Momentaufnahme. Sören Prescher
hatte sich auch fast der komplette Rest der Gruppe erhoben.
»Hallo«, sagte der gut aussehende Blondschopf, der ihr bereits gestern Abend aufgefallen war. Er begutachtete sie, als müsse er später ein Referat über sie halten. Zweifellos handelte es sich bei ihm um Cody. Sheryls Beschreibung passte haargenau. So wie er sich bewegte und verhielt, schien er über seine Ausstrahlung auf Mädchen auch bestens Bescheid zu wissen. Selbst sein verschmitztes Lächeln saß perfekt. Er trug ein ärmelloses T-Shirt, das seine braungebrannten und muskulösen Oberarme betonte.
Nicht schlecht, überlegte Jenny und dachte einmal mehr daran, dass dieser Junge im Sportteam der Schule sein musste. Vielleicht Captain des hiesigen Footballteams.
Direkt neben ihm saß ein weiterer Junge mit kurzen schwarzen Haaren. Er war als Einziger sitzen geblieben und nickte ihr lediglich mit dünnem Lächeln zu. Wirkte das cool? Jenny war nicht sicher, vermutete aber sofort, dass es sich bei ihm um Norman handelte. Der abgebrühte Typ mit der Reißzwecke. Gleich darauf ging Sheryl zu ihm und drückte ihm einen innigen Kuss auf. Das war definitiv ihr Lover.
Sheldon bot ihr an, sich auf den freien Platz neben ihn zu setzen und Jenny nahm das Angebot dankend an.
Die Stimmung in der Gruppe war ausgelassen und machte es vollkommen unmöglich, dass Jenny an etwas anderes als an die gute Zeit dachte, die sie hier verbrachte. Meist bekam sie auch gar keine Gelegenheit dazu, weil sie zu sehr damit beschäftigt war, sich vor Lachen den Bauch zu halten. Sheldon und Marvin schienen ein niemals versiegender Gagbrunnen zu sein. Ständig ließen sie freche Sprüche vom Stapel.
»Was machst du heute Abend?«, fragte Marvin sie in einer ruhigen Minute. Sein Spaßmacher-Kumpel Sheldon war gerade mit Monica und Betty zum Getränkeholen aufgebrochen. Genau wie Sheryl prophezeit hatte, hatten sich die beiden Liam-Hemsworth-Fans ihr gegenüber zurückgehalten. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Jenny hatte ohnehin noch Schwierigkeiten damit, die vielen Namen und Gesichter auseinander zu halten. Zum Glück nahmen ihr das die anderen nicht krumm.
»Bisher steht nichts an. Was habt ihr denn geplant?«
»Wir gehen ins Shadows. Heute Abend ist dort Half-Price-Party.«
»Und das können wir uns natürlich nicht entgehen lassen«, pflichtete Cody seinem Freund bei.
»Außerdem ist sowieso nichts anderes los«, sagte die rothaarige Claire.
Die anderen stimmten mittels Raunen zu.
Jenny schaute einen Moment zu Sheryl und Norman. Die beiden hatten von der Unterhaltung nichts mitbekommen. Viel größer war ihr Interesse an dem Experiment, wer seine Zunge tiefer in den Mund des anderen schieben konnte. Ganz nebenbei waren Normans Hände unablässig mit Sheryls Hüften und Po beschäftigt. Eine achtarmige Krake war ein Witz dagegen.
Claire winkte ab. »Kümmere dich nicht um sie. Du solltest sie mal sehen, wenn sie richtig scharf aufeinander sind.«
»Lieber nicht. Das muss ich mir nicht antun.«
»Lasst den beiden doch ihr Vergnügen«, sagte Cody. »Die sind bloß glücklich. Dagegen ist doch nichts einzuwenden, oder?« Sein verschmitztes Lächeln wusste Jenny nicht recht zu deuten. Doch ihr blieb nicht die Zeit, darüber nachzudenken.
»Hast du einen Freund?«, fragte Cody.
Sie schüttelte den Kopf.
»Keinen? Wow, hätte ich nicht gedacht. So ein tolles Mädchen wie du. Aber vielleicht lernst du ja hier jemanden kennen.«
»Vielleicht.« Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn verwirren sollte. Zumindest war ihr das in Boston ein, zwei Mal mit anderen Jungs geglückt. Bei Cody hingegen blieb das erhoffte Ergebnis aus. Mehr noch, ihm schien ihre Reaktion zu gefallen. Er wirkte beinahe amüsiert.
In diesem Moment klopfte ihm Marvin auf die Schulter. »Sei nicht immer so neugierig, Alter. Lass uns lieber surfen gehen.«
Zu Jennys Überraschung erhob sich Cody sofort und folgte Marvin zu den Surfbrettern.
