MargeritenEngel. Karo Stein
packen wir den Rest aus. Ich schaue auf die Uhr. Eigentlich ist es noch zu früh zum Kochen, aber ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Außerdem hoffe ich, dass ich Rik damit aus der Küche vertreibe. Seine Gegenwart macht mich seltsam nervös. Ich nehme ein Schneidebrett aus dem Schubfach und das scharfe Messer.
»Fängst du schon an, zu kochen?« Rik sieht mich interessiert an.
Ich nicke und schnappe mir das Gemüse.
»Soll ich dir helfen?«
»Kevin wartet auf dich. Ihr wolltet euch doch was angucken«, erwidere ich tonlos. Ich würde lieber allein kochen. Vor allem möchte ich nicht, dass Kevin schlechte Laune bekommt. Es ist ja in erster Linie sein Besuch, nicht meiner.
»Das können wir später auch noch. Ich koche gern und ich bin ein hervorragender Karottenschäler. Der Beste, den du dir vorstellen kannst«, brüstet er sich und wedelt mit dem Beutel Möhren vor meiner Nase herum. Sein Gesichtausdruck bringt mich zum Lachen.
»Hey, lachst du mich etwa aus? Du hast dich von meinen Fähigkeiten ja noch gar nicht überzeugt!«, brummt er und klingt beleidigt.
»Sorry«, murmle ich unsicher und verstumme augenblicklich.
»Sorry? Das war nur Spaß. Her mit dem Schäler, damit ich es dir beweisen kann.« Rik stößt mich in die Seite. Er lächelt, seine Augen blitzen. Ich grinse ihn an und reiche ihm das gewünschte Utensil.
»Na, dann überzeug mich mal, weltbester Karottenschäler«, erwidere ich belustigt.
»Du legst die Latte aber hoch. Von weltbester war nicht die Rede.« Er seufzt theatralisch und nimmt die erste Mohrrübe.
Rik schält, ich schneide die Paprika klein. Ich weiß nicht, wieso, aber er verbreitet eine angenehme Stimmung. Trotzdem gleiten meine Gedanken immer wieder zu Kevin, dem das bestimmt nicht gefällt.
»Wie lange seid ihr zusammen?«
»Ein Jahr… mehr oder weniger«, antworte ich knapp.
»Der Kevin… Wer hätte das gedacht, dass er es mal so lange mit nur einem Mann aushält.«
»Man muss eben nur den Richtigen finden.« Ich fühle mich unbehaglich, denn Rik starrt mich unverhohlen an.
»Wahrscheinlich hast du recht. Das wird es wohl sein. Ich freue mich für ihn.«
»Wie lange habt ihr euch nicht mehr gesehen?«, frage ich, während ich die große Pfanne aus dem Schrank hole.
»Keine Ahnung. Ist eine Ewigkeit her. Nachdem er mit David zusammengekommen ist, haben wir uns aus den Augen verloren.«
Der Klang seiner Stimme macht mich stutzig. Ich schaue ihn an, aber Rik scheint sich voll und ganz auf die Möhren zu konzentrieren. Ich würde gern nachfragen, aber wir kennen uns nicht. Vermutlich geht es mich auch nichts an. Im Übrigen ist der Gedanke an David auch für mich nicht besonders angenehm.
»Vor mir war er mit David zusammen«, flüstere ich.
»Hm«, sagt Rik tonlos. »Kevin hat mich vor ein paar Wochen auf den blauen Seiten angeschrieben. Es war Zufall. Ich hatte erst kurz vorher meinen Account wieder aktiviert. Eigentlich eher aus Spaß. Na ja, ich habe halt ein paar Leute gesucht. Ist immer doof, wenn man in eine fremde Stadt zieht und niemanden kennt.« Er grinst mich schief an.
»Was machst du denn hier?«, frage ich und hoffe, dass ich nicht zu neugierig bin. Ich hole das Fleisch wieder aus dem Kühlschrank. Das brate ich zuerst an, aber vorher muss ich es in kleine Stücke schneiden.
»Und, was sagst du zu meiner Möhre?«, fragt er und wedelt mit einer besonders großen und dicken Mohrrübe vor meiner Nase herum. Ich schlucke heftig und spüre, wie ich rot anlaufe.
»Super… Hast den Titel verdient«, entgegne ich. Mein Mund fühlt sich ganz trocken an. Ich hoffe, er hat nicht bemerkt, dass mein Kopfkino eine ganz andere Assoziation heraufbeschworen hat. Lachend fängt er an, die Möhre in Scheiben zu schneiden.
