Der Landdoktor Classic 40 – Arztroman. Christine von Bergen

Der Landdoktor Classic 40 – Arztroman - Christine von Bergen


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würde er Sibyll auf der Bühne ihrem Publikum ankündigen. Dann schlug er Matthias zur Begrüßung auf die Schulter und küsste Ulrike in galanter Manier die Hand.

      Der Landarzt lächelte die junge Frau an. »Brunner – meine Frau. Willkommen im Ruhweiler Tal.«

      Während er die junge Künstlerin ansah, bemerkte er, wie blass deren Haut war. Ihre großen Augen, die die tiefblaue Farbe eines Sees an einem wolkenlosen Sommertag besaßen, schauten müde in die Welt. Nur die schneeweißen makellosen Zähne, die Sibylls zaghaftes Lächeln jetzt zeigte, und das glänzende blonde Haar erinnerten an die Bühnenschönheit.

      Die Sängerin reichte zuerst der Landarztfrau und dann Matthias eine eiskalte Hand.

      »Grüß Gott«, begrüßte sie die beiden mit melodisch klingender Stimme. »Nennen Sie mich doch einfach Sibylle.«

      »Gern, Sibylle«, antwortete Ulrike und schenkte ihr ein warmherziges Lächeln.

      »Und wer bist du?«, fragte die Sängerin in liebevollem Ton, während sie sich zu Lump herunter beugte, der so bewegungslos wie eine Statue neben seinem Herrchen saß.

      Er ließ die Streicheleinheiten über sich ergehen, wie man es von ihm erwartete. Normalerweise ließ er sich nicht von Fremden streicheln. Doch in diesem Fall machte er großzügig eine Ausnahme. Zudem empfand er die Hand dieser Unbekannten als sehr sanft. Und sie roch sehr gut.

      »Lump ist ihr Mitbewohner hier auf dem Hügel«, schaltete sich jetzt Gernot ein. Dann erklärte er Sibyll: »Meine Freunde haben sich sehr darum bemüht, für Sie das richtige Hotel zu finden. Sie haben …«

      »Bevor wir die Einzelheiten besprechen, sollten wir zur Begrüßung doch erst einmal ein Kirschwässerli trinken«, unterbrach Ulrike nun den Redeschwall ihres Bekannten, der sich wieder einmal an Dienstbeflissenheit überschlug.

      »Ein Kirschwässerli?« Gernot warf ihr einen geradezu empörten Blick zu.

      Ulrike hob die Brauen. »So ist es bei uns im Schwarzwald Brauch. Natürlich können wir auch eine Flasche Champagner öffnen«, fügte sie in leicht ironischem Ton hinzu.

      »Ein Schnaps ist sehr gut«, mischte sich nun der Schlagerstar lächelnd ein. »Ich stamme aus Bayern. Aus dem Raum Miesbach. Dort ist ein Begrüßungsschnapsl genauso Brauch.«

      Mit einer Mischung aus Verblüffung und Entsetzen im Blick sah Gernot die junge Frau an.

      Das sagte der Superstar, der auf der Bühne so viel Glamour versprühte?

      *

      Gernot hatte wie stets nur wenig Zeit. Nach dem Begrüßungstrunk sah man ihm an, dass er wie auf den sprichwörtlich heißen Kohlen saß.

      »Wir sollten vielleicht jetzt zum Hotel fahren«, sagte er mit aufforderndem Blick zu der Sängerin.

      »Jetzt schon?« Sibylle Bachmann schaute sich auf der Terrasse des Schwarzwaldhauses um. »Es ist so schön hier in der Sonne. Und diese Ruhe hier oben …« Ihr Blick bekam einen träumerischen Ausdruck.

      »Ich möchte mich von der Qualität des Hotels überzeugen«, meinte der Konzertveranstalter mit wichtiger Miene. »Und in einer Stunde muss ich schon in Baden-Baden sein.«

      »Wenn Sibylle noch bleiben möchte, kann ich sie ja zum Ruhweiler Hof bringen«, bot Ulrike sich an. »Ich habe heute nichts mehr vor. Dann könnten wir noch etwas plaudern, wenn es Ihnen hier gefällt«, wandte sie sich an den Star. »Mein Mann muss auch gleich wieder hinüber in die Praxis.«

      »Ja, ich würde gern noch etwas sitzen bleiben«, erwiderte Sibylle sofort. »Hier ist es genauso schön wie in meiner Heimat. Der Blick von oben über die Hügel …« Sie lächelte versonnen. Dabei streichelte sie Lumps Fell.

      »Na ja, letztendlich ist es in der Heimat immer noch am schönsten«, sagte der Landarzt. »Dort leben die Menschen, die einem vertraut sind. Und es braucht nicht viele Worte, um sich zu verstehen.«

      Sibylle sah ihn erstaunt und lange an. Dabei legte sich plötzlich ein feuchter Schimmer über ihre Pupillen, der Matthias in seiner Lebenserfahrung bestätigte, dass Reichtum und Erfolg für denjenigen, der damit gesegnet war, nicht immer auch zugleich Glück bedeuten mussten.

