Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank
Roswithas Hand zitterte so stark, daß sie die Hälfte des ihr gereichten Champagners verschüttete.
»Nimm dich zusammen«, zischte Herrenberg wütend. »Wenn etwas an die Öffentlichkeit dringt, ist nicht nur der Besitz verloren, sondern ich kann auch meine Kanzlei schließen.«
Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Gratulationscour vorüber war. Dann, als alle Gäste versammelt waren, trat Otto von Hohenried an das Mikrophon, das ihm ein Bediensteter reichte.
»Meine lieben Verwandten, Freunde und Honoratioren der Umgebung. Meine Frau und ich danken Ihnen für Ihre Glückwünsche und Geschenke. Aber nun möchten wir Ihnen noch eine große Freude mitteilen, damit Sie sich alle mit uns freuen können.«
»Jetzt kommt es«, hörte man Sofie Kaltenbergs schrille Stimme.
Alles lachte, und Otto Hohenried meinte amüsiert: »Unsere Sofie wußte es natürlich früher als alle – wahrscheinlich schon früher als die Beteiligten selbst. Also, mein Sohn Ansgar hat seiner Mutter und mir die große Freude bereitet, uns eine bezaubernde Braut ins Haus zu bringen: Angelina Komteß von Sternheim, die Tochter unseres unvergessenen Freundes Robert Reichsgraf von Sternheim.«
»Oh! Ah!« klang es durch den Saal. Er hob die Hand, um Ruhe bittend.
»Gertrud und ich wünschen Ansgar und Angelina, daß sie ebenso lange und glücklich verheiratet sind, wie wir beide es waren und bestimmt bis zu unserem, hoffentlich noch fernen Ende auch weiterhin sein werden. Wir hoffen, ihr alle schließt euch unseren Wünschen an.«
Wer hätte da zu widersprechen gewagt? Alle hoben ihre Gläser auf das junge und das alte Paar Hohenried.
Angelina glaubte zu träumen. Einmal hatte sie versucht, den Blick ihrer Mutter zu fangen, doch deren eiskalte, helle Augen blickten so haßerfüllt daß sie sich rasch wieder abwandte.
Im allgemeinen Trubel fiel es nicht auf, daß als Einzige ausgerechnet die Mutter Angelinas sich nicht zu ihrer Tochter hindrängte, um zu gratulieren. Rüdiger Herrenberg war wütend auf sie und ließ sie stehen, während er seine Kinder nach vorne schob, um gemeinsam mit ihnen zu gratulieren.
»Nicht traurig sein«, flüsterte Ansgar liebevoll Angelina zu, die verständlicherweise über das Verhalten ihrer Mutter unglücklich war. »Ich will, daß du nie wieder in deinem Leben traurig bist.«
*
Am folgenden Montag ging Angelina wieder in ihr Blumengeschäft. Sie war mit ihrer zukünftigen Familie übereingekommen, solange sie nicht von den häuslichen Pflichten abgehalten wurde, dort weiterzuarbeiten. Schließlich machte es ihr Spaß. Mit den ›häuslichen Pflichten‹ hatte man natürlich etwas ganz Bestimmtes gemeint, und Angelina war prompt errötet. Und sogar noch jetzt lag ein leichtes Rot auf ihren Wagen und ein glückliches Lächeln auf ihren Lippen. Ihre Wohnung würde sie allerdings Buchner zur Verfügung stellen und selbst zwei oder drei Zimmer im privaten Flügel von Hohenried beziehen.
Sie besprach dies eben mit Buchner, als plötzlich die Ladentür aufgerissen wurde, so daß die Glocke hektisch schrill läutete, als ihre Mutter hereinkam.
Angelina und Buchner fuhren beide erschrocken zusammen, als sie in das von höhnischem Haß verzerrte Gesicht der Baronin Herrenberg sahen. Nachdem Angelina sich gefaßt hatte, wollte sie auf Roswitha zugehen.
»Mama…«
»Spar dir dein Geheuchel, Komteß Hinkebein«, zischte die sie an. »Wie kannst du nur so blöde sein zu glauben, ein erfahrener Mann wie Ansgar Hohenried könnte sich in einen Krüppel wie dich verlieben? Wann hat er dir denn seinen Antrag gemacht? Ich gehe jede Wette ein, nachdem er wußte, wer du bist und nachdem er sich erkundigt hat, wie er an dein Geld kommt. Gratuliere zu dieser sogenannten Liebesheirat.«
Angelina war bei jedem Wort wie unter einem Schlag zusammengezuckt und sank nun kreideweiß auf einen Stuhl. Ihre Mutter lachte nur befriedigt.
