Wyatt Earp 223 – Western. William Mark D.

Wyatt Earp 223 – Western - William Mark D.


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Auge nach Süden deutete und seinen Nachbarn Joe Fairbanks in die Seite stieß:

      »Was hältst du davon, Joe?«

      Fairbanks fuhr sich unbehaglich mit dem Mittelfinger der rechten Hand unter den Kragen und entgegnete mit belegter Stimme:

      »Wenn du meinst, dass ich mich nicht wundern würde, wenn der Mann, der da drüben vor der Herde hält, kein Unbekannter für uns ist, dann hast du recht.«

      »Du denkst an Ike«, kam es nach einer Weile von McIntosh’ Lippen.

      »Genau«, entgegnete Fairbanks.

      Spencer Michel, der neben den beiden stand, ebenfalls ein grauhaariger Mann, der die bitteren Zeiten Tombstones miterlebt hatte wie die beiden anderen, knurrte:

      »Es ist nicht Ike.«

      Es war eine Weile still, dann wollte Cock Fenimore, ein bärbeißiger Black­smith, wissen:

      »Wie kommst du darauf?«

      »Wenn es Ike wäre, würde er keinen Grund haben, da anzuhalten. Außerdem – er ist es bestimmt nicht.«

      Schweigend verharrten die Männer und blickten zu der Staubwolke hin­über, die zwar niedriger geworden war, aber nach wie vor drüben am Horizont zu sehen war. Die Herde kam nicht zur Ruhe.

      Und der Mann, der vor ihr im Sattel seines struppigen Pferdes saß, rührte sich nicht.

      In der Toughnut Street stand auch der baumlange Neger Sam, der an der Ecke der Fünften Straße gerade damit beschäftigt gewesen war, die Blumentöpfe auf den Fensterbrettern des Russian House-Hotels Nellie Cashmans zu begießen. Auch er hatte in der Ferne eine Staubwolke bemerkt. Jetzt pfiff er auf zwei Fingern, und ein kleiner Indianerjunge mit langem blauschwarzem Haar kam herangefegt.

      »Hör zu, Chico, du nimmst jetzt deine Beine in die Hand und läufst ins Grand Hotel. Sag Missis Higgins, dass Nellie Cashman oben in der Fremont Street zu einer kranken Frau gegangen ist und deshalb den Weg nicht machen könnte.«

      »Welchen Weg?«, wollte der Indianerjunge wissen.

      »Das geht dich nichts an. Miss Higgins weiß dann schon Bescheid. Los, spute dich!«

      Chico rannte davon.

      Als er ins Grand Hotel stürmte, wurde er von einem großen blonden Mann aufgehalten, der eine zitronengelbe Weste trug und die Beine gespreizt hatte. Er hatte den rechten Daumen im Westenausschnitt, und mit der linken Hand hielt er den Jungen auf.

      »Wohin so schnell, rote Ratte?«

      Da riss sich der Junge von ihm los, schlüpfte unter der erneut nach ihm ausgestreckten Hand hindurch und rannte quer durch die Halle.

      Noch ehe er die Treppe erreicht hatte, stolperte er über die Kante eines schweren Läufers und kam zu Fall.

      Aber rasch hatte er sich wieder gefasst, schnellte die Treppe hinauf und blieb oben nach Atem ringend vor der Tür mit der großen Drei aus Messing stehen.

      Die Tür wurde geöffnet, und in ihrem Rahmen stand eine rothaarige, sehr elegante Frau, die den Jungen verblüfft musterte:

      »Chico? Was gibt’s denn?«

      »Die Madam kann den Weg nicht machen, hat Mr Sam gesagt«, stotterte der Kleine.

      »Wie –?« Laura Higgins blickte den Jungen forschend an. Aber dann glaubte sie begriffen zu haben, griff in die Tasche und drückte ihm ein Centstück in die Hand.

      »Komm, lauf wieder zurück ins Hotel ich weiß Bescheid, kannst du Mr Sam sagen.«

      Wenige Minuten später verließ die Spielerin das Grand Hotel und wusste es so einzurichten, dass sie Doc Hollidays Haus auf einem Umweg betrat.

      Der genesende Sheriff saß in der Wohnstube mit dem Mayor am Tisch. Die beiden blickten erstaunt auf, da sie die Frau um diese Stunde nicht erwartet hatten.

