Sri Aurobindo Ashram. Sri Aurobindo
neue Harmonie und eine neue Vollkommenheit zu erreichen. Das ist der Grund dafür, dass heute so viele Ideen auftauchen, welche die menschliche Gesellschaft, die Erkenntnis, die Religion und die Ethik vervollkommnen wollen. Die wahre Harmonie ist noch nicht gefunden worden ..., denn sie kann nur durch eine Umwandlung der jetzigen Natur des Menschen zur Entfaltung gebracht werden und nicht dadurch, dass man diese nur korrigiert. Eine solche Umwandlung ist aber nur durch den Yoga möglich. Die Natur des Menschen und der Dinge befindet sich augenblicklich in einer Disharmonie; die „Harmonie“ besteht aus lauter Dissonanzen. Es muss zu einer völligen Umwandlung des Menschen kommen: in seinem Herzen, in seinem Handeln und in seinem Mental, und zwar von innen und nicht von außen her. Das kann nicht durch politische oder gesellschaftliche Institutionen geschehen, auch nicht durch neue Glaubensbekenntnisse und Weltanschauungen; sondern wir müssen Gott in uns selbst und in der Welt verwirklichen und das ganze Leben durch diese Verwirklichung neu gestalten. Eine solche Transformation kann nur durch einen Integralen Yoga (Purna-Yoga) geschehen: durch einen Yoga, der nicht für einen bestimmten Zweck geübt wird – selbst wenn dieser Zweck die spirituelle Befreiung (Mukti) oder die Seligkeit (Ananda) wäre – sondern allein mit dem Ziel, das Menschsein in uns selbst und in den anderen aus dem Höchsten Wesen zur Erfüllung zu bringen. Für ein solches Ziel sind die Übungen des Hatha-Yoga und des Raja-Yoga nicht ausreichend. Auch der Trimarga-Yoga (der Dreifache Pfad, wie die Gita ihn lehrt) kann nicht genügen. Wir müssen noch höher gehen und uns dem Adhyatma-Yoga widmen.
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Kapitel 1
Der Integrale Yoga – ein spirituelles Abenteuer
Worte Sri Aurobindos
Ich weiß sehr wohl, dass es scheinbar ähnliche Ideale und Erwartungen gab – die Vervollkommnung der Menschheit, gewisse tantrische Sadhanas, die Bemühung um vollkommene physische siddhi bestimmter Yoga-Schulen usw. Ich habe diese Dinge erwähnt und dabei die Ansicht vertreten, dass die spirituelle Vergangenheit der Menschheit eine Vorbereitung der Natur nicht nur zur Erlangung des Göttlichen jenseits der Welt gewesen ist, sondern ebenfalls auf diesen nach vorwärts gerichteten Schritt, den die Evolution des Erdbewusstseins noch zu machen hat. Es interessiert mich aus diesem Grund nicht im geringsten – obwohl diese Ideale bis zu einem gewissen Grad den meinen gleichen, wenn sie auch nicht mit ihnen identisch sind –, ob dieser Yoga, sein Ziel und seine Methode als etwas Neues angesehen werden oder nicht. Das ist als solches unbedeutend. Das einzig Wichtige ist, dass er in sich als wahr von denjenigen erkannt wird, die ihn annehmen oder ausüben oder selber durch ihre Verwirklichung wahr machen; es spielt keine Rolle, ob er als neu bezeichnet wird oder als Wiederbelebung und Wiederholung des alten, das vergessen war. Ich habe ihn in einem Brief an einige Sadhaks als neu bezeichnet, um ihnen zu erklären, dass eine Wiederholung des Ziels und der Idee alter Yogasysteme in meinen Augen nicht genüge, weshalb ich etwas zu Erreichendes aufgezeigt habe, das bislang noch nicht erreicht und noch nicht klar erkannt wurde, obwohl es das Natürliche, wenn auch noch verborgene Ziel des ganzen vergangenen Strebens gewesen ist.
Mein Yoga ist, verglichen mit alten Yogasystemen, insofern neu:
1) Weil er nicht auf eine Abkehr von der Welt und dem Leben um des Himmels und Nirvana willen zielt, sondern auf eine Wandlung des Lebens und Daseins, und dies nicht als etwas untergeordnetes oder Zufälliges, sondern als deutliches und im Mittelpunkt stehendes Ziel. Wenn es ein Herabkommen in anderen Yogasystemen gibt, so ist dies lediglich ein Zufall auf dem Weg oder etwas, das sich aus dem Aufsteigen [des Bewusstseins] ergibt – das Aufsteigen jedoch ist [dort] das Ziel. Hier ist das Aufsteigen der erste Schritt, es ist ein Hilfsmittel für das Herabkommen. Stempel und Siegel dieser Sadhana ist das Herabkommen des neuen Bewusstseins, das durch das Aufsteigen erreicht wird. Selbst Tantrismus und Vishnuismus enden in der Befreiung vom Leben; hier ist das Ziel die göttliche Erfüllung des Lebens.
