Die HexenLust Trilogie | 3 Erotische Romane. Sharon York
Seine Narbe glänzte für einen Moment rötlich in der Nacht, als wäre sie die brennende Spur einer Peitsche. Dann verschwand das Glühen. Anscheinend musste ich Arbeit und Stress ihren Tribut zollen. Kopfschüttelnd blickte ich nach oben. Wolkenfetzen ließen die Nacht bedrohlich wirken, trotzdem suchten wir uns einen Weg in den Wald.
»Lumière.«
Mit diesem alten, französischen Zauberspruch erhellte sich der geschwungene Pfad, der sich in der Finsternis zu verlieren drohte. Maddox überprüfte die Munition und lud sein Gewehr durch.
Dieses alberne Soldatengetue!, dachte ich und schritt gelangweilt neben ihm. Minutenlang war dort nichts, außer der Einöde eines Waldes und ein paar raschelnder Geräusche. Ein silbermetallischer Rover hatte irgendwo am Rande des Unterholzes geparkt. Keuchende Geräusche gingen von dem Fahrzeug aus und es wippte bedrohlich. Wir erkannten zitternde Hände an den beschlagenen Scheiben. Maddox und ich schmunzelten uns zu, während wir einen weiten Bogen um das Pärchen machten. Wenigstens hatten sie Spaß in dieser Nacht.
Wir gingen tiefer in den Park hinein, doch außer dem knirschenden Boden unter unseren Füßen, war kein verdächtiger Ton auszumachen. Alles in allem nicht gerade das, was man als eine dämonische Versammlung bezeichnen konnte. Nach einer weiteren Viertelstunde wurde es mir zu bunt.
»Hier ist nichts, mein Informant hatte Unrecht, lass uns zum Zirkel zurückkehren.« Ich sah mich um, richtete meine Haare. »Wenn die Sonne aufgeht, werden sowieso alle Dämonen verschwunden sein.«
Maddox verkniff sich das Lachen, ließ sein Gewehr sinken und baute sich vor mir auf. Erst schien es, als wollte er etwas sagen, doch dann nickte er nur und wir traten die Rückfahrt an. Die Hitze des Tages war noch nicht ganz verschwunden, sodass ich mit offenem Verdeck fahren konnte.
Einige Minuten legten wir schweigend in Richtung Downtown zurück, dann setzte Maddox erneut an: »So, du denkst also wirklich, dass der Tag den Menschen gehört und die Nacht den Dämonen?«
Ich verzog meine Lippen zu einem dünnen Strich und atmete tief, fühlte ich mich doch irgendwie belehrt. Deshalb sagte ich betont: »Es gibt nur wenige Halbwesen, die bei Tag wach sind. Natürlich gibt es ein paar Ausnahmen. Aber die meisten schlafen, wenn die Sonne ihre Runde zieht. Also: ja.«
Maddox hörte mir bereits nicht mehr zu. Seine Sinne waren gespannt wie Klaviersaiten, als er in die Nacht hinausspähte.
»Was ist?«, fragte ich gereizt.
Er erhob die eine Hand, legte mir mit der anderen einen Finger auf die Lippen.
»Hörst du das nicht?«
Ich drehte meinen Kopf. Von Osten her wurde Musik und lautes Gejohle durch die Häuserschluchten gepresst. Ich schnalzte mit der Zunge. »Ja und? Im Garden ist eine Veranstaltung. Vielleicht ein Konzert oder so.«
Maddox blickte auf seine Uhr. »Um halb fünf Uhr morgens?«
Nun legte auch ich meine Stirn in Falten und lenkte den Wagen in das Parkhaus des Madison Square Garden.
Gemeinsam näherten wir uns der riesigen Veranstaltungsarena. Normalerweise traten dort die größten Acts auf. Legendäre Konzerte und Spiele fanden bereits unter diesem Dach statt. Die Heimat der Rangers und der Knicks. Immerhin bot sie Platz für 20.000 Menschen. Ich war oft mit Ira dort, zumindest wenn es unser Dienstplan zuließ.
Die runde, glänzende Fassade war beleuchtet. Auch wenn der Parkplatz nicht vollends gefüllt war, fiel mir auf, dass der Anteil an Edelkarossen doch sehr hoch war. Wir lugten zum Haupteingang. Ein Dutzend breitschultriger Männer lungerte gelangweilt herum und trank rote Flüssigkeit aus Gläsern. Maddox und ich tauschten Blicke und wir waren uns wortlos einig, dass dies kein Wein war.
Vampire als Security. Großartig!
Dort war es nicht möglich, einfach so reinzuplatzen.
»Wie sollen wir ...«, doch meine Worte verhallten im Nichts. Etliche Meter weiter machte Maddox sich bereits an einem Notausgang zu schaffen und grinste triumphierend, als er mir die Tür aufhielt.
