Wyatt Earp 223 – Western. William Mark D.

Wyatt Earp 223 – Western - William Mark D.


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nahm oben ein großes Zimmer in Beschlag, das zur Straße hinführte.

      Es war das Zimmer mit der Nummer eins. Das größte, das es im Hause gab. Nebenan lag das Zimmer der Laura Higgins.

      Longhorn-Joe stieß die Tür auf und warf einen Blick hinein. Interessiert trat er näher, ging an den Schminktisch, zog die Puderdose auf und schleuderte sie gegen ein Bild, das einen Indianerhäuptling auf dem Pferd darstellte. Dann öffnete er den Schrank, riss ein paar Kleider heraus und öffnete eine große braune Ledertasche. Aber er fand nichts, was sein besonderes Interesse hätte erregen können.

      Dann ließ er sich den blonden Hotelpächter heraufkommen und fragte ihn, wer hier wohne.

      »Eine Frau namens Higgins«, sagte der Pächter.

      Da kniff Longhorn-Joe beide Augen ein, dass sie strichdünn waren.

      »Sie meinen – Laura Higgins?«

      »Ja, Mister.«

      »All right, auch das Zimmer ist beschlagnahmt. Jimmy wohnt hier.«

      Tucker grinste. Er hatte auf dem Schreibtisch, der vorn an einem der beiden Fenster stand, eine Fotografie gefunden, die ein hübsches, wohlgeformtes Frauenantlitz zeigte. Der Tombstoner Fotograf Fly hatte es aufgenommen. Es stellte die Spielerin Laura Higgins dar.

      »He, wenn das die Besitzerin des Zimmers ist, möchte ich auf dieses Möbelstück nicht verzichten, Boss!«, rief er dem Trailboss nach.

      Aber der war schon draußen auf dem Korridor, inspizierte die anderen Räume und ließ sich dann in seinem Zimmer auf einem mit grünem Plüsch bezogenen Sessel nieder, wobei er seine verhältnismäßig langen Beine von sich streckte.

      Alles an diesem Mann war staubig, verwittert und gefährlich.

      Immer noch hatte er den Hut auf und die abgegriffenen gelben Wapiti-Lederhandschuhe an den Händen. Jetzt, als er so saß, sah man, dass er vorn im Gurt einen 38er Smith & Wesson-Revolver stecken hatte. Links an der Hüfte war ein offenes Halfter, in dem ein 45er Remington-Revolver zu sehen war.

      Er hatte die Jacke jetzt aufgeknöpft, und ein verwaschenes grünes Hemd kam zum Vorschein.

      Er war ein überaus drahtiger, muskulös wirkender Mensch, dieser Trailführer, der da aus dem Süden gekommen war und sich hier in der Stadt auf eine so unliebsame Weise breitgemacht hatte.

      *

      Tombstone hatte den Atem angehalten. Es war etwas geschehen, das niemand mehr für möglich gehalten hätte. Tombstone war von einer Bande von Trail-Cowboys besetzt worden. Ihr Anführer übte eine regelrechte Willkürherrschaft in der Stadt aus.

      Was die Bürger jedoch geradezu entsetzte, war die Tatsache, dass plötzlich all jene Ratten aus ihren Löchern hervorgekrochen kamen, die man längst nicht mehr in der Stadt wähnte, oder die man in fernen Gefängnissen glaubte.

      Da war auf einmal der rothaarige Rowdy James Curly Bill mit Patrik Spence jr., da tauchte an irgendeiner Gassenecke das schlitzäugige Gesicht des Mestizen Cruz auf, dessen Verwandter Charlie Cruz, genannt Inidan-Charlie, damals bei den Clantons eine so verhängnisvolle Rolle gespielt hatte. Da waren auf einmal Jeff und Cane Rubber vorm Crystal Palace zu sehen, und die Flanagans kamen in ganzen Scharen in die Main Street, um die Fergusons vor Bob Hatchs Billardsalon lautstark zu begrüßen. Da waren die beiden fahlgesichtigen Gray-Brothers – und sogar der aufgeschwemmte Phin Clanton, Ikes jüngster Bruder, tauchte in der Stadt auf.

      Die alten Geister schienen plötzlich wieder auferstanden zu sein. Alles rottete sich jetzt in der Main Street zusammen. Und die siebzehn Cowboys, die mit Longhorn-Joe nach Tombstone gekommen waren, begossen in den Schenken geräuschvoll ihren Einzug.

      War es Zufall, dass die »alten Clantons«, wie die bekannten Outlaws in der Stadt immer noch genannt wurden, auf einmal auftauchten?

      Oder hatte das eine besondere Bedeutung?

      Das war eine sehr entscheidende Frage. Jedenfalls machte sie den Bürgern der Stadt erheblich zu schaffen. Die Besorgnis wuchs von Stunde zu Stunde.

