Sri Aurobindo Ashram. Sri Aurobindo
und dadurch, dass wir völlig darin aufgehen, ein noch so kleines Stückchen auf dem Weg vorankommen. Selbst das wird dazu beitragen, die Menschen aus dem Kampf und dem Zwielicht, dem sie jetzt unterworfen sind, in die leuchtende Freude zu führen, die Gott für sie vorgesehen hat. Doch wie auch immer unser augenblicklicher Erfolg aussehen mag, unser festes Ziel muss es sein, die ganze Reise zu vollenden und uns nicht zufrieden an irgendeinem Wegesabschnitt oder einem unzulänglichen Rastort niederzulassen.
Jeder Yoga, der uns völlig aus der Welt entfernt, ist eine zwar erhabene, aber enge Spezialisierung göttlicher Tapasya. Gott in Seiner Vollkommenheit umfängt alles; auch wir sollten deshalb allumfassend werden...
Philosophien und Religionen streiten sich über den Vorrang der verschiedenen Aspekte Gottes, und verschiedene Yogis, Rishis und Heilige haben der einen oder anderen Philosophie oder Religion den Vorzug gegeben. Es ist weder unsere Sache, über irgendeinen oder irgendeine von diesen zu debattieren, noch auf irgendeinen Aspekt unter Ausschluss der Übrigen abzuzielen; vielmehr sollten wir alle realisieren und zu allen werden und Gott in all Seinen Aspekten sowie jenseits aller Aspekte umfangen.
Gott, der in vielerlei Formen in die Welt herabgestiegen ist, hat auf dieser Erde die mentale und körperliche Form zur Vollendung gebracht, die wir Mensch nennen.
Durch das Spiel der alles regierenden Seele mit ihrem eigenen formgebenden Willen oder Shakti hat Er in der Welt einen Rhythmus des Daseins geschaffen, dessen niedrigster Ausdruck die Materie und dessen höchster das reine Sein ist. Das Mental und das Leben gründen sich auf der Materie (Manas und Prana auf Annam) und machen zusammen mit ihr die untere Hälfte der Weltexistenz aus (aparardha). Reines Bewusstsein und reine Seligkeit gehen aus dem reinen Sein hervor (Chit und Ananda aus Sat) und machen zusammen mit diesem die obere Hälfte der Weltexistenz aus. Reine Idee (Vijnana) steht als das Bindeglied zwischen beiden. Diese sieben Prinzipien oder Grundformen des Daseins bilden die Grundlage der siebenfachen Welt der Puranas (Satyaloka, Tapas, Jana, Mahar, Swar, Bhuvar und Bhur).
Die untere Hemisphäre in dieser Einteilung des Bewusstseins setzt sich aus den drei vyahrtis der Veden zusammen, Bhur, Bhuvar, Swar. Dabei handelt es sich um Zustände des Bewusstseins, in denen die Prinzipien der oberen Hemisphäre unter andersartigen Umständen zum Ausdruck gebracht werden oder versuchen, sich auszudrücken. Rein in ihrer ursprünglichen Heimat, sind sie in diesem fremden Land widernatürlichen, unreinen und gestörten Verbindungen und Wirkungsweisen unterworfen. Das endgültige Ziel des Lebens besteht darin, sich alles Widernatürlichen, Unreinen und Störenden zu entledigen und jene Prinzipien unter diesen andersartigen Umständen in vollkommener Weise auszudrücken. Unser Leben auf dieser Erde ist ein göttliches Gedicht, das wir in irdische Sprache übersetzen, oder eine Melodie, die wir in Worte übertragen.
Das Sein in Sat ist eins in der Vielfalt, ein Eines, das seine Vielfalt betrachtet, ohne davon verwirrt zu werden oder sich darin zu verlieren, und ebenso ist es eine Vielfalt, die sich eins weiß, ohne die Fähigkeit zu vielfältigem Wirken im Universum zu verlieren. Unter den Bedingungen des Mentals, des Lebens und des Körpers wird ahamkara geboren. Die subjektive oder objektive Form des Bewusstseins wird fälschlich als ein selbständiges Wesen angesehen, der Körper als eine eigenständige Wirklichkeit, das Ich als eine unabhängige Persönlichkeit. Das Eine verliert sich in uns in seiner Vielfalt, und wenn es seine Einheit wiederfindet, dann fällt es ihm wegen der Natur des Mentals schwer, das Spiel der Vielfalt beizubehalten. So geschieht es, wenn uns die Welt ganz in ihren Bann zieht, dass wir Gott an Sich verfehlen, und wenn wir Gott schauen, entgeht Er uns in der Welt. Unsere Aufgabe ist es, das mentale Ego zu zerbrechen und aufzulösen und zu unserer göttlichen Einheit zurückzukehren, ohne unsere Fähigkeit zu individueller und vielfältiger Existenz im Universum zu verlieren.
