Mami Bestseller 19 – Familienroman. Gisela Reutling

Mami Bestseller 19 – Familienroman - Gisela Reutling


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– welch grausame Ironie des Schicksals!

      Sie ballte die Hände zu Fäusten, sie biß sich die Lippen blutig. Ich will dieses Kind nicht haben, dachte sie in wildem Aufbegehren, ich werde irgend etwas unternehmen… Aber das eine erfüllte sie ebenso mit Entsetzen wie das andere. Verzweifelt erkannte sie, daß sie sich in einer Stunde des Leichtsinns ihr Leben zerstört hatte.

      *

      »Hallo, Chris, kennst du mich nicht mehr?«

      Christiane zuckte zusammen. »Guten Tag, Herr Hallweg«, sagte sie steif und wollte rasch an ihm vorübergehen. Doch Uwe Hallweg streckte seine Hand aus und hielt sie am Arm zurück. Sein interessantes Gesicht zeigte jenes Lächeln, das viele für unwiderstehlich hielten.

      »Warum so eilig, Mädchen, willst du vor mir davonlaufen?«

      Mit einem kühlen Blick sah sie ihn an. »Nein, keineswegs, aber Dr. Müller wartet auf die Akten…« Sie wies mit dem Blick auf die beiden Mappen, die sie unter dem Arm trug.

      »Dr. Müller kann auch noch fünf Minuten länger warten«, meinte Uwe Hallweg lässig. Sein Lächeln vertiefte sich. »Wie geht’s dir denn immer, Chris?«

      Sie haßte ihn plötzlich um dieses vertraulichen Lächelns willen.

      »Danke, mir geht es gut«, antwortete sie mit großer Zurückhaltung, und dann fügte sie hinzu: »Ich möchte Sie bitten, Herr Hallweg, zu der offiziellen Anrede zurückzukehren. Es könnte sonst Gerede in der Firma geben.«

      Sein Mund verzog sich spöttisch.

      »Kleiner Angsthase. Erstens ist hier weit und breit niemand zu sehen, und zweitens hat es mich noch nie gestört, wenn über mich geklatscht wurde. Daran gewöhnt man sich mit der Zeit.«

      »Aber mich stört es«, gab Christiane mit einer leisen Schärfe im Ton zurück.

      »Ja, natürlich. Ich bitte um Entschuldigung«, sagte Uwe Hallweg einsichtig. »Ich möchte trotzdem heute oder an einem der nächsten Abende mit Ihnen ausgehen, Chris!« Als er ihr Erstaunen bemerkte, fuhr er leise fort: »Ob du es glaubst oder nicht – ich habe dich nicht vergessen. Warum hast du dich neulich davongeschlichen, tat es dir leid, mit mir gegangen zu sein?«

      Christiane fühlte, wie es ihr heiß in die Wangen stieg, und sie ärgerte sich über ihr Erröten. »Ich möchte nicht mehr darüber sprechen, Herr Hallweg!« entgegnete sie heftig. »Und ich habe auch keine Zeit, mit Ihnen auszugehen. Es gibt sicher genügend andere Mädchen, die mit tausend Freuden Ihre Einladung annehmen.« Sie neigte den Kopf und ging eilends davon.

      Uwe Hallweg war über diese Abfuhr so verdutzt, daß er wie angewurzelt stand und ihr nachsah. Ein sonderbares Mädchen! Auf dem Betriebsfest hatte ihn ihre anfänglich so kühle, fast abweisende Haltung gereizt, er hatte es sich in den Kopf gesetzt, sie zu erobern und es war ihm schließlich auch gelungen. Dennoch war ihm nicht ganz klargewesen, wer wen besiegt hatte in diesem Spiel mit dem Feuer. Wenn man es genau besah, war sie seltsam unbeteiligt geblieben, und daß sie fortging, ohne sich nach ihm umzusehen, gerade so, als interessiere er sie nicht mehr im geringsten, war ebenfalls neu für ihn.

      Dabei war sie eine Schönheit, diese Christiane Mellin, er hatte einen Blick dafür. Man müßte sie nur in die richtigen Kleider stecken. Achselzuckend ging er weiter. Wenn sie nichts mehr von ihm wissen wollte – auch gut! Aber es war beinahe zum Lachen, wie diese Chris ihm die kalte Schulter zeigte!

      *

      »Du siehst nicht gut aus, Christiane, bist du krank?« fragte Andreas besorgt, als sie sich endlich wiedersahen.

      »Ach wo, nur ein bißchen abgespannt.« Sie hängte sich bei ihm ein, weil es sie danach verlangte, seine Nähe und Wärme zu spüren. Dann blickte sie zu ihm auf. Er hatte dunkle Ringe um die Augen. »Du siehst auch nicht gerade aus, als hättest du jede Nacht neun Stunden geschlafen«, bemerkte sie ablenkend.