»Ladies first«, sagte er voller Ironie mit einer angedeuteten Verbeugung.
Durch das Labyrinth aus Gängen schafften wir es bis nach oben in den Technikraum. Durch eine schmale Öffnung konnten wir auf die Bühne hinunterspähen. Maddox legte sich zuerst hin, ich mich anschließend auf seinen Rücken. Meine Lippen waren nahe an seinem Ohr, doch war dies nicht der Grund, welcher meine Kehle wie eine Wüste ausdörren ließ.
Im weiten Rund der Arena mussten sich Tausende Halbwesen versammelt haben. Nicht in einer dunklen Ecke, nicht im Dickicht des Parks. Nein, sie hatten den Garden gemietet! Im Herzen von New York City. Ich musste trocken schlucken bei diesem Gedanken.
Die Stimmung schien zu kochen. Vorn auf der Bühne brüllte ein dicklicher Mann seine Parolen in den Raum, peitschte die Massen weiter an. Mir lief ein Schauer über den Rücken, meinte meinen Sinnen nicht trauen zu können. Vampire in unheiliger Eintracht mit Werwölfen, Magiern und anderen Arten von Halbwesen stierten auf die Bühne und reckten die Hände in die Lüfte. Dispute und Meinungsverschiedenheiten unter den einzelnen Clans und Stämmen schienen keine Gültigkeit mehr zu haben. Ich lauschte den Worten des verschwitzten Mannes. Doch als ich seine Stimme hörte, traf mich der Schlag. Pochte mein Herz eben noch wie wild, war es nun kurz davor zu zerspringen. Creepy!
Ich hätte ihn erledigen sollen, als ich die Chance dazu hatte.
»Meine Brüder und Schwestern«, schrie er in den Pulk. Reden konnte er schon immer. Das war also der Grund, warum Nikolai ihm geholfen und anschließend rekrutiert hatte. Dieser kleine, schmierige Schlangendämon!
»Die Zeit ist gekommen, um sich gegen die Obrigkeit zu erheben. Jene, die meinen, uns kontrollieren zu können, deren Elfenbeinturm aus Arroganz über allen steht. Ihr wisst, von welchen Huren ich rede? Ihr wisst, wer uns mit Selbstherrlichkeit und Dekadenz unterdrückt!«
Die Masse antwortete mit einer Stimme. Es war nicht schwer zu erraten, was sie nun schrien.
»Richtig!«, fuhr Creepy mit wutentbranntem Gesicht fort. Sein viel zu buntes Jackett stach schmerzhaft von der schwarzen Bühne ab.
»Es sind die Hexen! Es ist der Zirkel, der euch, der uns alle unterdrückt. Wir müssen uns wehren, liebe Brüder und Schwestern. Wir müssen uns wehren gegen diese Huren mit ihren lächerlichen und veralteten Gesetzen zum Schutz der Menschen.« Er ging an den Rand der Bühne, breitete die Arme aus. »Wer gibt ihnen das Recht dazu? Wer sagt, dass die Menschen beschützt werden müssen?«
»Niemand!«, keifte die Masse. Vereinzelte Zwischenrufe hallten im Raum, hauptsächlich Hasstiraden gegen den Zirkel, die Reaper und uns Hexen.
Creepy nickte zufrieden. Durch das befestigte Mikrofon an seiner Wange konnte man ihn laut atmen hören.
»Warum müssen wir uns in dunklen Gassen verstecken wie Ratten? Warum sollte es nicht andersherum sein? Warum sollten die Menschen sich nicht vor uns verkriechen? Wir flüchten uns in die Dunkelheit. Dabei sollten die Hexen und die Menschen es sein, die vor uns kriechen.«
Der Pulk tobte. Tausende Dämonen jubilierten, schrien in wilder Ekstase. Er hatte sie. Er hatte die Massen. Sie hingen an seinen Lippen. Creepy war wahrlich ein guter Redner.
»Doch schon bald wird dieser kühne Traum Realität werden, dass verspreche ich euch!« Hastig zog er Luft in seine Lungen. Ich konnte aus der Entfernung nur mutmaßen, dass seine Haut nun glänzte, als hätte er sich mit Vaseline eingerieben. Seine Stimme wurde ruhig, fast bedächtig. Er reckte einen Finger in die Höhe.
»Er ist zurückgekehrt, meine lieben Freunde. Der Sohn des Teufels selbst ist zurück und wird uns in eine bessere Zukunft geleiten. Ihr habt die Gerüchte gehört, dies ist der Grund, warum ihr hier seid und ich sage euch: Die Gerüchte sind wahr!«
In wilder Raserei hatte die Stimmung nun ihren Höhepunkt gefunden. Ich konnte nicht glauben, was sich da vor meinen eigenen Augen abspielte.
»Überall im Land gibt es solche Veranstaltungen. Es beginnt hier und wird sich wie ein Orkan über das gesamte Land