Beakys (Lügen-)Tagebuch. Barry Hutchison
Jas“, sagte Jodie. Das Zucken in ihrem Gesicht ähnelte einem Lächeln. Sie stand auf und gab Jas die flüchtigste aller flüchtigen Umarmungen, dann setzte sie sich wieder. So schnell das auch ging, Max hatte es geschafft, die Hälfte ihres Eises zu verputzen, und er schielte bereits auf meins. Schützend legte ich meine Arme um die Schüssel.
„Ich habe drauf geniest“, sagte ich und blitzte ihn an. „Zweimal. Absichtlich.“
Die nächsten paar Minuten gingen in lauter „Hallos“ und „So gut, dich zu sehen!“ und „Siehst du aber gut aus!“ unter. Max hatte sich über die noch übrigen Nachspeisen hergemacht, danach gegen den Tisch getreten, das Esszimmer verlassen und sich auf die Couch geschmissen und den Fernseher angemacht. Jas umarmte uns alle noch ein paar Mal und zeigte Steve noch immer die kalte Schulter. Sophie hing in einer Ecke des Zimmers ab und machte uns mit ihrer ruhigen, unheimlichen Art schon jetzt wahnsinnig.
Eine halbe Stunde nach Ankunft von Jas’ Familie stieg die Anspannung bei uns bereits deutlich.
Wir hatten unseren Esstisch jetzt auch verlassen und fläzten uns im Wohnzimmer auf die Couch. Max war rüber gerückt auf Dads Fernsehsessel, hatte es sich dort kopfüber bequem gemacht und schaute Trickfilme.
Dad warf ihm ein paar böse Blicke zu, aber Max war viel zu vertieft in den Lärm des Fernsehers, als dass er es bemerkt hätte.
„Also, ich vermute, du hast noch nichts geplant fürs Wochenende?“, sagte Jas mit leicht vorwurfsvollem Ton.
Moms ganzer Körper erstarrte. „Eigentlich hatte ich das“, antwortete sie.
Jas zog die Augenbraue hoch. „Oh? Was denn?“
Mom zögerte. „Es ist ein Geheimnis“, sagte sie schließlich.
„Ein Geheimnis?“
Mom nickte. „Ja.“
Jas lächelte. „Kein Stress, wenn du nichts geplant hast. Wir können auch einfach hier rumgammeln wie ihr, das passt schon.“
„Rumgammeln?“, fragte Mom. „Was soll das heißen?“
Ich lehnte mich zwischen den beiden von hinten übers Sofa, bevor noch ein Unglück geschehen konnte. „Du kannst es ihr ruhig erzählen, Mom“, sagte ich.
Verdutzt sah sie mich an.
„Der Ausflug, den du geplant hast. Mit dem Besuch auf dem Schloss und dem ganzen schönen Kram.“
„Ach so … klar. Der Schlossbesuch“, sagte Mom und musste vor Erleichterung fast schmunzeln. „Na ja, jetzt ist es wohl kein Geheimnis mehr.“
„Und am Sonntag geht’s in den Hochseilgarten“, fügte ich hinzu.
Moms Blick verengte sich und schnell legte ich meine Arme um ihre Schultern.
„Seit Monaten wünsche ich mir das schon“, sagte ich zu Jas, „aber immer wieder hieß es, es ist zu teuer und wir können uns das nicht leisten. Zum Glück nicht für euch! ‚Nichts ist zu teuer für Tante Jas und ihre Familie‘ … Das hast du doch gesagt, nicht wahr, Mom?“
Mom biss die Zähne zusammen und presste ein Lächeln hervor. „Genau meine Worte.“
„Außerdem wolltest du mein Taschengeld erhöhen“, fuhr ich fort und kniff ihr in die Schulter.
