Der Landdoktor Classic 40 – Arztroman. Christine von Bergen

Der Landdoktor Classic 40 – Arztroman - Christine von Bergen


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Frau Brunner, hallo, Herr Doktor.« Die hübsche Hotelangestellte verneigte sich leicht und schenkte dem Arztehepaar ihr schönstes Lächeln. »Herr Meister ist in seinem Büro. Gehen Sie ruhig durch.«

      Die beiden bedankten sich und bogen in den langen Gang ein, der von der elegant eingerichteten Eingangshalle nach rechts abzweigte.

      »Na?« Erwartungsvoll sah Ulrike ihren Mann von der Seite an. »Sagte ich doch. Roland hat aus dem Gasthof ein super chices Hotel gemacht. Klein und fein.«

      Auf halbem Weg kam den beiden Susi Hüberle über den Flur entgegen gerannt. Tränen liefen ihr über die Wangen. Die roten Locken hingen ihr in die Stirn. Ohne das Ehepaar überhaupt wahrzunehmen, eilte sie schluchzend vorbei auf den Ausgang zu.

      »Nanu«, murmelte Matthias, während beide der jungen Frau verblüfft nachsahen. »Die hat es aber eilig.«

      Auch Lump, der brav an der kurzen Leine ging, drehte den Kopf zurück und gab einen unterdrückten Laut von sich. Er wusste, dass er in fremden geschlossenen Räumen nicht bellen durfte.

      »Und glücklich sah sie auch nicht gerade aus«, meinte Ulrike mit besorgter Miene.

      Die beiden kannten die junge Frau natürlich. Der Landarzt hatte Susis Mutter bis zu deren Tod behandelt und begleitet.

      »Guten Abend, Roland«, begrüßte Matthias wenige Sekunden später den Besitzer des Luxushotels, der ihn erstaunt und erleichtert zugleich ansah.

      Wahrscheinlich hat er Angst gehabt, Susi wäre noch einmal zurückgekommen, dachte Ulrike bei sich.

      »Hallo, ihr beiden«, antwortete Roland und atmete hörbar aus. »Ihr seid es.« Er lachte nervös. »Das ist ja eine Überraschung. Setzt euch doch.«

      »Warst du draußen?«, fragte Matthias mit einem Blick auf die grüne Latzhose, die der junge Mann an diesem Abend noch trug.

      »Unser Gärtner ist krank. Da habe ich selbst Hand angelegt.«

      »Ich weiß, ich weiß …« Der Landarzt lachte. »Dein Traumberuf. Wie geht es denn deinen Eltern?«, wechselte er das Thema, nachdem er und seine Frau in der Besucherecke Platz genommen hatten.

      »Super. Zurzeit sind sie in Mexiko. Danach geht es weiter in die Karibik und dann …« Roland öffnete die Schreibtischschublade und nahm einen Kauknochen heraus, den er seinem vierbeinigen Gast reichte. Danach hob er die breiten Schultern und sah das Landarztehepaar wieder an. »Ich weiß gar nicht genau, wohin sie noch fahren«, fuhr er fort. »Auf alle Fälle werden sie erst in zwei Monaten von ihrer Weltumrundung zurückkommen und sich dann in ihrem neuen Haus hier zur Ruhe setzen.«

      »Was sie auch verdient haben«, pflichtete Ulrike ihm bei.

      Matthias schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück.

      »Wir haben etwas mit dir zu besprechen«, begann er, nachdem ihn seine Frau mit einem auffordernden Blick bedacht hatte.

      »Schießt los.«

      »Du kennst doch bestimmt die Schlagersängerin Sibyll.«

      Der Hotelerbe lehnte sich ebenfalls zurück und schob beide Daumen hinter die Träger seiner Latzhose. »Wer kennt die nicht? Kein anderer deutscher Schlagerstar hat in den vergangenen drei Jahren so viele Preise gewonnen wie sie.«

      »Sie tritt anlässlich des Baden-Badener Sommers auf dem Open-Air-Konzert auf«, erzählte Matthias ihm nun. »Ein guter Bekannter von mir, der Veranstalter, hat Sibylle Bachmann, wie sie eigentlich heißt, mit viel Überredungskunst für einen Abend engagieren können. Allerdings unter der Auflage, dass die junge Dame sich vorher eine Woche lang in abgeschiedener Natur und angenehmem Luxus völlig inkognito von einem Burnout erholen kann. Ulrike fiel dazu dein Hotel ein.«