      Gegen zwei Uhr am Nachmittag tauchte Longhorn-Joe wieder im Eingang des Grand-Hotels auf. Er hatte sich inzwischen nicht etwa gewaschen, sondern nur etwas ausgeruht, nachdem er ausgiebig gespeist hatte.

      Hinter ihm kamen seine drei Leibwächter, der krummbeinige texanische Treiber Jimmy Tucker, der riesige Lewt Molenar und der blassgesichtige Schießer Mickey Sidd. Die drei postierten sich am Eingang des Hotels, und Longhorn-Joe trat bis an den Rand des Vorbaus, um die Straße zu mustern, während er sich mit einem Streichholz in den Zähnen herumbohrte.

      Unbekümmert hatten drüben vor Bob Hatchs Saloon die Fergusons eine Pokerrunde an einem herausgeschleppten Tisch eröffnet.

      Durch die offenen Fenster des Cristal-Palace drang johlender Lärm auf die Straße hinaus. Lärm, den man sonst in dieser Schenke absolut nicht kannte. Johlende Männerstimmen, unterbrochen von kreischenden Lauten aus Frauenkehlen. Das Ganze wurde untermalt von dem Stampfen des Musikautomaten.

      Innerhalb von drei Stunden hatte sich Tombstone in ein wahres Inferno verwandelt. Völlig verändert war die Stadt durch den Einzug der Leute von Longhorn-Joe.

      Und dann geschah es: Es war kurz vor halb drei.

      Der Trailführer hatte sich mitten auf die Main Street gestellt, ein paar Schüsse in die Luft abgegeben, und daraufhin herrschte Schweigen.

      Dieses Schweigen veranlasste die Bürger, die hinter den Fenstern und Türen ängstlich bebend lauschten zu der Annahme, dass die Tombstoner Tramps nicht zufällig aus ihren Mäuselöchern gekrochen waren.

      »Sie gehören zu ihm«, flüsterte der kleine Hosenschneider John Halbrinks seiner fettleibigen Frau zu, die zitternd hinter ihm stand. »Sie gehören zu diesem Kerl, verlass dich drauf. Und ich sage dir noch was. Ich würde mich nicht wundern, wenn er der Boss ist.«

      »Wie meinst du das, John?«, wollte die Frau wissen.

      »Ach, frag nicht so viel, Henriette, wenn du etwas Grips im Schädel hättest, wüsstest du, was ich meinte: Der Kerl ist der Big-Boss.«

      »Das glaubst du doch nicht etwa wirklich?«

      »Natürlich glaube ich es. Wenn du anstatt Tomaten Augen im Kopf hättest, könntest du sehen, wie sich die beiden aufführen. Sieh dir nur Curly Bill an, diesen Wüstling; zwei Girls hat er sich da aus der Dancing-Hall geschnappt; die Stiefel hat er auf dem Tisch liegen, und die Zigarre steckt ihm im Hals. Und sieh dir den Kerl neben ihm an. Und drüben Jeff Rubber, diesen Schurken. So viel Whisky hat er im Leben noch nicht vor sich stehen gehabt wie jetzt. Ich möchte nur wissen, wie das enden soll bei diesen gefährlichen Kerlen …«

      Das, was der kleine Hosenschneider da eben ausgesprochen hatte, dachten in dieser Stunde mehrere Menschen in der Stadt. Und diese Befürchtung machte die Furcht geradezu bleiern.

      Longhorn-Joe hatte sich Ruhe verschafft und bellte jetzt mit seiner harten, knarrenden Stimme gegen die Häuserwände los:

      »Los, schickt einen raus, mit dem ich reden kann! Aber lasst euch nicht zu lange Zeit, sonst erlebt ihr was!«

      Die Tombstoner schienen plötzlich taub geworden zu sein. Es gab keinen unter ihnen, der auf die Straße gekommen wäre, um mit diesem gefährlichen Cowboy zu sprechen.

      Aber der Ruf des Trailbosses war bis hinunter an das letzte Häusergeviert gekommen, und dort hatte es ein Mann gehört, der hinter der geöffneten Tür stand: Virgil Earp, der Sheriff von Tombstone. Der Mann, den die Stadt für tot hielt.

      Da stand also jetzt drüben in der Nähe von Johnny Behans altem Office ein Mensch, der die Stadt regelrecht besetzt hatte, und der jetzt verlangte, mit einem der Bürger zu sprechen.

      Dass es dabei nichts Gutes zu besprechen gab, war völlig klar. Aber klar war auch für den Sheriff, dass er jetzt handeln musste. Jedenfalls hielt er das für seine Pflicht.

      Virgil richtete sich auf, zog den Hut, den er schon aufgesetzt hatte, fester in die Stirn, schloss seine schwarze


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