Butler Parker 191 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 191 – Kriminalroman - Günter Dönges


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dürften wie immer die Situation fest im Griff haben.« Parkers Gesicht zeigte keinerlei Regung, während er höflich weitersprach. »Mister Fullertons Etablissement ist bekannt dafür, daß man sich hier rund um die Uhr amüsieren kann, Mylady. Man kennt keinerlei zeitliche Einschränkungen. Aus diesem Grund wird es Mylady auch möglich sein, Mister Fullertons Etablissement zu dieser ungewöhnlichen Stunde aufzusuchen.«

      »Sie meinen, man kann hier mitten in der Nacht kommen, Mister Parker?« vergewisserte sie sich ungläubig.

      »So ist es, Mylady. Mister Fullertons Stammgäste ziehen es sogar ausdrücklich vor, solche Besuche erst spät am Abend durchzuführen.«

      »Das klingt nicht schlecht, Mister Parker. Ich denke, ich werde mich durchaus amüsieren, auch wenn man sich hier mitten in einer recht aufsässigen Kolonie befindet! Welcher Art ist das Etablissement Ihres Bekannten?«

      Parker verzichtete darauf, auf Myladys Kommentar bezüglich der schottischen Kolonie einzugehen. Statt dessen erklärte er ihr höflich, in welchem Geschäft Jock Fullerton tätig war.

      »Mister Fullerton führt eine stadtbekannte Travestiebühne, die einen ausgezeichneten Ruf genießt, Mylady. Darüber hinaus pflegen sich in seinem Unternehmen Angehörige des sogenannten horizontalen Gewerbes und Nachrichtenhändler aller Couleur zu treffen. Seinem Etablissement ist ein gewisses Flair nicht abzusprechen.«

      »Travestie, Mister Parker? Sie meinen, es handelt sich um ein Homosexuellen-Lokal?« erkundigte sie sich und sah ihn streng an.

      »Mitnichten, Mylady. Bei der Travestie geht es darum, Frauenfiguren von männlichen Darstellern verkörpern zu lassen. Diese Herren sind ausgezeichnet geschminkt und parodieren bekannte Damen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die Shows des Mister Fullerton zählen zur internationalen Spitze, wie man allgemein zu berichten weiß. Mylady werden sich mit Sicherheit gut unterhalten.«

      »Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben, Mister Parker! Wenn ich mich schon von Ihnen zum Besuch solcher Abartigkeiten überreden lasse, um Ihnen einen Gefallen zu tun, will ich mich wenigstens dabei auch amüsieren.«

      Sie musterte ihn erneut von oben bis unten und fuhr dann nachdenklich fort. »Ich weiß allerdings nicht, ob ein solches Lokal der richtige Ort für Sie ist, Mister Parker!«

      »Mylady haben irgendwelche Bedenken?« erkundigte sich Parker höflich.

      »Nur wegen dieser horizontalen Damen, Mister Parker! Ich hoffe, Sie wissen sich zu beherrschen und halten sich zurück ...«

      *

      »Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Mister Parker!« Jock Fullerton, der in einem nicht sonderlich angesehenen Viertel Edinburghs ein Etablissement betrieb, eilte mit weitausgebreiteten Armen auf den Butler zu. Er war klein, rundlich und wieselflink und erinnerte an den sprichwörtlichen ›Kugelblitz‹. Er drückte Parker temperamentvoll an sich und klopfte ihm wiederholt auf die Schultern.

      Als Lady Agatha sich nachdrücklich räusperte, ließ er von ihm ab und wandte sich ihr zu. »Und Sie sind sicher die sagenhafte Lady, von der er mir soviel erzählt hat!« Fullerton strahlte und eilte auf sie zu, um sie in die Arme zu schließen. Lady Agatha trat vorsichtshalber einen Schritt zur Seite und entging mit knapper Not seinem Ansturm.

      »Zügeln Sie sich etwas, junger Mann!« verlangte die ältere Dame streng, während sie ihn mit eisigem Blick musterte.

      »Mister Fullerton ist das, was man ein Temperamentsbündel zu nennen pflegt, Mylady«, erläuterte Josuah Parker würdevoll. »Er pflegt stets offen und freimütig zu zeigen, wenn ihm jemand sympathisch ist.«

      »Ihre Lady ist einfach großartig, Mister Parker, das muß ich schon sagen.« Er musterte Agatha Simpson wohlwollend von oben bis unten und nickte anerkennend.

