Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих Глаузер

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hier die Spezialreportage übernehmen. Der Fall des Sekretärs hat viel Staub aufgewirbelt. Das wird genügen, glauben Sie nicht auch, Colonel?«

      Charles legte den Zeigefinger auf seine Lippen. »Keine Titel, hier, wenn ich bitten darf. Man kann nie wissen.« Er dachte nach. »Irgend so ein alter Professor scheint mit in den Fall verwickelt zu sein, er kennt Baranoff, dieser Professor, Dominicé heißt er übrigens. Seine Haushälterin sollte man vielleicht auch im Auge behalten. Nun, du wirst dich schon zurechtfinden. Die Empfehlung schicke ich dir dann zu. Du wirst doch nicht im Hotel wohnen, sondern wie gewöhnlich eine kleine Wohnung nehmen, nicht wahr?«

      O'Key verabschiedete sich. Charles begleitete ihn durch den Gang. Er hatte ein devotes Kammerdienerlächeln angelegt, als er sich von O'Key an der Treppe verabschiedete. Dann begegnete ihm ein Etagenkellner, den er anhielt.

      »Diese Journalisten« , sagte Charles. »in alles müssen sie ihre Nase stecken und immer glauben sie, dass sie aus mir altem Manne große Neuigkeiten herauspressen können. Mir hat dieser junge Tropf zwanzig Franken geschenkt, dabei besitze ich schon ein Landhaus und bin sicher reicher als er.«

      »Ja, ja« , seufzte der Etagenkellner. »ihr Kammerdiener habt es gut.«

      Kommissar Pillevuit war verärgert. Er hatte den ganzen Morgen herumlaufen müssen. Zuerst hatte das. »Parquet« – bestehend aus Staatsanwalt Philippe de Morsier, Untersuchungsrichter Despine, Gerichtsschreiber und polizeilichen Mitläufern – den Tatort an der Place du Molard besichtigen wollen. Pillevuit hatte zehn Mann aufbieten müssen, um eine neugierige Menge zu zerstreuen, er hatte sich durstig geschrien – und das Resultat dieser Besichtigung war kongruent und symmetrisch gleich Null, wie er sich auszudrücken beliebte. Man war in die Toilette hinuntergestiegen, Malan hatte die Türe bezeichnen müssen, hinter welcher der Mann in weißen Tennishosen sich verborgen gehalten hatte, Herr de Morsier, der Staatsanwalt, hatte. »Aha, ja,, sehr interessant.« gelispelt, und der Untersuchungsrichter ihm beigepflichtet. Gefunden hatten sie nichts. Staatsanwalt de Morsier, ein hagerer Herr mit einem weißen Chinesenschnurrbart – sein heimliches Laster war das Verfertigen von Sonetten, und er hatte eine gewisse Fertigkeit darin erlangt, – Familienzeitschriften brachten sie unter einem Pseudonym -, klopfte dem Kommissar auf die Schulter:

      »Sie werden die Sache schon ganz richtig untersuchen, mein lieber Pillevuit; aber mit Vorsicht, ich bitte Sie, nicht stürmisch, zügeln Sie Ihre Jugend!« – dabei war Pillevuit über vierzig -. »Ich habe Vertrauen zu Ihnen. Herr Untersuchungsrichter Despine, der uns begleitet, wird Ihnen gerne mit Rat und Tat beistehen, nicht wahr? Sie besitzen schon das Sektionsprotokoll, ich habe es heute Morgen flüchtig durchgelesen, es ist sehr verklausuliert, finden Sie nicht auch? Das Gift, von dem der Arzt spricht, und das er bald Scopolamin, bald Hyoscyamin nennt, lässt sich nicht feststellen, soviel ich verstanden habe, weil es sich leicht zersetzt. Von einem sicheren chemischen Nachweis, wie beim Arsen kann also nicht die Rede sein. Ich erinnere mich da an einen Fall aus meiner Praxis, es ist schon zwanzig Jahre her.« Und Herr Staatsanwalt de Morsier erzählte ausführlich eine völlig belanglose Geschichte von einer Hundevergiftung, während seine Zuhörer mit gesenkten Blicken Anwandlungen zu Veitstanz unterdrückten. Das Publikum, von Polizisten zurückgehalten, folgte von ferne mit Neid und Bewunderung den rednerischen Gesten des Staatsanwalts. »Die Frage, die mir wichtig zu lösen scheint« , Herr de Morsier fand endlich zu seinem Ausgangspunkt zurück. »ist die Kenntnis der Umwelt« , er machte eine wunderbar ausdrucksvolle, kreisförmige Bewegung mit seiner sehr weißen, sehr sehnigen Greisenhand. »die Umgebung, die Atmosphäre festzustellen, in der jener junge Mann sich bewegt hat. Wer Atmosphäre sagt, sagt Psychologie. Sie haben, meine Herren, einerseits« – schöpfende Bewegung mit gekrümmten Fingern der linken Hand . »das diplomatische Milieu, jenen Abgesandten ferner Zonen, um den das Ränkespiel internationaler Politik kreist; andererseits« – gleiche Bewegung mit der Rechten . »andererseits die Wissenschaft. Jener junge Mann scheint eine zwiespältige Natur gewesen zu sein. Die Realität politischer Kombinationen hat ihn nicht befriedigt. Ihn lockte das Reich der Seele, jenes dunkle Reich« – hier zitierte der Greis eine Strophe eigener Produktion, die einer Übersetzung nicht standhalten würde -. »und in diesem fand er den rechten Führer. Ich habe Professor Dominicé genannt. Aber Vorsicht, meine Herren, Sie haben es mit einem Manne zu tun, der internationalen Ruhm genießt, mit einem Vertreter des geistigen Genfs, das an überragenden Menschen so reich war, ist und sein wird.«

      Kommissar Pillevuit stöhnte laut, aber selbst dieser Ausdruck der Verzweiflung vermochte Herrn de Morsier nicht in seiner Rede zu stören. Nur beim Untersuchungsrichter Despine fand Pillevuit Verständnis; dieser seufzte auch.

