Neuroanatomie. Markus Kipp
verschiedene Organisationseinheiten im Hintergrund, ohne dass deren Leistung direkt wahrgenommen wird. Vertreter solcher Organisationseinheiten sind zum Beispiel der Bettendienst, die Küche oder die Techniker, die für die Instandhaltung des Krankenhauses verantwortlich sind. Auch wenn deren Aufgaben einem nicht immer direkt bewusst werden, so werden Sie sicher zustimmen, dass bei einer Fehlfunktion dieser Organisationseinheiten eine regelhafte Behandlung der Patienten nicht mehr möglich wäre. Der Bettendienst, das Küchenpersonal, die Techniker – all diese Abteilungen können als vegetativer Teil des Krankenhauses angesehen werden. Entscheiden Sie selber, ob nun das somatische oder das vegetative Nervensystem wichtiger für unser Leben ist. Ich denke, auch Ihnen wird eine Entscheidung schwer fallen.
Topographische Betrachtung des Nervensystems
Um alle Anteile an dem aus der knöchernen Schädelkalotte entnommenen Gehirn betrachten zu können, muss man es drehen und wenden. Der Einfachheit halber werden in der makroskopischen Anatomie verschiedene Blickwinkel (Ansichten) auf das Gehirn definiert. Ziel dieses Kapitels ist es, dass Sie einen topographischen und funktionellen Überblick hinsichtlich der Komponenten, vor allem des Zentralnervensystems, erhalten. Später werden wir, wo nötig, genauer auf die verschiedenen Strukturen eingehen.
Entnimmt man das Gehirn aus der schützenden Schädelkalotte und legt es vor sich auf den Tisch, sieht man eigentlich relativ wenig – vor allem sind dies Anteile des Großhirns (Abb. 2.4).
Gehirn von oben
Gehirn aus dem Schädel entnommen; alle Hirnhäute entfernt
1Fissura logitudinalis cerebri
2Sulcus frontalis superior
3Sulcus praecentralis
4Sulcus centralis
5Sulcus postcentralis
6Sulcus cinguli
7Sulcus intraparietalis
8Sulcus parietooccipitalis
9Sulcus calcarinus
10Gyrus frontalis superior
11Gyrus frontalis medius
12Gyrus frontalis inferior
13Gyrus praecentralis
14Gyrus postcentralis
15Lobus parietalis superior
16Lobus parietalis inferior
17Gyri occipitales
Das Großhirn, auch Telencephalon genannt, ist zerfurcht wie eine Walnuss und wie diese in zwei Hälften geteilt (man spricht von Hemisphären). Die Vertiefungen nennt man Sulci, die Erhebungen Gyri. Gyri und Sulci sind Ausdruck der Entwicklung des Gehirns. Ganz ähnlich wie der Darm wirft das Gehirn (vor allem das Telencephalon und das Cerebellum) seine Oberfläche mit dem Zweck der Oberflächenvergrößerung in Falten. Somit können in einem gegebenen Raum, in diesem Fall der innerhalb der knöchernen Schädelkalotte, mehr Nervenzellen untergebracht werden.
Die Trennlinie beider Hemisphären heißt Fissura longitudinalis cerebri. Drängt man die beiden Hemisphären des Telencephalons mit dem Finger auseinander, erscheint in der Tiefe ein mächtiges Faserbündel, welches beide Hemisphären untereinander verbindet: der Balken (Corpus callosum, Abb. 2.5).
Gehirn von oben
Hirnhäute vollständig entfernt; beide Hemisphären des Telencephalons sind auseinander gespreizt, um die Strukturen in der Fissura longitudinalis cerebri zu zeigen
1Gyrus praecentralis
2Sulcus centralis
3Gyrus postcentralis
4Lobus parietalis
5Lobus occipitalis
6Lobus frontalis
7Mantelkante
8Gyrus cinguli
9Corpus callosum, Truncus
10Corpus callosum, Splenium
11Cerebellum
Zwischen die beiden Hemisphären stülpt sich eine Duplikatur der harten Hirnhaut (Dura mater), die Falx cerebri genannt wird. Sie ragt somit in die Fissura longitudinalis cerebri hinein (siehe Kapitel 4 über Hirnhäute). Am entnommenen Gehirn ist die Falx cerebri normalerweise nicht zu sehen, da die Dura mater – und somit auch die Falx cerebri – meist bei der Hirnentnahme an der knöchernen Schädelinnenseite haften bleibt. Jede Hirnhälfte ist auf bestimmte Aufgaben spezialisiert: Links sitzen in der Regel die Sprache und Logik, rechts die Kreativität und der Orientierungssinn (dies trifft auf den Rechtshänder zu). Da die Hemisphären durch den Balken verbunden sind, wird klar, dass beide intensiv miteinander kommunizieren und interagieren. Das vordere Ende des Telencephalons nennt man Frontalpol (Polus frontalis), das entgegengesetzte hintere Ende nennt man Okzipitalpol (Polus occipitalis). Seitlich liegt der sogenannte Temporalpol (Polus temporalis).
Führt man ein scharfes Messer zwischen die beiden Hemisphären des Gehirns, zerteilt es und betrachtet es an der Schnittkante, so schaut man von medio-sagittal auf das Gehirn (Abb. 2.6).
Medio-sagittal halbiertes Gehirn
Alle Hirnhäute entfernt; Hirnnerven nur teilweise erhalten
1Sulcus cinguli
2Gyrus frontalis superior
3Gyrus cinguli
4Sulcus corporis callosi
5Corpus callosum, Truncus, Anschnitt
6Septum pellucidum
7Corpus callosum, Genu, Anschnitt
8Corpus callosum, Rostrum, Anschnitt
9Area subcallosa
10Gyrus paraterminalis
11Gyrus rectus
12Nervus oculomotorius (N. III)
13Lobulus paracentralis
14Precuneus
15Sulcus parietooccipitalis
16Cuneus
17Corpus callosum, Splenium, Anschnitt
18Sulcus calcarinus
19Thamalus
20Tectum mesencephali mit Lamina quadrigenmina, Anschnitt
21Tegmentum mesencephali, Anschnitt
22Cerebellum, Vermis, Anschnitt
23Cerebellum,