      »Es muss irgendetwas geschehen sein«, sagte Laura Higgins rasch.

      Die beiden standen auf. Virgil musste sich noch mit der rechten Hand schwer auf den Tisch stützen.

      »Was denn?«

      »Keine Ahnung. Sam schickte mir den Jungen als Boten. Miss Nelly ist sicher nicht im Hotel.«

      »Ich werde mich gleich darum kümmern«, sagte John Clum, grüßte kurz und verließ das Haus.

      *

      John Clum stand zehn Minuten später unten bei den Miner Camps unter den Leuten, die beunruhigt zu der Staubwolke hinüberblickten.

      Die immer größer gewordene Menge, die sich angesammelt hatte, stand schweigend da. Und das machte das Ganze noch beunruhigender.

      »Ich denke«, sagte der Mayor nach einer Weile laut, »dass wir jetzt wieder nach Hause gehen, Leute. Schließlich hat jeder seine Arbeit.«

      »Und?«, rief Joe Sykker. »Glauben Sie vielleicht, dass wir uns hier überraschen lassen wollen, Mayor?«

      Der Bürgermeister hatte ein paar Schritte vorwärts gemacht, blieb dann stehen und wandte den Kopf über die Schultern.

      »Überraschen? Von wem?«

      »Wissen wir’s?«, krächzte ein anderer. Es war Hanny Tangue, der in einer Bank arbeitete und alles hatte stehen und liegen gelassen, als ihm ein Freund unten aus den Miner Camps die Nachricht gebracht hatte. »Schließlich haben wir eine Familie hier, Mayor.«

      »Ich weiß, Mr Tangue«, entgegnete der Mayor. »Dennoch sollten Sie an Ihre Arbeit gehen. Und auch die anderen.«

      Aber die Menge dachte nicht daran, sich aufzulösen. Verbissen stand sie da und blickte nach Süden zu der Herde hinüber.

      *

      Die Unruhe, die sich in der Stadt verbreitet hatte, wurde größer und größer.

      Kurz nach halb elf erfuhr Nellie Cashman oben in der Fremont Street von einer Nachbarin der Frau, die sie besucht hatte, was sich ereignet hatte.

      Sofort verließ die Hotel-Inhaberin die Frau und ging auf einem Umweg in das Anwesen Doc Hollidays.

      Da sah sie vorn aus der Tür die Spielerin treten.

      Die beiden Frauen waren keine Rivalinnen, denn jede von ihnen liebte gleicherweise unglücklich einen anderen Mann. Nellie Cashman war seit Jahren in den Marshal Earp verliebt, und die grünäugige Spielerin hegte eine unsterbliche Liebe für den eleganten, aber so abweisenden Doc Holliday. Gemeinsam hatten sie sich in die Pflege des Sheriffs geteilt und waren hier fast Freundinnen geworden.

      »Wie sieht’s aus?«, fragte die Spielerin.

      Die dunkeläugige Hotel-Ownerin zog nur die Schultern hoch, grüßte kurz und trat dann in das Zimmer ein, in dem der Sheriff mit bleichem Gesicht neben dem Tisch lehnte.

      »Sie sollten doch im Sessel sitzen, Mister Earp«, sagte Nellie Cashman.

      »Nichts da«, entgegnete Virg. »Was ist denn los, Miss Nellie?«

      »Ich weiß es nicht, Virg. Sie fragen mich zu viel. Ich weiß nicht mehr als die anderen auch. Drüben vor der Stadt steht eine Herde.«

      »Wie weit entfernt?«, wollte der Sheriff wissen.

      »Vielleicht eine Meile, vielleicht etwas mehr. Ich kann es schlecht schätzen.«

      »Und –?«

      Nellie Cashman zog wieder die Schultern hoch.

      »Nichts und, das ist alles.«

      Virgil fuhr sich mit seiner kantigen Rechten durchs Gesicht und spürte, dass die Hand nass vom Schweiß war, der auf seiner Stirn gestanden hatte.

      Obgleich es nicht den geringsten Anlass zu einer echten Befürchtung gab, spürte auch er die Gefahr. Irgendetwas bahnte sich da an.

      *

      In diesem Augenblick hatte Longhorn-Joe den rechten


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