Sophienlust 315 – Familienroman. Anne Alexander

Sophienlust 315 – Familienroman - Anne Alexander


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»Meli lieb!« behauptete sie. »Meli lieb und brav.«

      »Natürlich ist meine Meli lieb und brav«, bestätigte Christine. Mit der Kleinen im Arm stand sie auf.

      Melissa schlang ihre Ärmchen um Christines Hals und gab der jungen Frau viele kleine Küßchen. Sie schien kein Ende zu finden.

      »Und wo bleibe ich?« fragte Harald belustigt. Er kam hinter dem Tisch hervor. »Wenn du der Mami so viele Küßchen gibst, bleibt ja für den armen Papi gar nichts mehr übrig.«

      Melissa strahlte ihn an. »Du Papi?« fragte sie.

      Harald nickte. »Ja, ich bin dein Papi«, sagte er und streckte die Arme aus.

      »Papi auch lieb!« Melissa zappelte in Christines Armen. »Meli zu Papi!« verlangte sie.

      »Siehst du, was habe ich dir gesagt?« fragte Harald seine Frau und schloß die Arme um das kleine Mädchen. »Sie sagt schon Papi zu mir!«

      »Wie es aussieht, hat Meli Sie bereits adoptiert«, meinte Schwester Regine zufrieden. Es tat ihr zwar leid, Melissa zu verlieren, aber sie war froh, daß die Kleine neue Eltern gefunden hatte.

      »Bei ihr geht das schneller als bei uns«, seufzte Christine. »Wenn ich daran denke, daß noch mindestens ein Jahr vergehen wird, bis wir wissen, ob wir sie behalten dürfen…«

      »Wenn nicht schwerwiegende Gründe vorliegen, wird man Ihnen die Kleine nicht mehr nehmen«, erklärte Denise bestimmt. »Das Jugendamt ist über jedes Kind froh, das es vermitteln kann. Aber diese Probezeit muß sein. Eltern und Kinder müssen Gelegenheit haben, sich aneinander zu gewöhnen, bevor der letzte Schritt getan wird. Eine bereits gültige Adoption rückgängig zu machen, ist ein langwieriges Verfahren, unter dem dann am meisten das betreffende Kind zu leiden hat.«

      »Kommt so etwas überhaupt vor?« fragte Christine zweifelnd. Es fiel ihr schwer zu glauben, daß Eltern ein bereits adoptiertes Kind wieder zurückgaben.

      »Ja, ab und zu schon«, sagte Denise. »Wir hatten vor zwei Jahren auch einmal so einen Fall. Es war eine mehr als unerfreuliche Sache.«

      »Ich glaube, wir sollten Meli jetzt umziehen«, warf Schwester Regine ein. »So, wie sie aussieht, kann sie nicht mit Ihnen mitfahren.«

      »Darf ich es tun?« fragte Christine, bemerkte aber sofort die Enttäuschung bei der Krankenschwester und dachte daran, wie sehr Melissa Schwester Regine ans Herz gewachsen war. »Wir könnten sie gemeinsam umziehen«, verbesserte sie sich.

      »Gut!« Schwester Regine nahm Melissa von Haralds Arm.

      »Will Papi!« protestierte Melissa.

      »Bald wirst du den Papi für immer haben«, sagte Schwester Regine und drückte die Kleine an sich, »aber jetzt mußt du erst einmal umgezogen werden. Du wirst mit Mami und Papi eine weite Reise machen.« Sie ging mit Christine zur Tür.

      »Ade, ade!« schrie Melissa winkend.

      »Ade, Meli!« Harald warf ihr eine Kußhand zu.

      Er wartete, bis seine Frau die Tür hinter sich und Schwester Regine geschlossen hatte, dann setzte er sich wieder zu Denise von Schoenecker und Else Rennert an den Tisch.

      *

      Es wurde später Nachmittag, bevor die Walters Köln erreichten. Die Rückfahrt von Sophienlust hatte viel länger gedauert als die Hinfahrt. Melissa zuliebe hatten sie zwei längere Pausen gemacht, und selbst auf der Autobahn war Harald nie über achtzig gefahren, um die Kleine nicht zu gefährden. Er war ein Mensch, der übernommene Pflichten sehr ernst nahm, und Melissa war für ihn eine Verpflichtung. Nicht nur, daß er sich vorgenommen hatte, mit ihr stets besonders vorsichtig zu fahren, nein, er dachte auch bereits darüber nach, ob er sie nicht später in eine Privatschule schicken sollte. Für Melissa würde nur noch das Beste gut genug sein.

      Christine drehte sich um. Ein Lächeln verklärte ihr Gesicht. »Sie ist eingeschlafen, der kleine Schatz«, sagte sie zu ihrem Mann.

