Unterwegs mit dir. Sharon Garlough Brown

Unterwegs mit dir - Sharon Garlough Brown


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Bekehrung erlebt hatten, fühlte sie sich unwohl. Wovon was hätte sie sich denn auch bekehren sollen? Sie war immer ein braves Kind und eine vorbild­liche Schülerin gewesen. Natürlich glaubte sie, dass Jesus am Kreuz gestorben war, um die Menschen von ihren Sünden zu erlösen, und sie bat auch um Vergebung, wenn sie einen Fehler machte. Aber sie passte nicht in die Kategorie der „wiedergeborenen“ Christen. Wenn Menschen sich selbst als „Sünder“ bezeichneten und Christus als ihren „persön­lichen Retter“, zuckte sie zusammen.

      Helfer. Dieses Bild müsste genügen. Sie schrieb ein paar Absätze über Psalm 46, in dem Gott als ein sehr präsenter Helfer in Not beschrieben wird. Als John eintraf, hatte sie ihre Aufgabe gerade beendet.

      „Danke, auch für das Mittagessen“, sagte sie, als sie auf der Beifahrerseite einstieg. „Was würde ich nur ohne dich tun?“

      Er grinste. „Verhungern.“

      Sie wuschelte ihm durch die Haare. „Wie war das Footballspiel?“

      „Dein Schatz hat mit einem Touchdown gepunktet und das Spiel gewonnen.“

      „Du hättest Profisportler werden sollen, John.“

      „Allerdings. Dann hätten wir jetzt zumindest zwei Autos.“

      Charissa lachte.

      „Und bei dir, Riss? Wie war der Kurs?“ John behielt eine Hand am Lenkrad und streichelte mit der anderen über ihre Haare.

      „Ganz anders, als ich erwartet hatte.“

      „Oooh … Das klingt nicht gut. War es eine besondere Art von Bibelstunde, oder was?“

      „Nein, definitiv keine Bibelstunde“, erwiderte sie, und ihr Tonfall verriet ihre Irritation deutlich. „Die Leiterin begann mit einer Art Meditationsübung. Sie las den Text vor, wie Jesus die Jünger beruft, und forderte uns auf, uns vorzustellen, wir wären dabei. Was sehen wir? Was fühlen wir? Was hören wir? Es war alles sehr subjektiv. Ich schätze, wir sollten den Text auf eine ganz neue Art erleben. Aber ich habe diesen Abschnitt schon so oft gelesen, dass ich nichts Neues erkennen konnte. Dann verteilte sie ein Arbeitsblatt über so ein Labyrinth. Das ist wie ein großer Irrgarten, draußen im Hof des Zentrums auf dem Boden aufgemalt, und man läuft die Wege entlang, während man betet. Ich fand das ehrlich gesagt ziemlich esoterisch angehaucht. Und es gibt keinen Stu­dienplan und keine Leseliste“, schnaubte Charissa.

      „Das ist schon ein wenig seltsam, nicht?“

      „Finde ich auf jeden Fall. Wo gibt es das denn, dass kein Stu­dienplan verteilt wird? Ich verstehe das nicht.“

      „Was genau sollt ihr denn lernen?“

      „Keine Ahnung.“ Charissa wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. „Sie sagte nur, sie wolle nicht, dass wir uns selbst vorauseilen. Und dann gab sie uns eine Aufgabe. Wir sollen über unsere Bilder von Gott nachdenken. Ich habe das erledigt, während ich auf dich gewartet habe. Allerdings bin ich nicht sicher, ob ich überhaupt noch mal hingehe. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, was ich tun soll. Dr. Allen hat so eine hohe Meinung von ihr, und er war davon überzeugt, dass mir dieser Kurs etwas bringt. Aber ich sehe nicht, was das sein könnte.“

      

      In dieser Nacht schlief Charissa nicht gut. Während sie wach im Bett lag und Johns gleichmäßigem Atmen lauschte, versuchte sie sich an den unangenehmen Traum zu erinnern, der sie aufgeweckt hatte.

      Da war eine Dachkammer mit Kisten voller Bücher gewesen, und sie lag auf den Knien und packte diese Kisten aus. Sie wusste, wenn sie alle Kisten ausgepackt hatte, könnte sie eine wundervolle Bibliothek zusammenstellen. Sehr sorgfältig katalogisierte sie die Bücher, ordnete sie alphabetisch und füllte ein Regal nach dem anderen. Aber immer, wenn sie dachte, die letzte Kiste wäre nun ausgepackt, tauchten weitere auf. Während sie noch dabei war, alle Bücher unterzubringen, klopfte es an der Tür. Sie arbeitete weiter, ohne die Tür zu öffnen, fest entschlossen, ihr Projekt zu Ende zu bringen. Doch das Klopfen hörte nicht auf und wurde immer ­lauter.