      »Ich würde Ihnen also vorschlagen, meine Herren, Ihr Augenmerk auf den Aufenthaltsort jener Personen zu richten, die mit diesem jungen Sekretär Crawley in Verbindung gestanden sind. Vor allem: Wer war der Mann in weißen Tennishosen, der vor dem Polizisten Malan geflohen ist? Wo hielt sich Professor Dominicé auf vor seinem Erscheinen auf dem Platze hier? Wo war seine Haushälterin? Und auch im anderen Milieu, im diplomatischen nämlich, wäre eine Untersuchung angebracht. Kammerdiener, Bekannte., hatte der junge Mann Feinde? Brauchte er Geld? Ich bin sicher, dass es unserem tatkräftigen und findigen Kommissar Pillevuit gelingen wird, all diese Fragen zur allgemeinen Zufriedenheit zu lösen. Ich danke Ihnen, meine Herren.«

      Herr de Morsier verbeugte sich. Den Hut konnte er nicht ziehen, denn er trug eine Baskenmütze. Sein kahler Kopf war sehr empfindlich.

      »Noch eines« , erinnerte sich der Staatsanwalt. »es wird Sie heute noch, Kommissar, ein junger Mann besuchen, der mir warm empfohlen ist, mir und meinem Freunde, dem Staatsrat. Ein fähiger, englischer Journalist. Ich bin sicher, dass Ihnen die kriminalistischen Erfahrungen dieses jungen Mannes willkommen sein werden. Nicht wahr, die Anwesenheit internationaler Politik in unserer ruhigen Stadt hat die Verhältnisse derart kompliziert, dass wir fremde Hilfe gut brauchen können.«

      Hierauf empfahl sich der Staatsanwalt definitiv und hinterließ einen kleinen bärtigen Kommissar, der aussah wie ein Gnom, der vor Wut zerplatzen möchte.

      Fräulein Dr. Madge Lemoyne hatte Dienst. Nach dem Mittagessen hatte sie sich in ihr Zimmer begeben, das abseits von der Anstalt Bel-Air in einem kleinen Pavillon lag. Sie war dort ungestört, denn der Bau enthielt außer ihrem Wohn- und ihrem Schlafzimmer nur einen einzigen größeren Raum, der als Magazin diente. Im Wohnzimmer stand ein Grammophon (der wichtigste Einrichtungsgegenstand), ein lederner Klubsessel, ein Schreibtisch, einige Stühle und ein niederer Schlafdivan. Eigentlich war auch der Spiegel sehr wichtig, ein alter Spiegel mit rötlicher Goldleiste, den Madge bei einem Antiquar aufgetrieben hatte. Sie warf sich auf den Divan, stellte das Grammophon neben sich, legte. »Dinah«  auf und vertiefte sich in den sechsten Band eines französischen Serienromans, genannt. »Fantomas« , der ungeheuer spannend und ungeheuer unwahrscheinlich war. Ronny, der Airedaler, hatte seine Herrin begeistert begrüßt, sich dann mit einer Speckschwarte beschäftigt, und, als diese verzehrt war, einer Hummel seine Aufmerksamkeit zugewandt. Doch auch die Hummel war faul, sie flog zum Fenster hinaus und verschwand im grünen Laub, das wie eine zitternde Wand vor dem Fenster stand. Madge war gerade zu der Stelle gelangt, an der erzählt wird, wie Fantomas, der große Verbrecher, einen deutschen Prinzen aus kaiserlichem Geblüt unter dem Springbrunnen der Place Vendome gefangen hält, da läutete das Telefon, und Ronny bellte. Er hasste das Telefon, vielleicht war er altmodisch gesinnt und hatte nichts für die Technik übrig.

      »Ja« , sagte Madge. Dann. »Ich komme. – Eine Aufnahme, Ronny« , klagte sie. »kein Wunder, dass so viele Leute überschnappen. Bei dieser Hitze! Und die vielen Reden, die hier gehalten werden, müssen ja die Luft der Stadt vergiften.« Und sie seufzte noch einmal, denn sie musste einen weißen Mantel anlegen. Dieser weiße Mantel bereitete ihr Kummer. Denn er machte sie dick und unförmig, wie sie behauptete. Aber er gehörte nun einmal zum Beruf, den sie ausübte, und sie suchte die ungünstige Wirkung durch schönes Schuhwerk und seidene Strümpfe wieder auszugleichen.

      Im Aufnahmezimmer stand eine sehr dicke Frau am Fenster, sie war schwarz gekleidet und ihr Rock fiel bis auf die Erde. Wirklich, sie war sehr dick, besonders ihr Brustumfang war erstaunlich, und sie bewachte aus den Augenwinkeln ein unscheinbares Männchen, das verzagt und verloren auf einem Stuhl nahe beim Tisch saß. Madge erkannte die Frau, es war jene Jane Pochon, Haushälterin bei Professor Dominicé, und bei ihrem Anblick ging eine Veränderung mit Madges


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