      »Der junge Mann hat nicht ganz unrecht, Mister Parker«, überlegte die Detektivin geschmeichelt. »Er scheint über ein gutes Auge und eine ausgezeichnete Menschenkenntnis zu verfügen.«

      »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mylady? Ich weiß natürlich, daß eine Lady nicht trinkt, aber wenn Sie mir die Ehre erweisen würden?«

      »Papperlapapp, mein Lieber, wenn Sie mich ausdrücklich darum bitten ... Tatsächlich verabscheue ich Alkohol, wie Ihnen Mister Parker bestätigen wird, nicht wahr, Mister Parker?«

      »Mylady sind in jeder Hinsicht ein leuchtendes Vorbild und nehmen nur hin und wieder einen Kreislaufbeschleuniger«, bestätigte Parker etwas neutral.

      »Wie wär’s mit ’nem Schlückchen Schampus, Mylady?« erkundigte sich Fullerton leutselig, während er bereits die entsprechende Flasche schwenkte.

      »Dieses Zuckerwasser ist nichts für mich, junger Mann«, beschied sie ihn. »Haben Sie nichts Anständiges da, Rum oder Cognac beispielsweise?«

      »Aber sehr gern, Mylady.« Fullerton verbeugte sich galant und lächelte Agatha Simpson entzückt an. »Ich muß sagen, Sie gefallen mir von Minute zu Minute besser. Frauen wie Sie trifft man ja kaum noch.«

      Mylady musterte den kleinen Mann mehr als nur wohlwollend und brachte es sogar fertig, ein wenig zu erröten. Josuah Parker, der sich diskret im Hintergrund hielt, gestattete sich andeutungsweise eine gelinde Verwunderung.

      Fullerton brachte eine Cognacflasche zum Vorschein und schenkte zwei Schwenker voll. »Auf Ihr Wohl, Mylady«, wünschte er, während er ihr schelmisch zuzwinkerte.

      Parker hüstelte dezent und brachte sich damit wieder in Erinnerung. Lady Agatha fühlte sich gestört und musterte ihren Butler verärgert.

      »Ja, was ist denn, Mister Parker, warum geben Sie dieses lächerliche Geräusch von sich?« verlangte sie zu wissen.

      »Mylady mögen gütigst verzeihen.« Parker verneigte sich andeutungsweise und verwies auf die große Wanduhr, die über Fullertons Schreibtisch hing. »Mylady äußerten den Wunsch, Mister Fullertons wirklich ausgezeichnete Show zu sehen, die in Kürze beginnen dürfte.«

      »Das dürfen Sie nicht versäumen, auf keinen Fall, Mylady.« Fullerton ergriff Lady Agathas Arm und geleitete sie zur Tür, um sie persönlich in den Vorführungsraum zu führen. Neben Myladys junonischer Gestalt wirkte er wie weiland David gegen Goliath.

      *

      Agatha Simpson saß in der Privatloge des Gastgebers und starrte entzückt durch ihr Lorgnon auf die Bühne. Dort wirbelten einige grotesk herausgeputzte ›Damen‹ über die Bretter, warfen ihre üppig behaarten Beine und streckten ihre falschen Busen dem Publikum entgegen. Dazu sangen sie erstaunlich gekonnt Lieder in Keltisch mit zweideutigem Text und warfen ab und zu Kußhände unter die begeistert mitgehenden Zuschauer.

      »Worüber freuen sich die Leute hier so, Mister Parker?« verlangte die Lady zu wissen, während sie keinen Blick von der Bühne wandte.

      »Man genießt offensichtlich die Texte, Mylady, die durchaus als gewagt bezeichnet werden dürfen«, gab Parker würdevoll zurück.

      »Ich verlange eine genaue Übersetzung, Mister Parker, und lassen Sie nichts aus! Ich weiß im voraus, daß ich empört sein werde, aber schonen Sie mich nicht, sagen Sie mir genau, mit welchen Obszönitäten man mein Ohr beleidigt«, verlangte sie energisch zu wissen und beugte sieh erwartungsvoll zu dem Butler hinüber.

      »Lassen Sie nur, Mister Parker, das mache ich schon«, mischte sich Jock Fullerton ein, der rechts von Mylady saß. Er neigte sich zu ihr und begann neckisch in ihr Ohr zu flüstern.

      Mylady sah ihn zunächst erstaunt, dann ungläubig-verzückt an und ließ ein leises Kichern vernehmen, das Parker noch nie bei ihr gehört hatte. Sie legte dem Unterhaltungschef ungeniert ihre schwere Hand auf die Schulter und zog ihn näher zu sich heran, um ja kein Wort zu verpassen.

      Fullerton wiederholte eine besonders schlüpfrige Textpassage, und Mylady prustete wie ein aus dem Wasser tauchendes Nilpferd. Einige Zuschauer sahen zur Loge hinüber und versuchten, den Verursacher des lauten Geräuschs auszumachen.

      »Ich muß schon sagen, Mister Parker, ich bin aufrichtig


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