Das letzte Mal habe ich mit meiner Oma zusammen gekocht. Das habe ich immer geliebt. Sie hat mir viele Tricks beigebracht und vor allem immer ein offenes Ohr für meine Probleme gehabt. Kevin und ich haben es auch einmal probiert, aber das ist in einem Desaster geendet.
Mit Rik macht es bis jetzt Spaß, jedenfalls ist es weniger anstrengend, als ich vermutet habe. Allmählich entspanne ich mich sogar. Rik ist lustig und sehr unterhaltsam. Allerdings hat er auf die Frage nach seinem Job nicht geantwortet. Vielleicht war ich doch zu neugierig.
»Bäh… Sahne-Ersatz. Wer kauft denn so was und glaubt, seiner Figur damit was Gutes zu tun?«, ruft Rik mit dem Kopf im Kühlschrank.
»Kevin«, murmle ich.
»Habe ich da gerade meinen Namen gehört?« Kevin kommt zu uns in die Küche. Er zieht hörbar die Luft ein, legt die Arme von hinten auf unsere Schultern und schaut zwischen uns hindurch auf den Herd. »Das riecht ja echt lecker. Ihr seid anscheinend ein spitzenmäßiges Kochteam«, lobt er uns und schließt genießerisch die Augen.
Noch ehe Rik oder ich etwas darauf erwidern können, schlingt Kevin seine Arme fest um meine Hüften und hebt mich ein Stück vom Boden. Ohne Vorwarnung pressen sich seine Lippen hart auf meine, seine Zunge kreist in meinem Mund. Ich würde ihn am liebsten von mir schieben, aber ich kann mich einfach nicht gegen ihn wehren. Trotzdem ist es mir peinlich, dass er vor Rik so eine Show abzieht. Ich öffne meine Augen einen Spalt breit und sehe, wie er sich scheinbar ungerührt um das Essen kümmert.
Kevins Zunge macht mich verrückt. Willenlos gehe ich auf sein heißes Spiel ein, das nicht ohne Folgen bleibt. Schon allein der Gedanke, dass sein Schwanz so dicht an meinem ist… Das Gefühl, wie er sich an mir reibt, wie seine Arme mich halten, lässt mich vergessen, dass wir nicht allein in der Küche sind.
Erst Riks Räuspern bringt mich zurück in die Realität. »Ich will euch echt nicht stören, aber der Reis... wir sollten langsam den Reis kochen.«
Kevin löst den Kuss und stellt mich wieder auf den Boden. Meine Wangen brennen vor Scham.
»Dann will ich euch mal nicht weiter stören – beim Kochen«, sagt Kevin lachend.
»Essen wir im Wohnzimmer oder quetschen wir uns zu dritt hierhin?« Ich sehe Kevin fragend an und deute auf unseren Essplatz.
»Ich sitze gern in der Küche«, mischt sich Rik ein, »Das ist gemütlich. Außerdem habt ihr hier einen wirklich schönen Platz zum Essen. So etwas fehlt mir in meiner Küche.«
»Vergiss es, wir essen im Wohnzimmer«, brummt Kevin.
»Deckst du den Tisch?«
»Aber klar. Wenn ihr beiden kocht, kann ich wenigstens den Tisch decken.«
Ich bin nicht sicher, ob nur mir der Sarkasmus in seiner Stimme auffällt. Seufzend hole ich den Reistopf und fülle Wasser hinein.
»Du bist immer noch der gleiche Pascha wie früher«, meint Rik grinsend. »Daran hat sich anscheinend nichts geändert.«
Hellhörig sehe ich von einem zum anderen. Sie tauschen einen Blick aus, den ich nicht deuten kann, dann geht Kevin zur Besteckschublade. Wenige Augenblicke später verschwindet er Richtung Wohnzimmer.
Ich würde am liebsten nachfragen, aber ich traue mich nicht. Die merkwürdige Vertrautheit der beiden versetzt mir einen Stich. Vielleicht sucht Rik etwas ganz anderes als einen Freund.
Ich sehe Gespenster. Die beiden passen gar nicht zusammen. Kevin würde niemals passiv sein und Rik sieht auch nicht so aus. Obwohl... wer hätte nicht gern Sex mit Kevin? Er ist nun mal der perfekte Mann mit dem perfekten Schwanz.
»Ich will nichts von ihm«, sagt Rik leise neben mir.
»Was?«
»Ich sagte, ich interessiere mich nicht für Kevin. Wir sind nicht kompatibel. Waren wir noch nie.«
»Wie kommst du denn da drauf?«, frage ich verunsichert.