Claire schmunzelte, hielt sich mit Kommentaren aber zurück, bis sich die Jungs im Wasser und damit außer Hörweite befanden. »Tja, das ist Cody in Bestform. Er baggert jede an. Vor allem, wenn ein Mädchen neu ist. Dann weiß sie meist noch nicht viel über ihn und ist leichte Beute.« Sie hielt kurz inne, aber nachdem sie Jennys wissbegierigen Blick gesehen hatte, fuhr sie fort. »Meist dauern seine Beziehungen – sofern man sie überhaupt so nennen kann – nicht länger als zwei oder drei Wochen. Ein Monat ist rekordverdächtig. Er verführt seine Eroberung und lässt sie dann fallen wie eine heiße Kartoffel.«
»Klingt ziemlich krass.«
»Ansichtssache. Ist immer die Frage, was du dir erhoffst und was du bereit bist, dafür zu geben. Ich rate dir nur, vorsichtig zu sein. Er spielt gerne mit den Mädels. Sobald er bekommen hat, was er will, sind sie ihm auf einmal nicht mehr so wichtig. Frag Betty, die kann dir das brühwarm berichten.« Sie nickte in Richtung Straße und Jenny sah, wie die Besagte zusammen mit Sheldon und Monica vom Strandshop zurückgekehrte. Alle drei waren mit Flaschen und Snacks bewaffnet.
»Lieber nicht. Ich will es mir ja nicht gleich mit ihr verscherzen. Ist sicherlich nicht ihr Lieblingsthema.«
»Kann man so sagen.«
»Was ist mit dir?«
»Mit mir? Ob ich schon mal was mit Cody gehabt habe? Gott bewahre! Klar hat er es versucht, aber lieber setz ich mich mit dem nackten Hintern in einen Ameisenhaufen. Weißt du, ich halte mich da eher an die Jungs aus dem Ringer-Team. Die meisten sind nicht so verspielt wie er, haben aber einen genauso tollen Körper.«
Inzwischen hatten die anderen sie erreicht. Sheldon beeilte sich, die Einkäufe in den Sand zu legen und mit seinem ziemlich abgenutzten Surfbrett zum Wasser zu laufen. Jennys Blick begleitete ihn, wechselte aber schnell weiter zu Cody. Auch auf dem Wasser machte er eine gute Figur. Anders als Marvin, der mehr auf dem Brett kauerte, als dass er darauf stand.
Sheldon paddelte ihnen entgegen, schaffte es im ersten Anlauf aber nicht, sich auf seinem Board zu halten. Auch dieser Anblick besaß jede Menge unfreiwillige Komik.
Während Monica und Sheryl kicherten, hielt sich Jenny lieber zurück. Wer wusste schon, wie gut oder schlecht sie sich auf dem Brett gehalten hätte.
Sie blickte wieder zu Cody zurück und stellte fest, dass sein Auftreten sie trotz der Warnungen faszinierte.
Denk nicht mal dran, ermahnte sie sich sofort. Auf keinen Fall wollte sie Bettys Beispiel folgen. Außerdem war sich Jenny nicht einmal sicher, ob und wie weit es bei ihr über normales Interesse hinausging. Gut möglich, dass das bisschen Begeisterung sehr bald wieder abflachte.
Derweil hatte das Liebespaar seine Zungenakrobatik beendet und beobachtete ebenfalls die Wellenreiter.
Sheryl brummte verächtlich. »Irgendwann bricht sich einer von denen den Hals.«
»Die wissen schon, was sie tun«, sagte Norman und wandte sich Jenny zu. »Und wie sieht es aus? Kommst du heute Abend mit ins Shadows?«
Er war die vergangenen Minuten also doch nicht komplett taub gewesen.
»Ich weiß noch nicht. Ich muss vorher erst mal zuhause vorbeischauen.«
Sheryl nickte, sagte aber nichts. Über Dinge wie Eltern wurde hier sowieso nicht gern gesprochen, das hatte Jenny bereits mitbekommen. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Kurz vor sechs. Fast vier Stunden befand sie sich schon hier und bereute keinen Augenblick davon. Mit etwas Glück würde der Abend genauso toll werden.
6
Die Dämmerung setzte bereits ein, als sie ins Motel zurückkehrte. Sheryl und der Rest der Gruppe warteten auf dem Parkplatz und Jenny beeilte sich, damit ihre neuen Freunde nicht zu lang warten mussten.
Nachdem sie sich schnell andere Sachen angezogen und Parfüm aufgelegt hatte, klopfte sie an die Zimmertür ihrer Eltern. Mom und Dad studierten Zeitschriften und wirkten nach wie vor glücklich.
»Ach, schau