      „Herein!“, rief sie schließlich ungeduldig. Aber es kam niemand herein, trotzdem klopfte es weiter. „Was ist denn?“, rief sie. „Ich habe doch ‚Herein‘ gesagt!“ Die Tür ging nicht auf, und erst da fiel ihr auf, dass sie verriegelt war.

      Charissa war aus dem Schlaf hochgeschreckt, und das Klopfen hallte noch in ihrem Kopf nach. Zuerst dachte sie, es sei vielleicht tatsächlich jemand an der Tür, und sie lauschte aufmerksam. Aber da war nur das gleichmäßige Ticken der Wanduhr, das die end­losen Minuten der Schlaflosigkeit herunterzählte.

      Charissa hatte die Absicht gehabt, sich nach dem Seminar am Montag davonzustehlen, bevor Dr. Allen ihr irgendwelche Fragen stellen konnte. Doch als sie ihre Sachen zusammenpackte, fing er sie ab. „Charissa, bleiben Sie doch bitte noch kurz“, sagte er, den Studenten unterbrechend, der eine Frage an ihn hatte.

      Sie atmete tief durch und wartete darauf, dass er sein Gespräch beendete.

      „Begleiten Sie mich doch ein Stück“, sagte er, während er seine Aktentasche nahm. „Ich würde gern etwas über die geist­liche Reisegruppe hören.“

      Sie verbarg ihre Irritation hinter einem aufgesetzten Lächeln. „Na ja, es war nicht ganz das, was ich erwartet hatte …“

      „Nur weiter.“ Er würde sie nicht vom Haken lassen.

      „Ich bin davon ausgegangen, dass es ein richtiger Kurs über geist­liche Übungen und Gebetspraktiken wäre. Das stand zumindest auf dem Flyer. Ich hatte einen Vortrag mit anschließender Diskussion erwartet, doch stattdessen war das Ganze ziemlich … experimentell. Kein Studienplan, keine Leseliste. Keine Anhaltspunkte, was eigentlich das Ziel dieses Kurses ist. Ganz und gar nicht das, was ich erwartet habe.“

      „Ich verstehe.“

      Sie hatte das beklemmende Gefühl, dass das tatsächlich so war. Dr. Allen besaß geradezu übermensch­liche Fähigkeiten in der Analyse, und plötzlich schien sie das Objekt seiner Studien zu sein. Charissa war daran gewöhnt, dass die Leute nur das sahen, was sie ihnen zu sehen gestattete, und jetzt erkannte ihr Professor offensichtlich Dinge, die sogar ihr selbst verborgen waren. Das gefiel ihr nicht.

      „Vergessen Sie nicht, Charissa: Die Dinge, die uns ärgern oder enttäuschen, offenbaren oft mehr über uns als alles andere. Lernen Sie, bei dem zu verweilen, was Sie provoziert oder abstößt. Sie könnten feststellen, dass der Geist Gottes genau dort am Werk ist.“

      Sie waren bei seinem Büro angekommen, und er wandte sich ihr zu. „Zum Lernen gehört mehr als ein Studienplan und eine klare Zielsetzung“, fuhr er fort. „Eigentlich ist es so, dass ein Plan dem wirk­lichen Lernen manchmal sogar im Weg steht, vor allem, wenn es das höchste Ziel eines Studenten ist, den Lehrstoff zu beherrschen.“ Er zögerte, musterte sie sorgfältig. „Sie sind eine ausgezeichnete Studentin, Charissa. Sie sind gewissenhaft, effi­zient und erledigen alles perfekt, was Sie anfangen. Aber unter dem Offensicht­lichen gibt es mehr zu entdecken.“ Obwohl sein Kompliment eher wie ein Vorwurf klang, war Charissa entschlossen, keine Reaktion zu zeigen. „Kommen Sie doch kurz rein.“

      Sie folgte ihm in sein Büro. Er legte seine Aktentasche ab, nahm ein Foto von seinem Schreibtisch und hielt es ihr hin. „Sie wissen ja, dass ich leidenschaftlich gern segele“, sagte er.

      Charissa betrachtete das Foto von Dr. Allen und einigen Freunden auf einem Segelboot. Jemand hatte gerade in dem Augenblick auf den Auslöser gedrückt, als das Segel gebläht war. Seine grauen Haare wehten im Wind, sein Gesicht leuchtete vor Begeisterung.

      „Sind Sie schon mal gesegelt?“, fragte er.

      „Ja, einmal mit meinem Vater, als ich klein war. Ich erinnere mich nur daran, dass das Boot sanft auf dem Wasser geschaukelt hat. Wir warteten darauf, dass Wind aufkam. Mein Papa war ziemlich frustriert, und ich glaube, danach ist er nicht mehr segeln gegangen. Er hat ein Motorboot gekauft.“

      Dr. Allen lachte. „Genau. Segeln ist nicht effizient. Darum nutze ich es als Bild für mein eigenes geist­liches Wachstum und meine Übungen.“ Er hielt inne.


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