      Er räusperte sich und wandte sich seinem Bekannten zu. »Und? Willst du fahren?«

      »Wenn ich darf«, sagte Gernot mit einer Verbeugung zu Sibyll.

      »Machen Sie sich keine Sorgen um mich«, beruhigte die junge Frau ihn. »Ich bin sicher, dass Dr. Brunner und seine Frau die richtige Unterkunft für mich ausgesucht haben.«

      »Ich rufe Sie heute Abend im Hotel an, auf Ihrem Handy«, versicherte Gernot ihr. Dann verabschiedete er sich und ließ sich vom Hausherrn hinaus geleiten.

      »Unser Gernot, immer im Stress«, sagte Ulrike lächelnd, während sie dem Konzertveranstalter nachsah. Dann fuhr sie ernst fort: »Im Hotel werden Sie sich völlig unbehelligt von den anderen Gästen erholen können. Und falls Sie ein bisschen Unterhaltung brauchen sollten, rufen Sie uns gern an.«

      »Danke.« Sibylle schenkte ihr ein Lächeln. »Momentan ist mir mehr danach zumute, mich auszuruhen, zu lesen und das schöne Wetter zu genießen.«

      »Das Wetter soll auch erst einmal noch so bleiben, und die gute Luft sowie die Ruhe haben wir immer hier.«

      »Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, aber ich hatte einen Burnout«, erzählte die Sängerin nun. »Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, muss ich sagen, dass ich mich noch nicht vollständig davon erholt habe, aber als Herr Lugner mich anrief, wollte ich ihm keine Absage geben. Dann würde es schnell heißen, die Sibyll ist nicht mehr zu buchen, die ist weg von der Bühne. Und so etwas kann man sich nicht erlauben, wenn man weiter singen will.«

      Ulrike hatte sie während des Sprechens näher betrachtet. Nur zu deutlich waren die Spuren der Müdigkeit auf dem blassen, ebenmäßig geschnittenen Gesicht der Künstlerin zu sehen. Erholt und gesund sah anders aus, sagte sie sich.

      »Sie sind sehr berühmt und singen schon lange«, begann sie in vorsichtigem Ton. »Haben Sie nach dem Burnout daran gedacht, mit dem Singen aufzuhören? Ich meine …« Sie verstummte, suchte nach den richtigen Worten.

      Sibylle lächelte sie vertrauensvoll an. »Sie meinen, ich habe genug verdient, dass ich mich mit Mitte Zwanzig schon zur Ruhe setzen kann, gelt?«

      »Ja, das meinte ich.«

      »Ohne arrogant oder angeberisch wirken zu wollen, das könnte ich auch. Leute wie ich verdienen viel Geld. Das kann man überall lesen. Ich habe mein Geld zudem einem guten Verwalter in die Hände gegeben, der es arbeiten lässt, aber es geht ja nicht nur ums Geld. Was sollte ich ohne meinen Beruf machen?«

      »Ein schönes Leben, irgendwo auf der Welt, wo Leute wie Sie sich zur Ruhe setzen und ihren Reichtum genießen.«

      »Nein.« Sibylle schüttelte den Kopf so energisch, dass ihr hellblonder Pferdeschwanz, der ihr etwas Mädchenhaftes gab, hin und her schaukelte. »Das wäre nichts für mich. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen. Nach der ­Trennung von meinem Vater musste meine Mutter hart arbeiten, um für mich und sich den Lebens­unterhalt zu verdienen. Ich habe früh gelernt mitzuhelfen. Ein Leben in Müßiggang ist für mich nichts.«

      »Sie könnten heiraten und eine Familie gründen«, schlug Ulrike ihr vor, um gleich darauf dafür ein hartes kurzes Lachen zu ernten.

      »Wen denn? Männer aus meinem Umfeld will ich nicht.« Sibylle beugte sich nach vorn und vertraute ihr mit treuherzigem Blick an: »Künstler sind merkwürdige Typen. Selbstgefällig, in sich selbst verliebt. Zumindest die meisten. Ausnahmen gibt es natürlich immer«, fügte sie mit schelmischem Lächeln hinzu. »Und normale Männer lerne ich heute nicht mehr kennen. Ich kann mich doch nicht mehr in einer Stadt in der Öffentlichkeit zeigen. Jeder erkennt mich. Das ist eine der vielen Schattenseiten meines Berufes.« Sie seufzte.

      Die Landarztfrau spürte, dass ihr Gegenüber nicht nur erschöpft aussah, sondern sich auch so fühlte. Jetzt griff sich der Star sogar mit schmerzverzogener


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