Mami Jubiläum 9 – Familienroman. Patricia Vandenberg
gesagt haben. Wohin möchte der Herr?«
Wolfgang nannte die Adresse und blickte dabei auf die Uhr am Armaturenbrett. Wenn er Glück hatte, würde er wenigstens ungesehen ins Haus gelangen. Unentwegt überlegte er, was er Angela sagen sollte, um dann zwanzig Minuten später herauszufinden, dass er keine Erklärung mehr zu geben brauchte. Die Wohnung war leer. Angela und Babsi waren nicht da. Er war wie gelähmt. Dann sah er den Zettel auf dem Tisch.
Bin mit Babsi zu meinem Vater gefahren. Du wirst von meinem Anwalt hören. Amüsiere Dich gut mit Deiner Elke.
Nicht mal ihren Namen hatte sie daruntergesetzt. Es war nicht ein Schlag, es waren tausend Schläge, die diese Worte ihm versetzten. Und es dauerte lange, bis er fähig war, sich auszukleiden, und sich unter die Dusche zu stellen, damit sein Kopf endlich wieder klar würde.
Von Angelas Anwalt würde er hören! Herrgott, sie konnte doch nicht einfach die Scheidung einreichen. Sie konnte ihm doch nicht das Kind wegnehmen!
Dieses fatale Missverständnis musste schnellstens aus dem Wege geräumt werden. Sobald sein Wagen wieder in Ordnung war, würde er ihr nachfahren. Er musste es. Übermorgen begann die Tournee durch die Schweiz und Italien.
Er hatte sich rasiert und angekleidet. Er verspürte einen wahnsinnigen Durst, war aber nicht fähig, sich selbst ein paar Tassen Kaffee aufzubrühen.
Er lief bis zum Taxistand und ließ sich ein Stück in die Stadt fahren. Dort ging er erst in ein kleines Café, denn trotz allen Kummers hatte er Hunger. Vor dem Konzert aß er nie, und Elke hatte ihm nichts angeboten. Daheim hatte bestimmt das Essen gewartet, das er nach so anstrengenden Stunden mochte. Kaltes Roastbeef, Schinkentoast, Käse.
Jetzt trank er einen ziemlich dünnen Kaffee, aber der löschte wenigstens den Durst. Er aß ein Brötchen, aber das quoll ihm im Munde, weil er unentwegt an Angela denken musste. Wann waren sie denn nur schon weggefahren? Es war doch kaum später als sechs Uhr gewesen, als er heimkam. Hatte Babsi denn nicht nach ihm gefragt? Was mochte Angela ihr gesagt haben. Und was würde nun sein Schwiegervater sagen?
Vor Eberhard Jäger hatte Wolfgang Respekt, allerdings im guten Sinne des Wortes. Er schätzte den klugen, besonnenen Mann überaus, aber er wusste auch, dass er sich gegen ihn stellen würde, wenn er seine Tochter ungerecht behandelt wusste.
Es kam darauf an, was Angela ihrem Vater sagen würde, aber insgeheim hatte Wolfgang die Hoffnung, dass Eberhard Jäger ihn noch eher anhören würde als Angela, die sich in hochgradiger Erregung befunden haben musste. Das konnte er ihren Schriftzügen entnehmen, die sonst so klar waren wie sie selbst.
Hoffentlich fuhr sie wenigstens vorsichtig. Die Vorstellung, dass ihr und dem Kind noch etwas Böses geschehen könnte, raubte ihm den Atem.
Er sprang auf und warf einen Geldschein auf den Tisch. Die Bedienung lief ihm mit dem Wechselgeld nach. Achtlos steckte er es dann in die Tasche, nahm sich wieder ein Taxi und ließ sich zu Elkes Haus bringen. Die Jalousien waren noch herabgelassen. Sein Wagen stand dort, wo er ihn abgestellt hatte. Wieso war er nicht angesprungen, fragte er sich wieder.
Er kramte in seiner Tasche nach dem Schlüsselbund. Er schloss den Wagen immer ab, aber diesmal musste er es vergessen haben. Nun, wegfahren konnte ihn sowieso niemand, darüber brauchte er sich keine Gedanken zu machen. Aber er setzte sich doch ans Steuer und steckte den Zündschlüssel ein. Er drehte ihn um, und der Wagen sprang auf Anhieb an.
Das gibt es doch nicht, dachte er verblüfft, ich war doch ganz nüchtern, bevor ich das Haus betreten habe. Aber dann hatte er getrunken, und dieser Wein musste ihm höllisch ins Blut gegangen sein. Wußte Elke von dieser Wirkung? Natürlich musste sie es wissen. Jetzt war er erst recht in der richtigen zornigen Stimmung, ihr gegenüberzutreten und ihr die Meinung zu sagen.
Er läutete. Sie öffnete selbst in einem verführerischen Negligé und mit rosig überhauchtem Gesicht.