      Roland sah die beiden erstaunt an. »Das ehrt mich sehr, aber …« Ein skeptischer Ausdruck legte sich auf sein männlich geschnittenes Gesicht, das von großen dunklen, eindringlich blickenden Augen beherrscht wurde. »Aber ganz ehrlich, mir sind normale Gäste lieber als die prominenten. Und dann eine so berühmte Sängerin …« Mit zweifelnder Miene wiegte er den Kopf hin und her. »Abgesehen davon bereiten solche Künstler dem Personal meistens viele Probleme, was ich meinen Leuten eigentlich nicht zumuten möchte. Darüber hinaus kann ich natürlich nicht dafür garantieren, dass wir Frau Bachmann absolute Anonymität bieten können. Sie wird den meisten Gästen doch bekannt sein.«

      Ulrike beugte sich nach vorn und zwinkerte dem jungen Mann verschwörerisch zu. »Daran habe ich auch gedacht. Und ich habe auch schon eine Idee, wie dies zu verhindern wäre.«

      Roland lachte sie an. »Tante Ulrike … Sie hat für alles immer eine Lösung. Das hätte ich mir denken können.«

      »Du könntest Sibylle Bachmann dein Privathaus zur Verfügung stellen«, schlug die Landarztgattin ihm nun mit leuchtenden Augen vor. »Das steht auf dem Hotelgelände, ist aber weit genug vom Hotelbetrieb entfernt, sodass sie niemandem von den anderen Gästen begegnen muss.«

      Der junge Mann legte den Kopf in den Nacken und strich sich mit beiden Händen das Haar aus der gebräunten Stirn.

      »Das ist keine schlechte Idee«, meinte er schließlich nach ein paar Atemlängen in nachdenklichem Ton. »Ja, das wäre eine Lösung.«

      »Frau Bachmann will ihre absolute Ruhe haben«, fuhr Matthias fort. »Keinerlei Aufhebens wegen ihrer Person. Wie mein Bekannter sagte, sollten höchstens zwei deiner Angestellten von ihrer Anwesenheit bei uns im Tal Bescheid wissen. Die müssen natürlich absolut zuverlässig sein.«

      »Das kann ich euch versichern«, antwortete der Hotelier. »Und ich wüsste auch schon, wen ich einweihen würde.« Er lachte. »Ich gehe jedoch davon aus, dass unser Star den Hotelbesitzer selbst gar nicht erst kennen lernen muss, oder?« Er zwinkerte den beiden verschmitzt zu. »Ihr wisst ja, ich bin nicht so für die Glitzerwelt zu haben.«

      »Zumindest nicht, wenn du so ausschaust wie heute«, konterte der Landarzt.

      »Okay, dann werde ich die junge Dame unserem Hotelmanager und dem Oberkellner überlassen.«

      *

      »Ob sie arrogant ist?«, fragte Ulrike.

      »Ich weiß es nicht. Wenn man als junger Mensch schon eine solche Karriere macht …« Matthias hob mit zweifelnder Miene die Schultern.

      »Du meinst, dass dies manchem zu Kopf steigt.«

      »Hm.«

      Die beiden schwiegen, schauten voller Neugier zum Fenster hinaus. Vor ein paar Minuten hatte Gernot Lugner über Handy seine Ankunft und die seines Schützlings Sibyll angekündigt.

      »Da kommen sie, Lump«, sagte Matthias schließlich zu ihrem vierbeinigen Hausgenossen. Er hob den Zeigefinger und sah Lump ermahnend an. »Ich will, dass du dich gut benimmst. Einer so schönen Frau gegenüber zeigt man sich als Kavalier. Nicht anspringen, nicht knurren. Hast du gehört?«

      Der Deutsche Drahthaar warf seinem Herrn einen Blick zu, der so viel besagte wie: »Keine Sorge, ich blamiere euch nicht.«

      Ulrike lachte, streichelte ihn und sah ihren Mann an. »Komm, wir begrüßen den Besuch draußen.«

      *

      »Mein Bester!«, rief Gernot Lugner aus, noch während er sich aus der schwarzen Limousine hievte. Dann ging er um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür.

      Die Frau, die nun ausstieg, wirkte wie ein zartes, ja, fast dünnes Mädchen von achtzehn Jahren, obwohl der bekannte Star sieben Jahre älter war. Gernot führte Sibyll am Ellbogen über den gepflasterten Patientenparkplatz auf das alte Schwarzwaldhaus zu, so vorsichtig, als hätte er ein Porzellanpüppchen am Arm.

      Der Landdoktor und seine Frau hatten Mühe, ihr Erstaunen zu verbergen. Dieses zierliche Geschöpf in der Jeans und dem schlichten weißen Shirt sollte der international bekannte Schlagerstar sein? Die Künstlerin, die auf der Bühne wie eine Hollywoodschönheit glitzerte und mit kraftvoller Stimme und ebenso kraftvollen Bewegungen ihr Publikum zu Standing Ovations brachte?


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