      »Es war ein anstrengender Tag für sie«, meinte Harald. Er warf einen Blick durch den Rückspiegel zum Kindersitz im Fond. Wie süß die Kleine aussah, wenn sie schlief! Auch wenn der Gedanke unsinnig war, ihm kam es vor, als würde sie ein wenig Christine ähneln.

      »Rot!« rief Christine und wies auf die Ampel, die vor ihnen auftauchte.

      »Schon gesehen!« Harald bremste den Wagen sanft ab. Geduldig wartete er auf Grün, danm bog er in die Straße nach Heinhofen ein. Es war erst drei Wochen her, daß sie ein geräumiges Einfamilienhaus in Heinhofen, einem Vorort von Köln, bezogen hatten. Harald war froh, daß der Umzug noch vor Melissas Ankunft über die Bühne gegangen war. So würde ihr ein nochmaliger Wechsel der Umgebung erspart bleiben.

      »Gott sei Dank sind wir endlich zu Hause!« Christine reckte sich. Sie blickte aus dem Fenster auf die vertraute Umgebung. Die Häuser in dieser Gegend lagen hinter Zäunen und hohen Hecken verborgen. Jedes Grundstück schien für seine Besitzer so etwas wie eine kleine Insel zu sein. Christine hatte noch nicht viel Kontakt zu ihren Nachbarinnen bekommen.

      Harald bog in die Auffahrt zu seinem Haus ein. Er parkte den Wagen vor der Garage. »Ich fahre ihn erst später hinein«, sagte er zu seiner Frau. »Zunächst bringen wir die Kleine ins Haus.« Er stieg aus und öffnete die Fondtür. »Komm, Meli!«

      Melissa rieb sich die Augen. Sie kicherte, als Harald sie aus dem Gurt und dem Sitz befreite. Vertrauensvoll schmiegte sie sich an ihn, als er sie aus dem Wagen hob.

      »Sie ist so lieb«, meinte Christine und nahm ihrem Mann das Kind ab. »So lieb und müde«, fügte sie hinzu, weil Melissa herzhaft gähnte und dabei den Mund, so weit es ging, aufriß.

      »Zeit, daß sie ins Bett kommt.« Harald eilte die Stufen zum Haus empor und schloß die Tür auf. »Bitte, die Damen!« Mit einer einladenden Geste trat er beiseite.

      Christine brachte Melissa in die Küche und setzte sie in einen hohen Kinderstuhl. Die Kleine sollte wenigstens etwas essen, bevor sie schlafen ging.

      Aber Melissa hatte noch nie zuvor in einem Kinderstuhl gesessen. Lauthals begann sie zu schreien.

      »Aber, aber, wer wird denn so weinen?« fragte Harald und wischte ihr mit einem sauberen Taschentuch die Tränen ab. »Jetzt kocht die Mami dir einen feinen Brei, und dann geht’s ab in die Heia!«

      Melissa trommelte mit den Fäusten auf die Lehnen des Kinderstuhls. »Nicht da, nicht da!« brüllte sie.

      »Aber Liebes, was hast du denn?« Christine kamen vor Mitleid fast die Tränen. »Es muß der Stuhl sein«, sagte sie zu ihrem Mann. Sie klappte ihn auf und nahm die Kleine aus dem Sitz. Sofort versiegten die Tränen, sofort begann Melissa zu lächeln.

      »Es ist heute ihr erster Tag bei uns«, sagte Harald nachsichtig, »aber ab morgen sollten wir konsequent sein, Christine. Wir dürfen ihr nicht jeden Stein aus dem Weg räumen. Auch wenn ihr das Kinderstühlchen nicht gefällt, wird sie sich daran gewöhnen müssen.«

      »Bei mir auf dem Schoß sitzt sie genauso bequem«, erwiderte Christine. »Ich gehe jede Wette ein, es gibt viele Kinder, die keinen eigenen Hochsitz haben.« Sie reichte die Kleine ihrem Mann. »Halte du sie, während ich den Brei koche.«

      Harald setzte sich mit Melissa auf die Eckbank. Die Kleine war jetzt wieder quietschvergnügt, hatte ihre Müdigkeit überwunden. Begeistert machte sie mit, als der Vater mit ihr Hoppe-hoppe-Reiter spielte. Jedesmal, wenn er »Plumps« sagte, kreischte sie vor Lachen.

      »Fertig!« rief Christine. Sie probierte den Brei. »Er schmeckt ausgezeichnet.«

      »Ist er auch nicht zu heiß? Nicht, daß Meli sich den Mund verbrennt.«

      »Gerade richtig.« Christine füllte den Brei in einen Kinderteller und stellte ihn auf den Tisch. Aus dem Eckschrank nahm sie ein Lätzchen, daß sich Melissa ohne Schwierigkeiten umbinden ließ. »So, und nun gib sie mir!« Die junge Frau setzte sich an den Tisch und streckte die Arme nach ihrer kleinen Tochter aus.

      »Umsteigen, Meli!« Harald setzte Melissa


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