»Glaube nicht, daß dein Vater damit einverstanden wäre, daß aus seinem Familienbesitz ein albernes Hotel gemacht wird. Noch dazu heute, wo jeder, der sich nur einigermaßen rühren kann, schon ein Hotel oder mindestens Restaurant in seinem alten Gemäuer eingerichtet hat.«
Angelina war keines Wortes fähig. Sie schlug nur die Hände vor das Gesicht, um die boshafte Freude ihrer Mutter an ihrer Verzweiflung nicht länger mit ansehen zu müssen. Buchner hatte sich inzwischen gefaßt und machte einen Schritt vorwärts.
»Frau Baronin…«
»Sie halten den Mund, Sie Schleicher! Wen interessiert die Meinung eines Domestiken? Noch mal, meinen herzlichsten Glückwunsch!« Und mit diesen giftstrotzenden Worten verließ sie das Geschäft, ebenso schnell, wie sie es vorher betreten hatte. An der Tür gab sie noch einem Bottich mit fertig gebundenen Sträußen einen Fußtritt, so daß er umstürzte und sich das Wasser über den Boden ergoß.
Eine Weile herrschte benommenes Schweigen. Dann räusperte sich Buchner und suchte nach Worten, um das verstörte Mädchen zu trösten.
»Glauben Sie nichts von dem, was diese Hexe sagt, Komteß! Sie ist nur wütend, weil sie keine Möglichkeit mehr hat, das Geld und den Besitz zurückzuhalten. Dr. von Hohenried liebt Sie ganz aufrichtig.«
Angelina saß zusammengesunken da.
»Nein«, sagte sie schließlich so leise, daß Buchner sie kaum verstand. »Meine Mutter hat recht. Er hat sich mir erst erklärt, als er von meinem Besitz wußte.«
»Aber Komteß!« Buchner versuchte, über ihren Einwand hinwegzulachen. »Auch wenn Geld kein Grund für eine Heirat oder eine Liebe ist – es ist schließlich auch kein Grund dagegen.«
»Nein«, sagte Angelina wieder unglücklich, »sicher nicht. Nur, ich bin ein Krüppel. Da ist alles anders.« Sie erhob sich so mühsam, als wäre sie eine uralte Frau. Sie hinkte so stark wie schon lange nicht mehr. »Ich gehe nach oben in meine Wohnung«, sagte sie, den Rücken Buchner zugewandt. Er sollte ihre Tränen nicht sehen. »Es tut mir leid, aber Sie können nun doch nicht einziehen.«
»Komteß!« rief er entsetzt.
»Schon gut, lieber Onkel Buchner«, erwiderte sie matt und verließ das Geschäft durch die rückwärtige Tür, die zur Treppe zu ihrer Wohnung führte.
Ich muß sofort Dr. von Hohenried anrufen, dachte Bucher aufgeregt, doch er kam nicht gleich dazu, da der Laden voller Kundschaft war.
Als er endlich Zeit fand und ans Telefon ging, betrat Angelina in einem Reisekostüm, einen Koffer in der Hand, das Büro, in welchem das Telefon stand. Verlegen legte er den Hörer wieder hin.
»Lassen Sie das, Onkel Buchner. Auch wenn es lieb gemeint ist, ich fliege in einer Stunde nach Venedig. Ich steige dort im Hotel ab. Das Zimmer habe ich bereits bestellt. In vier Wochen komme ich zurück. Bis dahin habe ich wohl alles überwunden, und Ansgar, ich meine Dr. von Hohenried, hat mich vergessen und eine andere lohnende Braut gefunden, die nicht verkrüppelt ist. Sie kommen doch zurecht, lieber Onkel Buchner? Und wenn etwas Dringendes ist, Sie kennen ja meine Adresse.«
Das Telefon schlug an, und Buchner hob ab.
»Ich bin nicht da«, flüsterte Angelina totenbleich.
»Bedaure, Herr Dr. von Hohenried, die Komteß ist im Moment nicht da.« Er legte auf und sah Angelina vorwurfsvoll an. »Er muß heute überraschend nach Hamburg, kommt jedoch am Abend zurück und meldet sich morgen bei Ihnen.« Er wartete. Draußen fuhr das bestellte Taxi vor.
»Sagen Sie ihm, ich würde zurückrufen. Irgendwann.« Dann umarmte sie den alten Gärtner heftig und lief, so schnell sie konnte, hinaus.
Sobald das Taxi abgefahren war, wählte Buchner die Telefonnummer von Hohenried.
*
Angelina war noch nie in Venedig gewesen, genaugenommen kannte sie so gut wie gar nichts von der Welt. Aber sie hatte gehofft, daß die Schönheit der Stadt sie von ihrem Schmerz ablenken würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Sie glaubte oder hatte jedenfalls den Eindruck, daß ganz Venedig