangritt. Von weitem sah er einen Reiter. Er erkannte ihn sofort. Es war Quinn Walsh, sein alter Verwalter, der am Tag zuvor mit seiner Frau Kathy aus dem Ruhestand nach Culraid zurückgekommen war. Sie ritten aufeinander zu, hielten die Pferde an und stiegen ab. »Noch kühl«
Die Wolken jagten über den Himmel, der Wind zerrte an Prinzessin Angelas schulterlangen Locken, blähte ihren Rock auf. Sie schien sich nicht daran zu stören und schritt durch ihren Obstgarten, der in voller Blüte stand. Angela Prinzessin von Rittlingen lehnte sich an einen Stamm. Eine der Blüten wurde vom Wind abgerissen und fiel direkt vor ihre Füße. Sie bückte sich danach, betrachtete sie sinnend. Ein Unwetter würde die Ernte nicht beeinträchtigen, es dürfte nur keinen Frost mehr geben. Sie war angewiesen auf einen guten Ertrag. Dieses Jahr wollte sie ihre Ernte direkt auf dem Markt verkaufen, da erzielte sie höhere Preise.
Prinzessin Angela hörte den Mann nicht rufen, der Wind, der sich inzwischen zum Sturm gemausert hatte, nahm seinen Ruf mit sich.
Graf von Eckhold mußte gegen den Sturm ankämpfen, um zu seiner Freundin zu gelangen. Er packte sie an den Schultern.
»Angela, was fällt dir nur jetzt wieder ein? Ich suche dich bereits seit einer halben Stunde, und du stehst hier und läßt dich durchblasen. Jeden Augenblick kann das Unwetter losbrechen.«
Angela sah zum Himmel hinauf.
Die Wolken hatten sich nun geballt, dunkel und drohend standen sie am Himmel. Wie zur Bestätigung von Graf Olivers Worten durchzuckte ein greller Blitz die Wolkenwand.
»Komm!« Graf Oliver mußte schreien, um sich verständlich zu machen. Er begann zu laufen, ließ dabei jedoch Prinzessin Angelas Arm nicht los. Er zog sie mit, sie stolperten die ausgetretenen Steinstufen hinunter, eilten auf den Torbogen zu, als sich plötzlich ein Stein aus dem Gemäuer löste und ihnen vor die Füße rollte.
Graf Oliver verhielt den Schritt.
Entsetzt sah er seine Freundin an. Da setzte der Regen ein. Es geschah so schlagartig, daß die beiden bis auf die Haut durchnäßt waren, als sie endlich durch das offenstehende Tor das Burginnere erreicht hatten. In der Halle war es kalt, deutlich war der Wind zu hören, der um das alte Gemäuer heulte.
»Das hast du nun davon«, schimpfte Oliver. Er schüttelte sich, strich sich das nasse Haar aus der Stirn. Sein Blick fiel auf Angela, die fröstelnd die Schultern in die Höhe zog. Freundlicher meinte er: »Liebes, du mußt dich umziehen, du holst dir sonst eine Verkühlung.«
Angela nickte. »Wir wollen hinaufgehen, auch du mußt dich trocknen, und dann mache ich uns einen Tee.«
Oliver brummte etwas Unverständliches, aber er folgte ihr über eine Treppe in einen schwach beleuchteten Gang, der in den Seitentrakt führte. Hier hatte sie sich eine kleine Wohnung eingerichtet. Sie brachte Oliver ein Handtuch, dann zog sie sich in ihr kleines Schlafzimmer zurück. Seufzend begann Oliver sich die Haare zu trocknen. So konnte es nicht weitergehen. Er konnte es einfach nicht zulassen, daß Angela sich weiter in diesem alten Gemäuer aufhielt. Es war zu gefährlich.
Er ließ das Handtuch sinken und lauschte. Selbst hier konnte man den Wind noch hören, obwohl Angela die Fenster erst kürzlich hatte isolieren lassen. Er mußte zugeben, sie hatte es verstanden, wenigstens drei Räume der alten Burg wohnlich einzurichten, aber sonst konnte man sich in der Burg, die langsam aber sicher zur Ruine wurde, nirgends mehr aufhalten.
Angela kam aus ihrem Schlafzimmer, sie lächelte ihm zu, und er stellte fest, daß sie bezaubernd aussah. Sie trug einen Hosenanzug, der ihre Figur ausgezeichnet zur Geltung brachte. Ihre schulterlangen Locken hatte sie mit einem Band zusammengebunden. Sie trug kein Make-up, sie wirkte wie ein junges Mädchen. Oliver brachte es nicht fertig, länger ärgerlich zu sein. Er ging zu ihr und küßte sie.
Nach einigen Minuten entzog sie sich seinen Armen.
»Ich muß mich um deine Gesundheit kümmern. Zieh zumindest das Jackett aus. Ich verschwinde in die Küche und koche Tee. Mal sehen, ob ich auch etwas zu essen finde. Ich habe ja heute mit deinem Kommen nicht gerechnet.«
»Ein Flug ist ausgefallen, und da habe ich mich ins Auto gesetzt und bin hergefahren. Ich hoffe, ich komme dir nicht ungelegen.«
»Nein!« Sie lächelte ihn an. »Ich wollte nur im Garten arbeiten, aber bei diesem Wetter ist dies sowieso nicht mehr möglich.« Sie drehte sich um und verschwand in die Küche. Die Tür ließ sie angelehnt, und so hörte er sie hantieren. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Angela mußte alles selbst machen, seit Jahren gab es auf der Burg keine Angestellten mehr. Ohne das Jackett auszuziehen, folgte er ihr in die Küche.
Angela hatte den Kühlschrank geöffnet. »Bist du mit Leberwurstbroten einverstanden?« fragte sie, ohne sich aufzurichten. »Ich habe noch ein Glas Essiggurken, auch könnte ich ein paar Eier kochen.«
»Angela, du sollst nicht für mich die Köchin spielen.«
»Ich habe aber auch Hunger.« Sie holte die Leberwurst aus dem Kühlschrank, dann drehte sie sich nach ihm um. »Dein Jackett«, mahnte sie. »Du hast es noch immer nicht ausgezogen. Warte, ich hole einen Kleiderbügel.« Sie wollte an ihm vorbei,