Bewusstsein in Chit ist leuchtend, frei, grenzenlos und unmittelbar wirksam. Wessen es als Chit (Jnana-Shakti) gewahr ist, das erfüllt es unfehlbar als Tapas (Kriya-Shakti); denn Jnana-Shakti ist die statische und umfassende, Kriya-Shakti die dynamische und intensive Form eines einzigen aus sich selbst leuchtenden Bewussten Seins. Sie sind ein und dieselbe Macht der bewussten Kraft Gottes (der Chit-Shakti des Sat-Purusha). In der unteren Hemisphäre, d.h. unter den Bedingungen des Mentals, des Lebens und des Körpers, wird jedoch das Licht des Bewusstseins in ungleiche Strahlen zerlegt, seine Freiheit wird durch Egoismus und unangemessene Formen behindert, seine Wirksamkeit wird durch das unausgeglichene Spiel der Kräfte verhüllt. Daraus ergeben sich Zustände von Bewusstheit, Unbewusstheit und falscher Bewusstheit, von Wissen, Unwissen und falschem Wissen, von wirksamer Kraft, Trägheit und wirkungsloser Kraft. Unsere Aufgabe ist es, durch Verzicht auf unsere geteilte und ungleiche individuelle Macht des Handelns und Denkens zugunsten der einen, ungeteilten und universellen Chit-Shakti Kalis unsere egoistische Handlungsweise durch das Wirken der universalen Kali in unserem Körper zu ersetzen und somit Blindheit, Unwissenheit und die letztlich wirkungslose menschliche Stärke gegen Wissen und die vollwirksame göttliche Kraft einzutauschen.
Freude in Ananda ist rein, unvermischt, eins und doch äußerst vielfältig. Unter den Bedingungen des Mentals, des Lebens und des Körpers wird sie zerteilt, begrenzt, verwirrt und fehlgelenkt. Außerdem bewirken die Zusammenstöße ungleicher Kräfte und die ungleichmäßige Verteilung des Ananda, dass sie der Dualität positiver und negativer Gefühlsregungen wie Kummer und Frohsinn, Schmerz und Vergnügen unterworfen wird. Unsere Aufgabe ist es, diese Dualitäten durch die Beseitigung ihrer Ursachen aufzuheben und in das Meer der göttlichen Seligkeit einzutauchen, die eins ist, mannigfaltig und gleichmäßig verteilt (sama), die sich an allem erfreut und vor nichts schmerzhaft zurückschreckt.
Kurzum, wir haben die Dualitäten durch Einheit zu ersetzen, den Egoismus durch das göttliche Bewusstsein, die Unwissenheit durch die göttliche Weisheit, das Denken durch die göttliche Erkenntnis, Schwäche, Kampf und Anstrengung durch die sich selbst genügende göttliche Kraft, Schmerz und trügerisches Vergnügen durch die göttliche Seligkeit. Dies wird in der Sprache Christi die Herabkunft des Himmelreichs auf die Erde und in moderner Sprache die Verwirklichung Gottes in der Welt genannt.
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Kapitel 4
Satyayuga – Das Zeitalter der Wahrheit
Worte Sri Aurobindos
Der Yoga, den wir praktizieren, ist nicht allein für uns selbst, sondern er ist für das Göttliche; sein Ziel ist, den Willen des Göttlichen in der Welt zu verwirklichen, eine spirituelle Transformation zustande zu bringen und eine göttliche Natur und ein göttliches Leben in die mentale, vitale und physische Natur sowie in das Leben der Menschheit herniederzubringen. Sein Ziel ist nicht die persönliche spirituelle Befreiung (Mukti), obwohl Mukti eine notwendige Bedingung des Yoga ist, vielmehr ist es die Befreiung und die Transformation der Menschheit. Sein Ziel ist nicht die persönliche Seligkeit (Ananda), sondern das Herniederbringen des göttlichen Ananda auf die Erde: Christi Reich Gottes, unser Zeitalter der Wahrheit (Satyayuga)...
In der modernen Sprache bedeutet Satyayuga die Weltepoche, in welcher eine stabile und zureichende Harmonie geschaffen ist, und wo der Mensch unter bestimmten Bedingungen und Begrenzungen eine Zeitlang die Vollkommenheit seines Wesens verwirklicht. Diese Harmonie existiert in seiner Natur durch die Kraft einer im Inneren gesicherten Reinheit. Aber dann beginnt sich diese Harmonie aufzulösen. Während der Treta-Epoche – in welcher drei Viertel der Wahrheit angehören und ein Viertel der Unwahrheit – kann der Mensch die Harmonie noch durch die individuelle und kollektive Willensanstrengung aufrechterhalten. Aber der Prozess der Auflösung schreitet immer weiter fort. In der Dwapara-Epoche – in der Wahrheit und Unwahrheit in gleichem Verhältnis vorhanden sind – versucht der Mensch, die Harmonie durch intellektuelle Ordnungen, durch die allgemeine Zustimmung und durch Gesetz durchzusetzen. Aber in der Kali-Epoche stürzt die Harmonie schließlich in sich zusammen und wird zerstört. Jedoch ist diese Kali-Epoche nicht ausschließlich etwas Schlechtes. In ihr werden in fortschreitendem Maß die nötigen Voraussetzungen dazu geschaffen, dass wieder eine neue Satya-Epoche, eine neue Harmonie und eine fortgeschrittenere Vollkommenheit kommen kann. In der Kali-Epoche, die zwar abgelaufen ist, die aber in ihren Auswirkungen noch andauert – die jetzt jedoch definitiv zu Ende kam – ist es zu einer allgemeinen Zerstörung des Alten Wissens und der Alten Kultur gekommen. Nur wenige Bruchstücke von ihr sind