Butler Parker Classic 45 – Kriminalroman. Günter Dönges
Das nette, naiv wirkende Zimmermädchen trippelte zum Tisch und stellte dort das Tablett ab. Es knickste in einer wirklich reizenden Art und Weise und verließ dann das Zimmer.
Parker könnte eigentlich kommen, sagte sich Mike Rander und griff nach dem Glas. Er schaltete ab, er wollte mit den Amazonen nichts mehr zu tun haben. Zum Teufel mit Brown und dessen Warnungen! Dieser Supergangster hatte andere Sorgen, als sich mit zwei Männern zu befassen, die ihm eine Schlappe zugefügt hatten.
In diesem Moment, als er gerade trinken wollte, klingelte das Telefon.
»Mike Rander«, meldete er sich, nachdem er abgehoben hatte.
»Josuah Parker, Sir«, sagte der Butler am anderen Ende der Leitung, »ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, Sir, daß gerade ein Mordanschlag auf mich verübt wurde!«
»Wieso?«
Nachdem der Butler den Zwischenfall erzählt hatte, schüttelte Mike Rander zweifelnd den Kopf.
»Sind Sie sicher, daß es sich nicht um ein Versehen gehandelt hat«, wollte er dann wissen.
»Absolut sicher, Sir«, entschied der Butler, »daher auch mein Anruf, der Sie hoffentlich nicht gestört hat! Die Henker des ›Herrn der Welt‹ schwärmen aus, wenn ich mich so ausdrücken darf. Mit anderen Worten, Sir, man muß ab sofort mit weiteren, tückischen Mordanschlägen rechnen!«
»Das hat auch Brown eben behauptet«, sagte Mike Rander, dessen Finger mit dem Whiskyglas spielten, »aber bleiben wir doch auf dem Teppich, Parker. Wir werden eben vorsichtig sein. Und heute noch reisen wir ab! Ich warte auf Sie!«
»Ich werde mich beeilen, Sir!«
»Na, dann Prost!« sagte Mike Rander und führte das Glas zum Mund hoch.
»Sir, darf ich zur höchsten Vorsicht raten«, fragte der Butler, »verzeihen Sie meine vielleicht unqualifizierte Einmischung! Aber der ›Herr der Welt‹ wird mit allen Mitteln versuchen, Sie und meine bescheidene Wenigkeit aus dem Weg zu räumen!«
»Schon gut, Parker«, sagte Mike Rander gelangweilt.
»Sie sind gerade im Begriff, einen Drink zu sich zu nehmen, Sir?«
»Na und?«
»Ist Ihnen dieser Drink offen serviert worden?«
»Natürlich. Wie üblich!«
»Von einem Zimmermädchen, Sir?«
»Selbstverständlich! Ich hatte nichts dagegen!«
»Sir, darf ich dringend raten, diesen Drink zu meiden!«
»Sie übertreiben mal wieder, Parker!«
»Sir, ich bin in größter Sorge, dieser Drink könnte vergiftet sein.«
»Sie machen mir Laune, Parker!«
»Sir, darf ich Sie ebenso herzlich wie dringend bitten, diesen Drink zu meiden? Ich werde mir erlauben, in spätestens einer Viertelstunde ins Hotel zu kommen. Falls sich keine weiteren Überraschungen ergeben.«
»Okay, Parker, beeilen Sie sich! Wir wollen weg!«
Mike Rander legte auf und starrte mißtrauisch auf das Whiskyglas in seiner Hand. Er roch, schnüffelte, konnte aber nichts Verdächtiges feststellen. Dennoch hielt er sich an Parkers Rat und stellt das Glas zur Seite.
Dann kam ihm ein Einfall. Er ließ das gefüllte Glas hinter dem tiefen Sessel verschwinden. Er nahm eines der leeren Gläser in die Hand, die noch auf dem Beistelltisch standen und aus dem Brown getrunken hatte.
Dann stöhnte er erfolgreich und gekonnt auf, ließ sich in den tiefen Sessel zurückfallen und schloß die Augen.
Als sich wenige Sekunden später die Zimmertür sehr leise und sehr vorsichtig öffnete, da erst dachte der Anwalt daran, daß er überhaupt keine Waffe bei sich hatte!
*
Josuah Parker mied die breiten Boulevards.