2) Weil das Ziel, nach dem gesucht wird, nicht eine individuelle Verwirklichung des Göttlichen zum Heile des Einzelnen ist sondern etwas, das für das Erdbewusstsein hier gewonnen werden muss, eine kosmische, nicht allein eine überkosmische Verwirklichung. Das zu Gewinnende ist das Einbringen einer neuen Bewusstseins-Macht (der des Supramentals), die bislang noch nicht in der Erdnatur geformt und direkt tätig wurde, nicht einmal im spirituellen Leben, die also noch geformt und unmittelbar wirksam gemacht werden muss.
3) Weil eine Methode zur Erreichung dieses Ziels erarbeitet wurde, die so total und umfassend ist, wie dieses Ziel selbst, nämlich die gänzliche und integrale Wandlung des Bewusstseins und der [menschlichen] Natur; sie greift zwar alte Methoden auf, doch nur als Teilaspekt und augenblickliche Unterstützung anderer [Methoden], die sich von diesen unterscheiden. Ich habe in alten Yogasystemen diese Methode (in ihrer Ganzheit) oder etwas Ähnliches weder verkündet noch verwirklicht gesehen. Wäre dem nicht so, hätte ich meine Zeit nicht damit vergeudet, in dreißigjähriger Suche und innerer Schöpfung einen Pfad auszuhauen, wenn ich statt dessen sicher zu meinem Ziel hätte heimeilen können, leichten Galopps, auf Wegen, die bereits gebahnt wurden, ausgetreten, kartographiert, asphaltiert, gesichert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Unser Yoga ist kein alter Pfad, sondern ein spirituelles Abenteuer.
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Kapitel 2
In unserem Yoga müssen wir das ganze Leben annehmen
Worte Sri Aurobindos
Das wirkliche Ziel eines Integralen Yoga und sein Konzept hindern uns, diese einfache und anstrengende, hochstrebende Methode [der Selbst-Auslöschung] anzunehmen. Die Hoffnung auf eine integrale Transformation verbietet uns, einen Abkürzungsweg einzuschlagen oder uns den Lauf zum Ziel dadurch leicht zu machen, dass wir alles abwerfen, was uns behindert. Denn wir haben uns daran gemacht, unser ganzes Wesen und die ganze Welt für Gott zu erobern. Wir sind entschlossen, ihm unser Werden wie unser Sein hinzugeben, und wollen nicht nur den reinen und nackten Geist einer entfernten und geheimen Gottheit in einem entlegenen Himmel als eine von allem entblößte Opfergabe darbringen oder alles, was wir sind, in einem Holocaust für ein regungsloses Absolutes vernichten. Das Göttliche, das wir verehren, ist nicht nur eine ferne außerkosmische Wirklichkeit, sondern eine halbverhüllte Manifestation, die uns hier im Universum gegenwärtig und nahe ist. Das Leben ist das Feld für eine noch nicht vollendete göttliche Offenbarung: Wir müssen hier im Leben, auf der Erde, im Körper – ihaiva, wie die Upanishaden betonen – die Gottheit enthüllen. Hier müssen wir ihre transzendente Größe, ihr Licht und ihre wunderbare Lieblichkeit unserem Bewusstsein zu etwas Wirklichem machen, es hier besitzen und, soweit das möglich ist, zum Ausdruck bringen. Wir müssen also in unserem Yoga das ganze Leben annehmen, um es bis zum Äußersten umzuwandeln. Es ist uns verboten, vor den Schwierigkeiten, die dieses Annehmen unserem sonstigen Ringen noch hinzufügen könnte, zurückzuweichen. Wenn dadurch auch der Pfad noch rauer, das Ringen noch komplexer und erschreckend hart wird, so ist das eine Kompensation dafür, dass wir später, an einem gewissen Punkte, einen ungeheuren Vorteil gewinnen. Denn sobald unser Mental richtig auf die zentrale Schau eingestellt und sobald unser Wille dahingehend umgewandelt ist, diesem einzigen Ziel nachzustreben, wird das Leben selbst zu unserem Helfer. Wir können nun unverwandt, wachsam und integral bewusst jede Einzelheit seiner Gestaltungen und jedes Ereignis seiner Abläufe als Nahrung für das Opferfeuer in unserem Inneren verwenden. Wir können, siegreich in unserem Kampf, die Erde selbst dazu nötigen, dass sie uns zu unserer Vollkommenheit hilft, und wir dürfen dann das, was wir verwirklichen, mit der Beute schmücken, die wir den Mächten, die uns Widerstand leisten, entrissen haben.
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