Dr. Laurin Classic 51 – Arztroman. Patricia Vandenberg
man denn keine Vertretungen beschaffen?«, fragte Clemens Bennet.
»Bist du mit einem minderwertigen Ersatz einverstanden, wenn du Musikproduktionen machst, Daddy?«, fragte Dagmar nachsichtig. »In einer Klinik geht es um Menschenleben.«
Aber als Clemens Bennet dann ein so betrübtes Gesicht machte, legte sie den Arm um seine Schultern. »Irgendwie werden sie sich schon abstimmen. Die Hauptpersonen werden auf jeden Fall aller Verpflichtungen entbunden werden.«
»Wenigstens ein Trost«, sagte Clemens Bennet. »Und wie ist es mit den Kindern?«
»Da gibt es keine Schwierigkeiten«, erwiderte Dagmar lächelnd. »Nikki, Ronald und Kaja streuen Blumen. Konstantin und Kevin tragen den Schleier. Dass Konstantin sich dazu bereit findet, ist ohnehin ein großes Zugeständnis.«
»Schwer genug war es ja sowieso, Biggi zu bewegen, in Weiß zu heiraten«, seufzte Clemens Bennet. »Don wird wahrhaftig froh sein, wenn er diesen Tag hinter sich hat.«
»Wir auch«, sagte Dagmar mit einem leisen Lachen. »Aber wir freuen uns jetzt erst mal darauf. Was hast du dir noch für Überraschungen ausgedacht, Daddy?«
»Es wären keine Überraschungen, wenn ich es verraten würde«, erwiderte er.
Clemens Bennet hatte es schon wieder eilig. Er musste zu seinem Studio fahren, denn die größte Überraschung für das bevorstehende Fest wartete dort auf ihn.
Ihr Name war wohlbekannt in allen Kontinenten und wurde fast mit Ehrfurcht genannt. Victoria Sudoran, der man nachsagte, dass sie den schönsten Mezzosopran des Jahrhunderts besäße. Hinzu kam noch, dass sie vom Äußeren her wohl eine der schönsten Sängerinnen war, die je auf einer Bühne gestanden hatte.
Was sie so unglaublich sympathisch machte, war jedoch ihre Natürlichkeit. Clemens Bennet, der allergisch gegen aufgetakelte Frauen war, hatte sehr viel übrig für Victoria. Auch deshalb, weil sie so zuverlässig war.
Seine Verehrung galt einer großen Künstlerin, die seines Geschäftsführers Horst Worrel wohl aber doch mehr der schönen Frau, wie Clemens Bennet recht unwillig zur Kenntnis nehmen musste.
Die Aufnahmen verliefen ohne Schwierigkeiten.
Nur eine gewisse Müdigkeit machte sich an diesem Tag bemerkbar.
»Ich muss ein paar Tage ausspannen«, sagte sie zu Clemens Bennet. »Und meine Familie möchte mich auch mal wieder daheim sehen.«
»Dann wird es wohl nichts aus unserer Vereinbarung?«, sagte Clemens Bennet niedergeschlagen.
»Clem, ich halte mein Wort«, erwiderte Victoria. »Ich habe noch nie einen Freund enttäuscht, und du bist ein wahrhaftiger Freund. Auf dich habe ich mich immer hundertprozentig verlassen können, auch als ich noch nicht ›die‹ Sudoran war, und du kannst dich auch auf mich verlassen. Außerdem will ich es mir keinesfalls entgehen lassen, deine so großgewordene Familie einmal kennen zu lernen. Aber«, sie machte eine kleine Pause und sah sinnend in die Ferne, »ich fürchte, dass ich meine Familie verlieren werde, wenn ich niemals für sie Zeit habe. Eines Tages wird man vor die Alternative gestellt.«
»Vor welche?«, fragte Clemens Bennet geistesabwesend.
»Vor welche schon? Ehefrau und Mutter…, oder Sängerin zu sein«, erwiderte Victoria.
»Und wie würdest du dich entscheiden, Victoria?«
Ihre großen dunklen Augen, die in dem blassen und ein wenig müden Gesicht brannten, was ihrer Schönheit aber keinen Abbruch tat, sahen ihn nachdenklich an.
»Ich kann es mir nicht vorstellen, nicht mehr zu singen, Clem«, sagte sie leise. »Früher dachte ich, man könne alles unter einen Hut bringen, aber es ist sehr, sehr schwer. Ich war schon drei Monate nicht mehr daheim.« Sie fasste sich an den Hals. Es war eine Bewegung, die er während dieser Tage schon öfter bemerkt hatte.
