Wyatt Earp 224 – Western. William Mark D.
hätte Wyatt Earp niemals die Suche nach dem Mörder Master Crack aufgegeben. Jawohl, Crack war ein Mörder, auch wenn es ihm nicht gelungen war, mit seinen hinterhältigen Kugeln den Sheriff von Tombstone auszulöschen. (Virgil Earp war ja mit Hilfe des genialen Chirurgen Doc Holliday dem Totengräber im wahrsten Sinn des Wortes im letzten Moment von der Schippe gesprungen).
Niemand weiß, ob Crack den Befehl erhalten hatte, sich eine Zeit lang zu verbergen und dann irgendwann wieder zum Vorschein zu kommen. Tatsache ist, dass er an diesem Spätnachmittag vor der Tür der Schenke stand, die Beine übereinandergeschlagen und die Hände tief in seine Hosentaschen geschoben hatte. Er wirkte düster und unheimlich, wie er so dastand mit seinem zerstörten Auge, dem verknitterten Hut, die Krempe tief in die Stirn gezogen und den Unterkiefer weit vorgeschoben. Er machte wirklich einen furchterregenden Eindruck, dieser Tombstoner Bandit.
Coster stand nur etwa drei oder vier Schritt von ihm entfernt und starrte an ihm vorbei die Straße hinunter.
Eine dumpfe Trägheit hatte ihn befallen, die seine sonstige Stumpfsinnigkeit noch in den Schatten stellte. Wie eine Gipsfigur verharrte er auf den rissigen Stepwalkbohlen, die von einer dicken Staubschicht bedeckt waren. Er war niedergeschlagen und noch nicht in der Lage, das, was er da getan hatte, ganz zu überschauen.
Tief in seinem Unterbewusstsein war ein Gefühl, eine Empfindung, die alles andere verdrängte: Angst.
Eine hündische Angst!
Denn eines war ihm trotz der Schleier, die das Ergebnis des Pokerspiels vor sein Bewusstsein gezogen hatte, doch deutlich: Dass er eine gewaltige Summe Geld verloren hatte, eine Summe, die er niemals bezahlen konnte, und zwar an Männer, die ganz sicher nicht mit sich spaßen lassen würden.
Es war typisch für ihn, dass er jetzt überlegte, ob er die Straße überqueren und drüben zwischen dem Backhaus und der alten City Hall hindurch zum Teich hinuntergehen sollte, wo er mit einer Kugel seinem erbärmlichen Leben ein Ende bereiten könnte.
Er sah einfach keinen anderen Ausweg mehr. Die Männer, die ihn da in diese Situation gepresst hatten, wie er es bei sich nannte, würden ihn ohnehin in die Ewigen Jagdgründe schicken, nachdem sie sich so von ihm hereingelegt sahen. Ein Mann, der beim Poker nicht nur seine Möglichkeiten überzog, sondern der mit Unsummen spielte, die er niemals in der Lage war beizuschaffen, der war ganz einfach ein Schurke.
Jawohl, ein Schurke!Und dieser Gedanke machte ihn traurig. Wenn er auch ein träger und müder Bursche gewesen war, so hatte er doch niemals Grund gehabt, sich für einen Schurken zu halten. Der Gedanke machte ihm wirklich zu schaffen.
Es ist merkwürdig, an welchen Dingen die Menschen in solchen Stunden plötzlich hängenbleiben. Es sind Hindernisse, die sie sich allerdings selbst geschaffen haben.
Ein gallenbitterer Geschmack war auf seiner Zunge. Würgend schluckte er ihn hinunter.
Dann fuhr er sich mit dem Handrücken über die Stirn, und als er die Hand senkte, sah er, dass sie schweißnass war.
Wieder schluckte er und wollte vorwärtsgehen. Aber er hatte das Gefühl, als ob er Blei in den Beinen hätte und sich nicht von der Stelle bewegen könnte.
Sollte er nicht gleich umkehren, um denen da drinnen zu sagen, wer er war? Dass er ein Lump war, der um Einsätze gespielt hatte, die gar nicht vorhanden waren? Sollte er sich nicht damit eine Nacht und einen halben Tag voller Qual ersparen?
Denn die Männer würden doch kurzen Prozess mit ihm machen, wenn sie hinter seine Schurkerei kamen.
Überhaupt vermochte er es sich jetzt gar nicht zu erklären, was ihn dahin getrieben hatte, plötzlich ein solches Hasardspiel zu riskieren.
Es war ihm unbegreiflich, dass er das gewagt hatte.