Jetzt blitzten mich ihre Augen von der Seite an. „Vorsicht, nicht übertreiben.“
„Na, das klingt doch genial“, hörten wir Steve hinter seinen verspiegelten Gläsern rufen. „Nicht wahr, Kids?“ Er hielt beide Daumen hoch. Er fand sich supercool. Dabei war er nur peinlich.
„Find ich nicht“, maulte Max. Sophie sagte nichts, starrte nur weiter starr im Raum rum.
„Gut, solange wir uns nicht auf deinen Orientierungssinn verlassen müssen“, sagte Jas mit heuchlerischem Lächeln. „Dann wären wir nämlich ziemlich aufgeschmissen.“
Steve seufzte. „Komm schon, Schnuckelputz, ich bin einmal falsch abgebogen.“
„Viermal. Und zum Schluss standen wir im Feld. Wir hätten schon vor Tagen hier sein können, wenn wir uns nicht andauernd wegen dir verfahren hätten.“
Dad beugte sich zu mir und flüsterte: „Ich wusste doch, dass Steve auch eine gute Seite hat.“
Mom warf ihm einen bösen Blick zu, und so schwieg er.
„Es war nicht meine Schuld“, protestierte Steve, „Max hat die ganze Karte vollgekritzelt!“
Tante Jas lächelte zwar immer noch, aber man sah deutlich, dass es ihr schwerfiel. „Er hat einen Dinosaurier gemalt, und du hast versucht, drum herum zu fahren“, fauchte sie. „Hast du wirklich gedacht, dass es eine Region gibt, die ‚Vorsicht Drachen‘ heißt, wenn man die 4 verlässt?“
„Vielleicht nicht, wenn man die 4 verlässt“, merkte ich an, „aber an der Anschlussstelle 12 auf der 6 hatten die immer mit Drachen zu kämpfen, also früher, ihr wisst schon. Natürlich hieß sie damals nicht 6, denn Zahlen waren da ja noch nicht erfunden. Sie nannten die Straße ‚Der Alte Drachenweg‘. Wegen der vielen Drachen“, fügte ich erklärend hinzu.
Alle starrten mich schweigend an. Besonders Sophie, die sowieso schwieg, aber doppelt so komisch glotzte.
Dann sagte Jas: „Wenn du mich einfach nur das Navi benutzen lassen würdest, wie jeder normale Mensch, dann wäre es egal, was Max auf diese Karte zeichnet, oder?“
„Und wo bleibt dann der Fahrspaß?“, fragte Steve und wollte die Situation durch ein hilfloses Lachen retten.
„So, für dich ist diese Reise also ein Spaß?“ Jas explodierte gleich.
„Okay, okay“, sagte Dad, sprang vom Sofa auf und erschreckte uns damit alle. „Ich gehe schlafen.“
Mom blickte zu ihm auf. „Was? Aber es ist noch nicht mal halb acht?“
„Verflixt. Kein Wunder, dass ich so müde bin“, sagte Dad und wuselte durch das Gewirr der Beine um den Couchtisch. „Nacht zusammen!“
Er presste noch ein Gähnen hervor und ging aus dem Zimmer.
Und dann wagen es Leute, mich einen Lügner zu nennen? Zu so einer Aktion würde ich mich niemals herablassen.
Oder doch?
Ich streckte mich, fing überzeugend an zu gähnen und erhob mich. „Ich glaube, ich gehe heute auch mal früher schlafen. Mein Bett ruft.“
„Äh, meins auch, ja“, stammelte Mom. Sie schaute rüber zu Jodie, die wie abwesend auf ihr Smartphone starrte, und dann zu mir. „Du und Jodie, ihr müsst zusammen schlafen.“
Jodies Kopf schnellte hoch.
„Was? Warum?“
„Wegen des Platzes. Jas, Steve und die Kinder schlafen in Dylans Zimmer, und Dylan kann bei dir auf dem Boden schlafen.“
„Nein, kann ich nicht“, protestierte ich. „Ich habe einen kaputten Rücken.“
„Nein,