Darüber aber dachte er nicht lange nach. »Du würdest also eher auf deine Familie verzichten, Victoria?«, sagte er ruhig. »Aber nicht etwa wegen Horst?«
Ihre schön geschwungenen Augenbrauen hoben sich. »Du meinst Herrn Worrel? Wie kommst du da-rauf?«
»Er himmelt dich an.«
Sie lachte leicht auf. »Das tun viele Männer, Clem. Du lieber Gott, wenn ich das ernst nehmen würde. Nein, dafür habe ich nun, weiß Gott, keine Zeit. Wenn ich abends in mein Bett sinke, bin ich nur noch müde.«
»Wie müde bist du heute, Victoria? Können wir noch zusammen essen?«
»Nur wir beide? Dann sage ich ja. Aber kein großer Kreis.«
»Nur wir beide«, sagte er.
»Dafür bin ich nicht zu müde.«
Sie lächelte und sah bezaubernd aus.
Clemens Bennet kannte Victoria schon zehn Jahre. Er hatte sie sozusagen entdeckt. Genau genommen hatte er die Fachwelt auf sie aufmerksam gemacht, als sie bei ihm die ersten Aufnahmen mit einer Gruppe machte.
Ein Jahr später hatte sie geheiratet. Sie hatte eine gute Partie gemacht. Martin Sudoran besaß mehrere Kaufhäuser. Er war zwölf Jahre älter als Victoria und konnte es sich leisten, eine schöne Frau nach Herzenslust zu verwöhnen. Er war auch sehr stolz auf ihre märchenhaft schöne Stimme, die sich nach der Geburt ihres ersten Kindes Fabian so richtig entwickelte. Nein, er hatte ihr nichts in den Weg gelegt, als ihre Karriere steil bergan ging. Nur einmal hatte sie eine Pause gemacht. Als ihre Tochter Caroline geboren wurde. Damals hieß es, dass Victoria sich ganz ihrer Familie widmen würde, aber schon bald leuchtete ihr Stern noch heller am Musikhimmel.
Im Kollegenkreis witzelte man schon darüber, dass sie mit jedem Kind berühmter werden würde. Aber es blieb bei den beiden, Fabian und Caroline, und Clemens Bennet war einer der wenigen, die wussten, dass diese beiden Kinder von Victorias Schwester Rosmarie aufgezogen wurden, während ihre Mutter die ganze Welt bereiste und sie mit ihrer wundervollen Stimme beglückte.
Hier und dort war Martin Sudoran aufgetaucht, aber immer seltener. Und selbst jetzt, da Victoria in München weilte und er nur knapp hundert Kilometer entfernt war, ließ er sich nicht blicken.
Daran dachte Clemens Bennet, als er mit Victoria in einem bekannten Feinschmeckerlokal saß. Sie machte jetzt einen fast erschöpften Eindruck.
»Ich dachte, dass Martin mal herüberkommen würde«, sagte Clemens.
»Er hat viel zu tun, und er lässt die Kinder nicht gern allein mit Rosmarie«, erwiderte Victoria. »Sie hängen sehr an ihm. Er denkt wohl auch, dass sie den Vater nicht missen sollten, wenn die Mutter schon so wenig daheim ist. Clem – was würdest du an meiner Stelle tun?«
»Das ist sehr schwer zu sagen. Ich bin ein Mann, Victoria.«
»Aber für Dagmar hättest du doch jeden Termin abgesagt«, bemerkte sie.
»Dagmar ist jetzt glücklich verheiratet. Es war eine vorübergehende Phase. Jetzt bin ich auch sesshaft geworden. Tüchtige Leute arbeiten für mich. Ich brauche nicht mehr alles selbst zu tun.«
»Ich kann niemanden für mich singen lassen«, sagte Victoria.
»Aber um des Geldes Willen brauchst du nicht zu singen.«
»Nein, deshalb nicht. Wenn du mich nicht verstehst, Clem, dann weiß ich nicht, wer mich verstehen könnte.«
»Ich verstehe dich, aber wenn du in einen Gewissenskonflikt gebracht wirst, musst du dich entscheiden, was dir wichtiger ist, dein Mann und deine Kinder, oder dein Beruf, deine Kunst, Victoria. Ich glaube tatsächlich nicht, dass man auf Dauer beidem gerecht werden kann.«
»Erzähle mir von dir. Man sagt, dass du der vollkommene Großpapa geworden seist.«
»Vollkommen? Das will ich nicht sagen. Ich bin glücklich in der Rolle. Glücklich vor allem, weil Dagmar glücklich ist und Nikki nicht allein aufzuwachsen braucht. Und in nicht allzu ferner Zeit werden es drei sein. Ich habe einen Schwiegersohn bekommen, mit dem ich mich prächtig