Aber dann musste er sich doch zugeben, dass er es ganz bewusst getan hatte. Er hatte ganz einfach alles auf eine Karte gesetzt, nämlich auf das Spiel. Er hatte gehofft, in hohem und höherem Einsatz den ganz großen Coup zu tun und endlich an Geld zu kommen. An viel Geld, jedenfalls an so viel, dass er eine Zeit lang darauf verzichten konnte, sich mit dem Gedanken an Arbeit zu plagen.
In diesem Augenblick hob der Mann, der da am Vorbaudachpfeiler lehnte, den Kopf und blickte ihn mit seinem einen Auge an.
Coster spürte diesen Blick jetzt und wandte sich ab.
»Na, Brother«, hörte er da eine whiskyheisere Stimme an sein Ohr dringen. Coster hätte später nicht mehr sagen können, wieso dieses Wort plötzlich eine Hoffnung, einen winzigen Hoffnungsfunken in seiner Seele weckte.
Er blickte scheel in das entstellte Gesicht des anderen und lächelte dann schwach.
»Ich glaube, Sie brauchen einen Drink.«
Coster nickte, ohne sich dessen jetzt bewusst zu sein.
Da stieß sich Master Crack mit dem rechten Fuß vom Dachpfeiler ab, ging an ihm vorbei auf die Schwingarme der Schankhaustür zu, schob sie auseinander und sah sich dann über die Schulter um.
»Na, wo bleibst du?«
Da flog Coster herum.
Der andere hatte es tatsächlich ernst gemeint. Er wollte ihn zu einem Drink einladen.
Und irgendwie war der große muskelstrotzende Mensch plötzlich so etwas wie ein Schild gegen die vier Geier, die da drinnen saßen und ihn zweifellos ausgenommen hatten.
Ja, das war es. Wieso war ihm das bisher nicht klar geworden? Sie hatten ihn ausgenommen!
Es waren Kartenhaie, die da drinnen an dem Spieltisch saßen. Spieler, die auf einen Dämel wie ihn gewartet hatten. Auf einen Trottel, den sie ausnehmen konnten wie eine Weihnachtsgans.
Aber einerlei, er hatte verloren. Schlimmer noch, er hatte um Geld gespielt, das zu zahlen er gar nicht imstande war.
Und jetzt war dieser riesige Fremde gekommen und lud ihn zum Drink ein.
Master Crack ließ bereits einen der Schwingarme los, als sich Coster in Bewegung setzte. Er ergriff den anderen Schwingarm der Tür und betrat hinter dem Fremden den Schankraum.
Die vier drüben am Spieltisch blickten auf.
Coster sah zu ihnen hinüber, hob dann lässig die Hand, so als wollte er sagen, ja, ja, ich bin’s wieder, ich mit meinem Freund!
Master Crack ging zur Theke, schob ein paar leere Gläser, die da standen, rücksichtslos zur Seite. Eines rutschte über den Thekenrand auf den Boden, wo es zerschellte.
Der Wirt, der einen Augenblick nicht im Schankraum gewesen war, wurde durch das Geräusch des zerspringenden Glases aus dem Korridor gelockt, wo er bei einem der Küchengirls stand, was seine Frau ohnehin nicht allzu sehr an ihm schätzte.
»He, was gibt’s …?« Als er Master Crack sah, verstummte er.
Ob er ihn kannte, ist niemals festgestellt worden.
Crack hob zwei Finger und deutete damit an, dass er zwei Drinks bestellte.
Dann, als er sein Glas vor sich stehen hatte, hob er es an und prostete Coster zu.
Der griff mechanisch nach seinem Glas und kippte den Inhalt hinunter.
»Ich glaube, wir sollten noch einen nehmen«, meinte Crack und hob wieder zwei Finger.
Nach dem zweiten Drink wandte Crack sich um und schob die Ellbogen über die Thekenkante. Den rechten Fuß zog er an und richtete sein eines Auge auf den Spieltisch.
Bei diesem Blick war es Coster allerdings nicht mehr allzu wohl zumute, denn es war ein herausfordernder Blick, der da aus dem einen gesunden Auge zu den Spielern hinüberging.
So etwas hatte er sich allerdings nicht gewünscht. Es hatte ihm schon genügt, dass die vier sahen, dass er keineswegs allein hier war.
Aber dass dieser Einäugige die anderen nun auch noch provozierte, gefiel ihm absolut nicht.
Da sprangen die rissigen Lippen des Desperados auseinander:
»Hast