Gefangen. Sira Rabe

Gefangen - Sira Rabe


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Beinlinge wie die sparsame Ausführung einer Pluderhose.

      Fremd und ausdrucksvoll blickten Delias Augen zwischen den kräftig getuschten Wimpern über den schmalen Schleier hinweg, der mit Perlenketten in ihren Haaren befestigt war, über Nase und Mund bis zum Kinn herabhing. Ihre dunkelrot geschminkten Lippen zeigten durch ihn hindurch ein erstauntes und sinnliches Lächeln.

      Mehrreihige Perlenketten um ihren Hals, um Hand- und Fußgelenke, verstärkten den Eindruck, einer herausgeputzten Sklavin gegenüberzustehen, vielleicht der Lieblingsfrau eines Sultans. Nicht umsonst sollte sie das Motto des Hauses verkörpern und als Sklavin angeboten werden. Die kleinen, an den Ketten befestigten Strasssteine und anderer Tand klimperten bei jeder Bewegung.

      Das Einzige, was Delia an ihrer spärlichen Bekleidung störte, war die äußerst knappe Büstenhebe aus derselben lindgrünen Spitze wie der Slip, die ihre Brustwarzen keineswegs bedeckte, sondern eher noch betonte. Irritiert stellte sie fest, dass diese erwartungsvoll hervorstanden.

      Mona ließ ihr keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Für sie war alles vorläufig normal. Aufmerksam hatte sie Delias Reaktion verfolgt und war zufrieden, dass sie sich ganz offensichtlich selbst gefiel.

      Es klopfte, und ohne ein «Herein» abzuwarten trat Max ein. Er gab Delia ein Zeichen, sich vor ihm zu drehen, und sie folgte lächelnd seiner Aufforderung. Er nickte zufrieden.

      «Gut schaust du aus! Kommt, lasst uns ins Büro gehen und alles Weitere besprechen.»

      Auf dem kleinen Besprechungstisch standen ein paar Gläser und eine gekühlte Flasche Prosecco bereit. Max schenkte ein und reichte erst Delia, dann Mona ein Glas und stieß mit ihnen an.

      «Einen guten Einstand und auf unsere künftige Zusammenarbeit!»

      Delia nickte. Sie musste den Schleier heben, um zu trinken, und fand die gesamte Prozedur ein wenig übertrieben, denn sie war fest entschlossen, diese Sache nur ein einziges Mal zu machen, sagte aber nichts dazu. Max jedoch wollte nichts unversucht lassen, Delia den Aufenthalt so angenehm und interessant wie möglich zu gestalten. Wenn sie bei Antritt ihrer Arbeit einen kleinen Schwips hätte, wäre dies sicherlich mehr nützlich als hinderlich.

      Der Sekt entspannte Delia tatsächlich bald. Mona und Max erzählten ihr währenddessen ein wenig über die Räumlichkeiten und die Kundschaft ihres Etablissements. Außer dem Empfang befanden sich im Erdgeschoss eine Bar und eine Lounge mit gemütlichen Sitzecken, wo die Kunden sich mit den Damen verabredeten, ersten Kontakt aufnahmen, sich unterhielten und tranken, meistens teuren Champagner. Bei der Lounge befand sich auch eine kleine Bühne, auf der Tänzerinnen kleine Showeinlagen oder Striptease zeigten oder für die Gäste ab und an Karaoke veranstaltet wurde.

      Das Podest, auf dem Delia stehen sollte, befand sich dagegen auf der gegenüberliegenden Seite des Foyers im Bereich der Bar. Es maß ungefähr eineinhalb Meter im Durchmesser, war gut dreißig Zentimeter hoch. Offensichtlich war es eine feste Installation, denn zwei Stangen, an denen sich in unterschiedlicher Höhe metallene Ösen befanden, reichten vom Podest bis zur Decke.

      Eine Trennwand mit vielen Durchbrüchen grenzte den Barraum vom übrigen Foyer ab. Die Beleuchtung war gedämpfter als im übrigen Raum, nur das Podest war mit mehreren Strahlern in Szene gesetzt. Ansonsten befand sich im Erdgeschoss nur noch der Raum der Security-Leute und Max’ Manager-Büro.

      Treppen und ein Aufzug führten zu den anderen Etagen. Die meisten der Zimmer waren an die Prostituierten vermietet. Sie zahlten Max Koos einen festen Tagessatz. Dafür wurden die Zimmer täglich gereinigt, Bettlaken und Handtücher zur Verfügung gestellt. In drei Schichten arbeiteten jeweils ein Koch und ein Hausmeister und sorgten dafür, dass alles am Laufen blieb und die Damen sich wohl fühlten. Den Preis für ihre Dienste handelten sie selbstständig mit dem Kunden aus und rechneten direkt mit ihm ab. Koos verdiente an der Zimmervermietung und am Eintrittspreis, den die Kunden entrichten mussten und in dem lediglich ein Aperitif enthalten war. So verhinderte er ein unnötiges Kommen und Gehen nicht wirklich interessierter oder nicht ausreichend betuchter Männer.

