Play with me 7: Déjà-vu. Julia Will
Und dass das irgendwann nicht mehr so war, dafür kannst du ja nichts. Hat halt nicht sollen sein.«
»Ich weiß. Ich weiß das, aber mein Vater -«, fängt er an, jetzt auf einmal ziemlich aufgewühlt, und ich greife automatisch nach seinem Arm und drücke ihn kurz, als er nicht weiterspricht. Er sieht irgendwie ... Total unglücklich und sogar ein bisschen verzweifelt aus. So kenne ich ihn gar nicht.
»Was ist mit dem?« Sein Blick flackert und ich sehe ihm an, dass er es bereut, überhaupt etwas davon gesagt zu haben, aber dann redet er doch weiter.
»Mein Vater hat gesagt, ich kann froh sein, eine wie sie zu haben, und dass er es unverantwortlich findet, dass ich nicht versucht habe, sie zurückzugewinnen. Weil ja alles so gut passt und die Familie ist ja so begeistert und was mir einfällt, das jetzt kaputt zu machen.«
»Hä? Was soll das denn? Am Ende lässt man sich doch irgendwann scheiden, und dann hat auch keiner was davon.«
»Ich weiß.«
»Dein Vater ist komisch.«
»Ich weiß.« Das letzte kommt mit einem resignierten Flüstern und einem tiefen Seufzen, so dass meine Finger automatisch sanft über seinen Arm streicheln.
»Aber hey, ist jetzt doch eh egal. Ihr seid nicht mehr zusammen und es war ihre Entscheidung, nicht deine.«
»Ja.«
»Nichts jaaa, ist so. Ist Alexander deshalb ausgezogen? Weil er schwul ist und nicht wollte, dass euer Vater es rausfindet?«
»Nein. Er ist wegen seiner Arbeit ausgezogen. Aber wahrscheinlich hat er sich nicht umsonst einen Job so weit weg von uns gesucht.«
»Hm, klingt logisch. Aber gleich sooo weit ... Das war für dich doch bestimmt auch ein harter Schlag, dass er so weit weggezogen ist.«
»Sicher, aber glaub mir, bei meiner Familie kann der Abstand nicht groß genug sein, wenn man etwas verheimlichen will«, seufzt er, sieht dann runter auf meine Finger, die immer noch auf seinem Unterarm liegen, als wäre ihm das eben erst aufgefallen.
Zu meinem Erstaunen entzieht er sich mir nicht.
»Aber ist auch egal. Erstmal spielt das sowieso keine Rolle.«
»Ja gut, so kurz nach der Trennung will man eigentlich eh erst mal seine Ruhe haben.«
»... Ja.« Warum hat er jetzt gezögert? Na egal, wir sollten eh weg von dem deprimierenden Thema. Vor allem, weil es schon irgendwie ironisch ist, dass Hannah, die unter der Trennung wesentlich mehr gelitten hat als er, schon wieder eine neue Beziehung hat.
»Ja gut. Aber um wieder auf das ursprüngliche Thema zurück zu kommen«, fange ich an und lache, als er gespielt genervt die Augen verdreht. Gespielt deshalb, weil er dabei selbst ganz leicht lächelt. »Wie hast du denn gemerkt, dass du Typen scharf findest?«, frage ich, weil mich das alles einfach echt interessiert! Ich hatte Leon immer für hundert Prozent hetero gehalten. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er sich auch nur im Entferntesten für Männer interessieren könnte.
Bis zum Stadtfest halt. Das am See beim Zelten zählt nicht. Kurz überlegt er wohl, will dann anfangen zu erzählen, wird aber unterbrochen, als unsere Getränke kommen. Wir bedanken uns artig, dann nicke ich ihm auffordernd zu. Los jetzt!
»Das ist eigentlich recht simpel. Angefangen hat es damit, dass ich versehentlich einen falsch getagten Schwulenporno gestartet habe. Und wehe du lachst jetzt. Es war wirklich ein Versehen.«
Oooh, mein Gesicht! Ich spüre, dass es Dinge tut!
»Oh Gott ... Das ist ein bisschen lustig. Lass mich lachen, das ist echt witzig und ich sag dir gleich warum!« Er mustert mich kurz, sieht nicht überzeugt aus, redet aber dann doch weiter.
