Spiel mir das Lied der Liebe. Henrik Stolz
starrte teilnahmslos auf den gepflasterten Boden. Ich fühlte, wie mein Herz verhärtete und sich die Einsamkeit in meiner Brust breitmachte. Ich war diese Einsamkeit nicht mehr gewohnt. Ich verbrachte die letzten fünf Wochen beinahe ununterbrochen in Zweisamkeit. Alle meine Gefühle verblichen und eine Leere breitete sich aus, in der eine kleine Flamme der Hoffnung loderte. Ein kleines Feuer, das aber heiß und willig brannte. Ich bekam eine Nachricht von Sofia und in diesem Augenblick sprang der erste Funke zu diesem Buch über.
Ich kam wenige Tage später ebenfalls nach Hause. In meine Heimat, die ich als ein anderer Mensch verließ als derjenige, der zurückkam. Nicht nur die Liebe überwältigte mich. Ich lernte Persönlichkeiten kennen, die mich ewig prägen werden. Ich knüpfte Freundschaften mit Menschen, die meine Freude leider heutzutage nicht spüren, aber ich bin über nichts mehr dankbar, als dass ich diese Menschen kennenlernen durfte. Als ich mich wieder ein wenig einlebte und mich an die neue Situation gewöhnte, machten wir ein Datum aus, an dem wir uns wiedersehen konnten. Ich ging nach Amerika. Ich hatte einen Weg vor mir, den ich allein gehen musste.
Ich verließ meine Familie und mein Umfeld ein weiteres Mal vollkommen auf mich gestellt, um in Amerika eine neue Familie kennen zu lernen.
Ich flog nach Miami, um meiner jungen Liebe eine Chance zu geben. Ihre kolumbianische Familie nahm mich sofort auf und gab mir zu verstehen, dass ich willkommen sei. Diese Geborgenheit und dieses Gefühl, eine zweite Familie gefunden zu haben, waren unbezahlbar. Als ich ankam, realisierte ich, wie die Familienangehörigen schon einiges über mich vernahmen und mir freudig hinterhergrinsten. Ihre Großmutter bekannte sich in durch spanischen Akzent gebrochenem Englisch zur Aussage, dass es gut sei, dass ich bei ihnen sei. Diese so bedingungslose Aufnahme in die Familie meiner jungen Liebe schien alles noch viel perfekter zu machen. Doch dieses Erlebnis gab mir ebenfalls einen neuen Einblick in die Persönlichkeit meiner Freundin. Nach der Zeit, die ich mit Sofia verbrachte, dachte ich, sie vollständig zu kennen. Dies dachte ich zumindest, doch ich wusste im Inneren, dass dies nie der Fall sein könnte. Wie könnte man auch einen Menschen und dessen Persönlichkeit innert wenigen Wochen vollständig kennenlernen? Jeder Tag macht einen Menschen zu dem, was er heute ist. Ich war mir bewusst, nicht die Vollständigkeit ihrer Seele gefunden zu haben. Doch ich war erfreut, ihre Familie kennenzulernen. Ihre Schwester, von der sie immer sprach, und ihr Vater, der ziemlich gemütlich sein sollte. Vor diesem hatte ich natürlich am meisten Respekt. Ich wusste, dass dies so eine Art Ritual in den Staaten ist, bei dem es darum geht, den Anforderungen des Vaters bestmöglich zu entsprechen. Glücklicherweise war dieser genauso wie beschrieben und wir bauten ein erstklassiges Verhältnis auf. Ich wurde nicht ohne Grund zu dieser Zeit eingeladen, denn „Thanksgiving“ fand gerade statt. Ein Fest, bei dem man zusammenkommt, um die wichtigsten Personen seines Lebens und die Familie wertzuschätzen. Während des so köstlichen Abendessens mit dem traditionellen Truthahn, passenden Saucen, dem Süßkartoffelstock und etlichen weiteren Köstlichkeiten, die auf dem Tisch standen und nur darauf warteten, um verschlungen zu werden, hatte ich plötzlich einen Gedanken. Ich fühlte mich als Schweizer wohl in dieser ausschließlich südamerikanischen Zusammenkunft. Ich fühlte mich so, als wäre ich schon seit Jahren zu diesen Festlichkeiten eingeladen. Als kenne ich diese Familie wie die meine. Es kam mir alles so vertraut vor, wobei der Wein diesem Gefühl ein wenig Unterstützung leistete. Ich bin der Meinung, man sollte Komplimente nicht vorenthalten, und ich begann beinahe gleichzeitig ein Gespräch mit der Mutter meiner Freundin wie sie mit mir. Nun unterhielten wir uns eine Weile, wobei sie mir die wohl schönsten Worte offenbarte, die ich mir nur vorstellen konnte. Natürlich war es mir wichtig, dass die Familie mich mochte und dass ich bei ihnen einen vertrauensvollen Eindruck hinterließ. Und genau diese Worte lösten eine Euphorie in mir aus, als sie mir sagte, „You know we really like you and you already feel like a part of the family1.“ Ich würde keine Sekunde dieser tollen Erinnerungen hergeben. Nach dieser Zeit flogen wir zusammen in die Schweiz und es waren nicht nur gefühlte, sondern tatsächlich 30 °C kälter als in Florida. Somit war es aus mit hauseigenem Pool und am Strand liegen. Unsere Aktivitäten wurden ins Innere verlegt und Decken hervorgeholt. Wir saßen nun drinnen in der warmen Stube und beobachteten die so märchenhaften Schneeflocken, wie sie eine nach der anderen den Garten sanft bedeckten. Ich war glücklich. Ich fühlte mich vom Schicksal verstanden und erkannte meine Bestimmung. Ich sah alles plötzlich so eindeutig. All meine Handlungen ergaben Sinn und waren in sich selbst nicht hinterfragbar. Es fühlte sich so an, als gäbe es keine Probleme mehr. Die Welt war in Ordnung, wenn ich mit ihr zusammen war.
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