      Anfangs hatte Koos viel Geld in die Einrichtung investiert, was sich längst ausgezahlt hatte. Außer den normalen Zimmern, die mit einem großen Bett, Tisch, Stuhl, eventuell einer Kommode oder Deckenspiegeln ausgestattet waren, gab es auch einige exklusivere Räume, die, dem Namen des Edelbordells gerecht werdend, im orientalischen Stil eingerichtet waren. Ein in Zimmermitte stehendes Bett mit Baldachin, bunte Perserteppiche und schwere Vorhänge, Kissen aus orientalischen Stoffen, dazu passende Leuchter in Eisenoptik, vergoldete oder marmorierte Säulen, in großen Ornamenten tapezierte oder mit Illusionsmalerei geschmückte Wände ließen exotische Träume wahr werden. Darüber hinaus befanden sich im Haus noch ein paar Extras wie Whirlpoolzimmer, Massageräume und im Souterrain mehrere Zimmer mit Spezialausstattung, auch ein Dominastudio für Männer mit devoten, masochistischen Wünschen.

      Im fünften Stock gab es eine Sauna und einen Aufenthaltsraum mit angeschlossener Küche, der nur den Damen zugänglich war. Schade, dachte Delia, dort werde ich mich wohl niemals entspannen.

      Die Gnadenfrist war abgelaufen, die Gläser geleert und sie hatten genug geplaudert, um Delia einen Eindruck vom Haus zu vermitteln. Max nickte Mona unmerklich zu. Sie erhob sich und bat Delia freundlich, aufzustehen und ihr zu folgen.

      Zwei Stunden lang stand Delia nun schon im Foyer, die Arme locker zur Seite ausgestreckt. Ketten verbanden die weißen Handgelenksfesseln, die Mona ihr angelegt hatte, mit den beiden Stangen. Die meiste Zeit hielt Delia sich an den Stangen fest. Ihre Beine standen leicht gegrätscht und waren an Ösen auf dem Podest angekettet. Um ihren Hals trug sie ein breites Halsband aus transparentem Kunststoff, mit kleinen grünen Steinen verziert, die im Licht der Spots funkelten. Über zwei Ketten war es ebenfalls mit den Stangen verbunden und schränkte ihren Bewegungsspielraum zusätzlich ein.

      Am liebsten hätte Delia vor Scham und Entsetzen laut aufgeschrieen, als sie sich bewusst wurde, dass es nun endgültig kein Zurück mehr gab und auf was sie sich eingelassen hatte. Max hatte ihr zur Beruhigung ein weiteres Glas Sekt eingeflößt, und davon war sie noch eine Zeit lang benebelt genug gewesen, um die ersten eindeutigen Blicke der Männer zu ertragen. Mittlerweile war die Wirkung des Alkohols jedoch verflogen.

      Immer wieder mal war Max oder Mona vorbeigekommen, hatte ihr Mut machend zugezwinkert oder sie leise gelobt, wie gut sie ihre Rolle verkörpere. Delia empfand den Zuspruch einerseits als wohltuend, andererseits als zynisch. Welche Rolle spielte sie denn überhaupt? Sie konnte den Händen, die sie betatschten, nicht ausweichen, war der Lückenbüßer für die Wartenden oder die, die sich noch nicht für eine der Damen entschieden hatten, einfach nur ein wenig Abwechslung und Zerstreuung suchten.

      Es war nur wenig tröstlich, ihre Mimik durch den Schleier notdürftig versteckt zu wissen, sich hinter der trügerischen Anonymität eines Stückchens Stoff wie hinter einer dunklen Sonnenbrille sicherer und unbeobachteter zu fühlen. Insgesamt fiel es ihr schwer, unglaublich schwer, die Situation zu ertragen, und sie verfluchte mehr als einmal den Satan des Geldes, der sie dazu gebracht hatte, sich von Max dazu überreden zu lassen.

      Die meisten Männer betrachteten sie mit frivolem Blick und sie hörte, wie einige zur Theke gingen, um sie zu buchen, und mit wenig Verständnis zur Kenntnis nahmen, dass dies nicht möglich sei. Genau dies forderte sie erst recht dazu heraus, sich Delia zu nähern und sie lüstern zu umarmen, ihr einen Kuss aufzuzwingen, ihr auf den Po zu klatschen oder ihre Brustwarzen zu befingern. Es störte sie nicht, dass Delia dies ohne Begeisterung hinnahm, ihnen auszuweichen versuchte und ihre Miene Abscheu ausdrückte. Es war ihnen egal, ob sie die zickige Prüde spielte oder ihre Abwehr echt war. Im Gegenteil, sie lachten laut über die Sklavin, die schon noch lernen würde, welche Bestimmung sie erwartete.

      Iwan, der Türsteher, hatte die Anweisung, erst einzugreifen, wenn es zu sexuellen Handlungen käme. Amüsiert beobachtete er Delias Abwehr-reaktionen.

      «Hey, gib sie mir mit, diese widerspenstige Sklavin, dann werde ich sie zureiten und ihr zeigen, was ihre Aufgabe ist!», rief einer der Männer ordinär zu Iwan hinüber, ehe er die rot beleuchtete Treppe nach unten verschwand. Iwan grinste breit.

      Delia wurde beinahe übel, wenn sie daran dachte, dass sie sich


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