      »Ich hab’ ja auch die Nächte hindurch gebüffelt – weil ich vorher ein bißchen gebummelt hatte, weißt du?« Ein Lächeln hing in seinen Augenwinkeln. »Aber dafür hab’ ich auch mein Zwischenexamen mit ›Gut‹ bestanden!«

      »Das ist ein Anlaß zum Feiern, meinst du nicht?« Flüchtig rieb sie den Kopf an seiner Schulter. »Ach, Andreas, du hast mir so gefehlt.«

      Zärtlich drückte er ihren Arm an sich. »Und du mir! Ist das nicht sonderbar, bis vor kurzem haben wir uns noch nicht gekannt, und nun brauchen wir einander wie die Luft zum Atmen.«

      Mein Liebster, dachte sie, oh, mein Liebster, was soll das werden mit uns?

      »Ich möchte heute abend Wein trinken«, erklärte sie fast heftig, »und lachen und fröhlich sein. Es gibt so wenig glückliche Stunden im Leben.«

      Er sah sie an. Sie kam ihm verändert vor, ein wenig fiebrig fast. In ihren Augen flackerte Unruhe. »Aber, mein Liebes, wir werden doch noch viele glückliche Stunden zusammen haben!«

      Nein, uns bleibt nur noch eine kurze Spanne Zeit, schrie es in ihr. Aber sie war verzweifelt entschlossen, diese kurze Zeit, die ihr noch mit Andreas blieb, bis zur Neige auszukosten.

      Sie erwiderte seine Küsse mit einer Leidenschaft und Innigkeit, die ihn entzückte. Und sie verbrachten jede freie Stunde zusammen. Manchmal hatte Christiane ein schlechtes Gewissen, wenn Andreas eigentlich über seinen Büchern hätte sitzen müssen. Aber sie dachte dann: Er wird alles schnell aufholen, wenn er erst wieder allein ist.

      Wie sich ihre weitere Zukunft gestalten würde, wußte sie nicht. Das, was nachher kam, ohne Andreas, lag wie ein finsterer Abgrund irgendwo in der Ferne. Vielleicht würde sie sich in eine Niederlassung der Firma in einer anderen Gegend Deutschlands versetzen lassen. Dort würde sie ihr Kind zur Welt bringen und für es sorgen, wie andere ledige Mütter auch. Eines wußte sie ganz sicher: daß Uwe Hallweg kein Recht auf dieses Kind haben sollte. Wenn sie es schon zur Welt brachte und ihr Lebensglück dafür opferte, dann sollte es auch ihr allein gehören. Mehr als eine finanzielle Unterstützung hatte sie von diesem Mann ohnehin nicht zu erwarten, und darauf konnte sie verzichten, denn sie verdiente genug.

      Aber noch schob sie diese düsteren Gedanken so weit wie möglich beiseite, noch war Andreas der Mittelpunkt ihres Lebens – noch!

      Es war nun endlich auch in der Natur Frühling geworden, der Himmel spannte sich so blau über der Stadt, daß man hätte glauben können, an der Riviera zu sein. An den Sonntagen fuhren Andreas und Christiane nun oft hinaus, sie liefen zwischen blühenden Wiesen und Feldern entlang, deren zarte Halme sich der Sonne entgegenstreckten. Und manchmal blieben sie stehen und küßten sich. Nie würde Christiane diese Stunden vergessen!

      »Im August sollten wir ans Meer fahren«, meinte Andreas eines Nachmittags, als sie auf einem sonnigen Plätzchen am Waldrand saßen. »Ich bin so gern am Meer, du auch?«

      Christianes Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wie ahnungslos er war! Im August würde man ihr ihren Zustand schon ansehen, dann wollte sie die Stadt verlassen. Eine grenzenlose Traurigkeit überkam sie. Sie schluckte die Tränen, die ihr plötzlich ihre Kehle beengten, hinunter. »Ich war noch nie da«, murmelte sie und sah einem Zitronenfalter zu, der sich mit zitternden Flügeln auf ihrem Knie niedergelassen hatte.

      »Dann wird es aber Zeit!« rief Andreas lebhaft. »Mein Großvater stammt aus Husum, ich habe noch Verwandte dort, die können wir mal besuchen…«

      Er machte Zukunftspläne, und Chris­tiane lächelte verkrampft dazu und hoffte, daß er sich täuschen ließ. Nur sie allein wußte, daß diese Pläne nicht in Erfüllung gehen würden.

      *

      Der Personalchef, Herr Rödern, war ein netter, älterer verständnisvoller Mann.

      »Sie können am 1. September in unserer Niederlassung in München anfangen, Fräulein Mellin«, sagte er. »Aber haben Sie sich Ihren Entschluß auch gut überlegt? Wir schätzen Sie alle als tüchtige Mitarbeiterin, und daß Sie ein Kind bekommen, sollte für Sie kein Grund sein, uns zu verlassen.«

      »Es sind persönliche Gründe, aus denen ich nicht länger in dieser


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