Er hatte verständlicherweise etwas gegen Schüsse aus fahrenden Autos. Er wollte auch nicht unbedingt niedergefahren werden. Rein zufällig natürlich, weil vielleicht eine Bremse versagt hatte oder ein luftleerer Reifen den Wagen hatte schleudern lassen. Nein, Parker hielt sich an die schmalen Straßen, die vom Strand hinauf zum alten Kern der Stadt führten.
Im Gegensatz zu seinem jungen Herrn nahm er den »Herrn der Welt« und die Amazonen keineswegs auf die leichte Schulter. Er wußte, daß er es mit ausgefuchsten und trickreichen Gegnern zu tun hatte. Mit Frauen, die sich wunderbar zu tarnen wußten …
Seine grauen Augen tauchten wachsam und mißtrauisch die wenigen Passanten, die ihm entgegenkamen.
Zwei ältere Damen tauchten aus einer Seitengasse auf. Sie trugen große Stofftaschen. Sie unterhielten sich lebhaft miteinander und schienen den Butler überhaupt nicht zu beachten. Doch war dieses Desinteresse nur gespielt?
Nein, jetzt entdeckten sie den Butler und tuschelten lächelnd miteinander. Sie amüsierten sich wahrscheinlich über seine schwarze Kleidung, die in diesen Breiten nun auch wirklich nicht angebracht war. Parker sah zumindest so aus wie ein leitender Angestellter eines Begräbnisinstituts!
Parkers Augen registrierten zwei Teenager, die hautenge, lange Hosen und leichte Blüschen trugen. Ihr Badezeug befand sich in Basttaschen. Sie trugen Unterwasser-Harpunen mit sich und schienen es eilig zu haben, endlich zum Strand zu kommen.
Parker wußte um die Gefährlichkeit solcher Harpunen. Waren die beiden Teenager harmlos? Warteten sie nur darauf, ihm Pfeile in den Rücken zu jagen?
Sie verschwanden in einer Seitengasse.
Parker holte seine zwiebelförmige Taschenuhr aus der Westentasche seines Anzuges und ließ den Sprungdeckel aufklappen. Auf der Innenseite dieses Sprungdeckels befand sich ein Spezialspiegel, in den er nur hineinzusehen brauchte, um feststellen zu können, was sich hinter seinem Rücken abspielte. Nein, die beiden Teenager blieben verschwunden!
Parker hielt weiter auf das Palm-Beach-Refugium zu, in dem er mit seinem jungen Herrn abgestiegen war. Er sah bereits die oberen Stockwerke des großen Hotels.
Aus einem Patio trat eine einfach gekleidete Frau, die ein kleines, weinendes Kind an der Hand führte. Die Frau mühte sich ab, die Tränen dieses kleinen Mannes zu stoppen. Für Parker hatte sie keinen Blick.
Der Butler schritt an ihr vorüber und wollte schon darauf verzichten, wieder seine Zwiebeluhr hervorzuholen. Doch seine Vorsicht war wieder einmal stärker. Obwohl er es gerade in diesem Fall für sinnlos hielt, warf er dennoch einen schnellen Blick in den Spiegel, um wenigstens sein Gewissen zu beruhigen.
Er war nicht schlecht überrascht, als die mütterliche Frau in ihre Schürzentasche griff und eine Pistole hervorholte, auf deren Mündung ein veritabler Schalldämpfer aufgeschraubt war.
Parker reagierte blitzschnell.
Er warf sich herum, zog gleichzeitig höflich seine schwarze Melone und schickte sie durch eine ruckartige Drehung des Handgelenks als eine Art Diskus durch die Luft.
Der Erfolg war frappierend.
Der Rand der Melone traf das Handgelenk der Frau, deren Kind noch immer weinte.
Polternd landete die Waffe auf dem Boden.
Die Frau kümmerte sich nicht weiter um das weinende Kind, sondern rannte mehr als leichtfüßig auf die schmale Gasse zu, wo sie dann blitzartig verschwand …
*
Mike Rander brauchte nicht lange zu warten.
Knapp zwei Minuten später wurde die Tür zu seinem Apartment wieder geöffnet. Diesmal sehr leise und sehr behutsam.
Das Zimmermädchen kam zurück.
Es blieb ganz kurz an der Tür stehen, schaute zu Mike Rander hinüber, der wie leblos im Sessel lag, schloß dann die Tür hinter sich und trat mit schnellen, entschlossenen Schritten auf den Anwalt zu.
Mike