SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York. Ronald Malfi

SHAMROCK ALLEY - In den Gassen von New York - Ronald  Malfi


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okay«, sagte Kersh schließlich, wandte seinen Blick von John ab und grub in seiner Jacke nach etwas. »Wenn dieser Kerl wieder auftaucht, ruf uns an und halte ihn auf. Du sorgst dafür, dass er hier im Klub bleibt. Wenn du ihn nicht in einer Woche wiedergesehen hast, kommen wir zurück und holen dich. Alles klar?« Aber in seiner Stimme lag nichts Drohendes und Heidi kaufte es ihm auch nicht länger ab.

      Trotzdem nickte sie und nahm die Visitenkarte, die Kersh ihr hinhielt. »Ich rufe an. Ich schwöre, dass ich anrufe. Ich werde einen unserer Jungs von der Security den Typen festhalten lassen, wenn es sein muss. Ihr werdet schon sehen.«

      »Sehr gut«, sagte Kersh. Er lehnte sich über Heidis Schoß und öffnete ihr die Tür. »Dann mal los.«

      »Ich rufe euch an«, wiederholte sie, als sie aus dem Wagen stieg. Sie stolperte einmal über ein Schlagloch, richtete sich wieder auf und ging mitten auf der leeren Straße zurück zum Klub.

      »Kaum zu glauben, oder?«, flüsterte Kersh vom Rücksitz.

      »Ja, ich …« John sagte nichts mehr, drehte sich um und öffnete die Fahrertür.

      »Was ist los?«, rief Kersh und stieg ebenfalls aus. Wie Heidi stolperte er über den bröckelnden Asphalt. »John?«

      John holte Heidi kurz vor der Eingangstür des Klubs ein. »Warte mal.« Sie drehte sich mit einem skeptischen Gesichtsausdruck um. Ihre Handtasche hielt sie wie ein Schild vor ihre Brust. Hinter ihr behielt sie der große Türsteher über verschränkte Arme hinweg im Blick. »Was hast du mit dem Hundert-Dollar-Schein gemacht?«

      »Mit welchem?«

      »Der letzte, den er dir vor drei Tagen gegeben hat.«

      Ihre Augen verengten sich und sie brachte ein Lächeln hervor, das beinahe sympathisch war. Es trug nichts dazu bei, ihre Erscheinung freundlicher zu machen. Aus dem Nichts kam John der Gedanke, warum an einem Ort wie der Black Box so viele Spiegel hingen.

      Heidi griff in ihre Handtasche und kramte darin herum. Sie ging näher an die Lichter über der Tür heran, um in ihrer Tasche etwas sehen zu können. Sie holte ein Bündel Geldscheine hervor, zog einen Hunderter heraus und hielt ihn vor sich hin. »Hier«, sagte sie.

      John fasste ihn an nur einer Ecke mit zwei Fingern an. Er hatte die Scheine lange genug gesehen, um die Merkmale auf der Stelle zu erkennen.

      »Unglaublich.« Sie stieß ein Lachen hervor, aber ihre Augen blieben reglos. »So ein Schwachsinn.« Dann drehte sie sich um und lief langsam zurück in den Klub.

      Der Türsteher nickte in Johns Richtung. »War mir gleich klar, dass ihr zwei Bullen seid«, meinte er beiläufig.

      »Ach so? Wie wäre es dann, wenn du uns unsere dreißig Dollar zurückgibst? Nachdem wir hier so hart arbeiten …«

      Der Türsteher starrte nur wortlos auf ihn herab, die tätowierten Arme regungslos über der breiten Brust verschränkt. Dann, völlig überraschend, lachte er. Zwischen seinen beiden Vorderzähnen wurde eine große Lücke sichtbar. Noch überraschender war, dass der Türsteher ein dickes Bündel Scheine aus seiner Gesäßtasche zog, dreißig Dollar abzählte und sie John hinhielt.

      »Kommt an einem Abend wieder, an dem ihr nicht im Dienst seid«, sagte der Türsteher, »du und dein Partner. Dann geht der Eintritt auf mich.«

      Als John wieder zurück beim Auto war, saß Kersh hinter dem Steuer. Er hatte den Motor laufen lassen. Kershs Kopf war nach vorn gebeugt und befand sich sehr nah am Lenkrad. John kletterte auf den Beifahrersitz, schlug die Tür zu und warf die dreißig Dollar in Kershs Schoß. Der ältere Agent zog eine Augenbraue hoch, als er das Geld einsteckte.

      »Ist das zu glauben?«, fragte John und grinste. »Scheiße!« Er schlug mit einer Hand auf das Armaturenbrett. »Wenn das kein Durchbruch ist, oder? Soll ich fahren?«

      »Willst du jetzt weitermachen? Heute Nacht?«, fragte Kersh.