»Ich wusste doch, dass du wiederkommen würdest, mein Lieber«, säuselte sie.
Er dachte an das verschmierte Gesicht von heute Morgen, und ihm wurde fast übel vor Ekel.
»Ich muss schließlich meinen Wagen holen, und dann habe ich dir noch einiges zu sagen, Elke«, stieß er hervor. »Angela ist mit Babsi zu ihrem Vater gefahren.«
In ihren Augen leuchtete es triumphierend, aber sie senkte schnell die Lider und setzte eine bekümmerte Miene auf.
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie. »Wie kann sie nur so unüberlegt sein? Komm herein, lass uns darüber reden, Wolf. Ich werde diese Geschichte selbstverständlich in Ordnung bringen. Das habe ich doch nicht gewollt.«
»Jedenfalls hat sie mir empfohlen, mich mit dir zu amüsieren. Also ahnt sie etwas.« Er sagte es heftig.
»Wolltest du dich denn mit mir amüsieren?«, fragte Elke spöttisch.
»Nein, bei Gott nicht.«
»Na, also, sie ist eifersüchtig. Das beweist, dass sie kein Vertrauen zu dir hat. Wer weiß, wie lange das schon in ihr schwelt. Du wirst ihr schon manches Mal Grund zur Eifersucht gegeben haben.«
»Nein, zum Donnerwetter«, sagte er. »Du bist der Grund, nur du.«
Sie sah ihn an. »Soll ich mir darauf etwas einbilden? Es ist immerhin ganz hübsch, wenn einem zugetraut wird, die einzige Frau zu sein, die Wolfgang Rösch gefährlich werden kann.«
Sie fühlte sich jetzt im Vorteil, da er noch immer sehr erregt war. Sie zeigte sich der Situation gewachsen und wollte dies ausnutzen.
»Du wirst mir nicht gefährlich«, knurrte er, ohne sie anzusehen.
»Okay, Wolf, lass uns ruhig reden«, sagte sie. »Ich würde es sehr bedauern, wenn Angela so dumm wäre, ihren Mann kampflos einer anderen zu überlassen.«
»Sie ist nicht dumm. Sie ist sehr gescheit, und spießig ist sie auch nicht. Ich möchte wissen, was du ihr erzählt hast.«
»Bitte, nicht solche Unterstellungen«, sagte sie arrogant. »Ich war zum Kaffeeklatsch bei euch, und du warst dabei. Im Übrigen hatte ich kein Verlangen, mit deiner Frau zu reden. Wir haben nichts gemeinsam.«
»Nein, das habt ihr nicht«, sagte Wolfgang voll dankbarer Überzeugung.
»Jedenfalls teile ich deine Interessen, Wolf. Du bist ein Künstler. Du kannst dich doch nicht mit Kleinkrämerei abgeben. Wenn sie dir davonläuft, stellt sie sich doch nur selber ein Armutszeugnis aus. Oder du dir, wenn du ihr jetzt nachläufst und sie auf den Knien anflehst, zu dir zurückzukehren.«
»Das ist meine Sache. Übermorgen gehen wir auf Tournee. Meinst du, ich könnte spielen, wenn zwischen uns nicht alles in Ordnung ist?«
Elke hatte sich das alles ein bisschen anders vorgestellt. Sie hatte sich vorgenommen, ihm nachzureisen und gemeint, dass er sich darüber freuen würde. Ja, sie hatte sich schon den Verlauf dieser Nacht ganz anders vorgestellt! Aber das war nun nicht mehr zu ändern, jetzt musste sie noch das Bestmögliche für sich aus der Situation machen. Sie musste vor allem herausbekommen, wo Angelas Vater wohnte.
»Nun sind wir aber wirklich vernünftig«, begann sie erneut. »Ich möchte keinesfalls, dass du dir Sorgen um Angela machen musst, wenn du auf Tournee gehst. Wohnt ihr Vater denn weit entfernt? Kannst du nicht mal anrufen?«
»Das überlege ich mir. Ich könnte auch hinfahren. Hohenborn ist nicht weit«, sagte er mehr zu sich selbst. »Zweihundert Kilometer etwa, und Erlenried ist nur einen Katzensprung entfernt.«
Nun wusste sie bereits genug. Wie arglos doch der gute Wolfgang war! Eigentlich tat er ihr fast ein wenig leid, aber dass er sie heute Morgen mit so verächtlichen Worten bedacht hatte, verlangte nach Rache. So wenig ihr es gefiel, so hatte sie doch begriffen, dass sie ihn verloren hatte, bevor sie ihn ganz gewinnen konnte. Und das kränkte ihre Eitelkeit maßlos.
»Also dann fährst du hin, sprichst mit ihr und sagst ihr, dass ich nur freundschaftliche Gefühle für dich hege. Wenn das auch nicht ganz stimmt, so werde ich meine Gefühle für dich künftig zu beherrschen wissen, Wolf. Es ist alles ein bisschen