»Jedenfalls habe ich es eben erst gemerkt als ich ihn angesehen und mich gewundert habe, wo denn die Frauen bleiben. Erst als die Typen angefangen haben sich auszuziehen, ist mir aufgegangen, dass in dem Film wohl keine Frauen mehr kommen werden, aber ...«
»Da warst du schon geil und wolltest nicht mehr ausmachen?«
»So in etwa.«
»Hmhm ...« Ich kichere erneut. »Und das ist echt witzig, weil´s mir nämlich fast genauso ging! Also nicht exakt. Ich wollte mir mit Kumpels nen Porno reinziehen und einer von den Jungs hatte sich nen Scherz erlaubt. Er hat absichtlich nen Schwulenporno rausgesucht, keine Ahnung warum, aber er fand es halt witzig. Jedenfalls, wir schalten ein, die Typen fangen an zu vögeln und während die anderen sich fünf Minuten lang erst aufgeregt und dann mit ihm zusammen lustig gemacht haben, hatte ich nen Ständer und den Schock meines Lebens. Allerdings war ich da um die Vierzehn. Gott, ich hab Blut und Wasser geschwitzt weil ich so Panik hatte, dass von den anderen jemand was merkt!« Ich erinnere mich da einfach noch so gut daran, wie das damals war. Direkt im Anschluss bin ich zu Hannah und hab ihr das voll panisch erzählt, aber sie hat so cool reagiert, dass es besser gar nicht ging. Hannah. Die Schwester, die ich nie hatte.
»Okay, das ist tatsächlich ein bisschen lustig«, gesteht Leon mir dann zu und holt mich zurück aus meinen Gedanken. Ich grinse breit und nicke.
»Sage ich doch. Und weiter?«
»Was weiter?«
»Was hast du dann gemacht?«, will ich wissen und blinzle ihn neugierig an.
»Nichts?« Sein Blick ist irritiert, fast ein bisschen verständnislos.
»Wie, nichts?«
»Na, was soll ich denn gemacht haben?«
»Keine Ahnung? Rumexperimentieren?«
»Inwiefern?« Sein Gesichtsausdruck wird immer verwirrter und ich seufze theatralisch. Der soll sich nicht so anstellen, der weiß doch genau was ich meine.
»Na ... Hast du dich … zum Beispiel schon mal gefingert, beim Masturbieren?«, frage ich, achte extra darauf, dass das auch wirklich niemand hört! Dennoch stelle ich Sekunden später amüsiert fest, wie seine Wangen einen sehr gesund aussehenden Rotton annehmen. Ach Gottchen.
»Nein. Also ...« Beschämt sieht er zur Seite, beugt sich noch etwas näher, bis seine Nasenspitze fast meine Wange berührt und mir einen angenehmen Schauer über den Rücken jagt. Das ist echt so schlimm, wie heftig ich auf ihn reagiere. »Ich habe es getestet. Und dann festgestellt, dass es sehr merkwürdig ist.«
»Hm, ja, okay, das kann ich mir vorstellen. Wenn man´s selbst macht, ist das nicht wirklich aufschlussreich, weil da auch einfach keine Stimmung aufkommt.«
»Na ja, also ... Generell bin ich ... Also, ich finde es nicht … Ahm ...«, stammelt er vor sich hin und erst als sein Gesicht noch einen Ton dunkler wird, geht mir auf, was er mir gerade sagen will. Der Geburtstag von Hannahs Vater. Er mochte es. Und er weiß es noch! Oh Fuck, ich ... Mein Kopfkino! Stopp, ich muss aufhören!
»Also hast du es schon versucht. Mit jemand anderem«, stelle ich so sachlich und neutral wie möglich fest, zwinge mein Gesicht nur ein verdammtes Mal in meinem Leben nichts zu tun, ihm nicht zu verraten -
»Du wusstest das schon.«
»Was?!«, quieke ich ertappt und will eigentlich alles abstreiten, aber - ohhh, ich glaube, das lass ich lieber, so finster, wie er mich gerade ansieht! Das eben war keine Frage, sondern eine Feststellung. Verdammter Mist, mein Gesicht ist ein mieser Verräter! Jetzt atmet er gepresst aus und ich gehe lieber ein bisschen auf Abstand, für den Fall, dass er gleich seinen heißen Tee nach mir wirft.
»Sag mal, was teilt ihr zwei eigentlich nicht miteinander«, zischt er angefressen und mein Mund ist natürlich nicht besser als mein Gesicht und plappert drauf los, bevor ich mir eine passende Antwort überlegen konnte:
»Meinen Penis!« Zum Glück sind Blicke allein nicht tödlich!
»Nicht. Witzig. Und jetzt hör sofort auf zu lachen oder ich stehe auf und gehe!«
Das wirkt. Augenblicklich bekomme ich mich wieder unter Kontrolle, räuspere mich ein paar Mal und sehe ihn dann entschuldigend