      »Was, machst du Witze? Auf geht's!«

      Kersh legte den Gang ein und trieb den Wagen durch die schmale Straße voran. Ab und an säumten Straßenlaternen ihren Weg und Linien aus horizontalem Licht rollten über die Motorhaube, die Windschutzscheibe, das Dach.

      »Auf geht's«, sagte Kersh.

      KAPITEL 11

      Die meisten der Männer, die auf dem Abschlepphof der Polizei am Pier 76 arbeiteten, waren alte Kerle kurz vor dem Ruhestand. Sie trugen die üblichen Standard-Uniformen und ihre Pistolen, und in der Regel verhielten sie sich ungenießbar gegenüber allem und jedem, was nicht aus dem Dunstkreis der Ordnungshüter stammte.

      Es war spät in der Nacht, als Kersh seine Limousine entlang des Hudson River Greenway zum Pier 76 steuerte. Während sie das Ufer entlangfuhren, betrachtete John die auf dem Hudson River glitzernden Lichter von Weehawken. Selbst aus dieser Entfernung konnte er die roten und grünen Lichter der Mautstellen des Lincoln Tunnel erkennen. So viele Menschen lebten ihr Leben, ohne sich der Dinge, die in der Welt unter ihnen krochen, bewusst zu sein. Für eine Weile sah er dem Wechselspiel der Lichter der Mautstellen zu. Die Nacht war windig und klar. Durch das einen Spalt geöffnete Beifahrerfenster drangen die strengen und salzigen Gerüche des Flusses ins Auto. Und unterhalb dieser Gerüche, irgendwie verborgen und weniger aufdringlich, lag der Dunst von Diesel und Öl, den die Kreuzfahrtschiffe ausströmten, die an den nördlichen Piers angedockt waren.

      Polizisten haben einen anderen Blick auf die Docks der West Side von Manhattan als die meisten Menschen. Für sie geht es weniger um Boote und Kreuzfahrtschiffe, die in den Hafen ein- und wieder auslaufen und deren Gestank nach verbranntem Treibstoff beständig die Luft durchdringt. Für die Polizisten von New York sind die Docks ein Schatz von Hinweisen für alle möglichen Fälle, vor allem die hoffnungslosen. Die Zahl der Verbrechen, die dank der stadtweit abgeschleppten Autos aufgeklärt werden konnte, war atemberaubend. Doch so oft Fälle auf den Docks gelöst wurden, so oft nahmen sie dort auch ihren Anfang. Die Anzahl der in einem Jahr aus dem Hudson River gezogenen Leichen entsprach ungefähr der Anzahl von Homeruns, die die Yankees in einer Saison warfen.

      Kersh fuhr entlang eines stacheldrahtbewehrten Metallzauns auf das mit einem Wärter besetzte Eingangstor des Abschlepphofs zu. Kurz davor ließ er sein Fernlicht zwei Mal aufblinken. Der Wärter stolzierte zum Auto, beugte sich hinunter und spähte hinein. Kersh klappte seine Dienstmarke auf und der Wärter nickte und winkte sie durch das Tor. Auf der anderen Seite standen zwei grauhaarige Männer in Uniform und sahen zu, wie das Auto vorbeirollte. Der eine hielt die Arme vor der Brust verschränkt, der andere hatte seine Hände in die Hüften gestemmt.

      Hier enden Polizisten, wenn sie alt werden, dachte John und beobachtete die Männer durch sein Fenster. Abgeschleppt aus der Realität der Straßen und der Stadt zu dieser Verwahranstalt für Autos und Polizisten.

      Für einen wahnsinnigen Moment dachte er an seinen Vater.

      Der Platz war voll mit Autos aller möglicher Größen, Formen, Marken und Farben. Einige sahen im Mondschein neu und glänzend aus; andere schienen ebenso brüchig und glanzlos wie Knochen, überzogen mit einer Kruste aus Schmutz, Schmiere und Meersalz. Geradeaus und ein paar Schritte nach rechts stand das Bürogebäude des Abschlepphofs im Dunkeln wie vor einem schwarzen Vorhang. Warme gelbe Lichter ließen den Empfangsbereich im Inneren vergleichsweise einladend wirken. Kersh stellte den Motor ab, beide stiegen aus.

      In der Nähe des Flusses war es kalt. Aus westlicher Richtung konnte John hören, wie das Wasser beruhigend gegen die Hafenpfähle schlug, während aus dem Osten immer noch der gedämpfte Lärm der Stadt herüberschwappte. Er zog den Reißverschluss seiner Lederjacke auf und folgte Kersh ins Büro, der soeben mit leichter Altstimme Beethovens »Ode an die Freude« zu summen begann.

      Im Gegensatz zur Nachtluft war das Innere des Büros erstickend warm. Ein großer, hagerer Gentleman in einem Baumwollhemd stand hinter einem langen Schreibtisch. Darauf stand ein Namensschild, auf dem Kroger zu lesen war. Kroger – wenn dieser Typ tatsächlich Kroger war – blickte auf, als sie das Büro betraten, aber sein


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