So Gut Wie Tot. Блейк Пирс
hängen auch Jobs an dem Board aus“, erklärte Gretchen. „Wir suchen täglich die Stellenanzeigen raus. Manche kontaktieren uns sogar direkt, wenn sie Hilfe beim Kellnern, Regale einräumen oder Putzen brauchen. Jobs wie diese werden normalerweise tagesweise und in bar bezahlt.“
Sie lächelte Cassie mitfühlend an, als verstünde sie das Dilemma, in einem fremden Land ohne Geld dazustehen.
„Die meisten unserer Gäste finden Arbeit, wenn sie danach suchen. Lass mich wissen, wenn ich dir dabei helfen kann“, sagte sie.
„Nochmals danke“, sagte Cassie.
Sie ging direkt zur Pinnwand.
Fünf Einrichtungen, die Telefone und Internet zur Nutzung anboten, waren darauf ausgeschrieben. Cassie hielt kurz den Atem an, als sie den Namen Cartolería sah, aber der Eintrag war kürzlich durchgestrichen und mit der Notiz ‚geschlossen‘ versehen worden.
Das war ein gutes Zeichen, also entschied sich Cassie, Gretchen nach der Gästeliste zu fragen. Sie ging zur Lounge, wo die Managerin sich gerade ein Bier geöffnet hatte und inmitten von lachenden Menschen auf einem Sofa saß.
„Hier ist noch eine Kundin.“
Ein großer, schlanker Mann mit britischem Akzent, der noch jünger aussah als Cassie, sprang auf und öffnete den Kühlschrank.
„Ich bin Tim. Was kann ich dir bringen?“, fragte er.
Als er ihr Zögern sah, fügte er hinzu: „Heineken sind im Angebot.“
„Danke“, sagte Cassie.
Sie bezahlte und er überreichte ihr eine eiskalte Flasche. Zwei dunkelhaarige Mädchen, vermutlich Zwillinge, rutschten auf das andere Sofa, um ihr Platz zu machen.
„Ich bin eigentlich nur hier, weil ich gehofft hatte, meine Schwester zu finden“, sagte sie und wurde nervös.
„Vielleicht kennt ihr sie oder sie ist hier untergekommen. Sie hat blondes Haar – oder zumindest war es blond, als ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Ihr Name ist Jacqui Vale.“
„Seid ihr schon lange getrennt?“, fragte eines der dunkelhaarigen Mädchen interessiert.
Als Cassie nickte, meinte sie: „Das ist sehr traurig. Ich hoffe, du findest sie.“
Cassie nahm einen Schluck Bier. Es war kalt und malzig.
Die Managerin scrollte durch ihr Handy.
„Wir hatten im Dezember keine Jacqui hier. Und im November auch nicht“, sagte sie und Cassies Herz wurde schwer.
„Warte“, sagte Tim. „Ich erinnere mich an jemanden.“
Er schloss die Augen, um sich zu konzentrieren, während Cassie ihn aufgeregt beobachtete.
„Wir haben hier nicht viel Amerikaner, ich erinnere mich aber an den Akzent. Sie selbst war kein Gast, sondern hat einen Freund hier besucht. Sie hatte einen Drink und ist dann gegangen. Aber sie war nicht blond, sondern braunhaarig, aber sehr hübsch und dir ein bisschen ähnlich. Vielleicht ein paar Jahre älter.“
Cassie nickte ermutigend. „Jacqui ist älter.“
„Ihre Freundin nannte sie Jax. Wir haben geplaudert, während ich sie bedient habe und sie hat mir erzählt, in einer kleinen Stadt zu wohnen. Ich glaube, ein oder zwei Stunden von hier entfernt. Natürlich kann ich mich aber nicht mehr an den Namen der Stadt erinnern.“
Cassie blieb der Atem stehen, als sie daran dachte, dass ihre Schwester tatsächlich hier gewesen war, einen Freund besucht und ihr Leben gelebt hatte. Sie schien weder pleite noch verzweifelt zu sein, war nicht drogensüchtig und wurde nicht missbraucht – Cassie hatte viele Worst-Case-Szenarien entworfen, als sie an Jacqui gedacht und sich gewundert hatte, nie von ihr gehört zu haben.
Vielleicht war ihr Familie einfach nicht so wichtig gewesen und sie hatte nicht das Bedürfnis verspürt, sich zu melden. Ja, sie hatten eine enge Beziehung geführt, aber es war die Not gewesen, die sie zusammengebracht hatte, während sie die Wutanfälle des Vaters und das unstabile Familienleben überlebten. Vielleicht hatte Jacqui diese Erinnerungen hinter sich lassen wollen.
„Ich wusste nicht, dass du dich so gut an Gesichter erinnern kannst, Tim“, neckte ihn Gretchen. „Oder funktioniert das nur bei hübschen Mädchen?“
Tim grinste und wirkte beschämt. „Hey, sie war umwerfend. Ich wollte mich sogar mit ihr verabreden, habe dann aber herausgefunden, dass sie nicht in Mailand lebt und mir gedacht, dass sie vermutlich sowieso nicht an mir interessiert ist.“
Die anderen Mädchen protestierten lauthals und im Chor.
„Dummerchen! Du hättest sie fragen sollen“, meinte das Mädchen neben Cassie beharrlich.
„Sie hätte vermutlich nein gesagt. Aber Cassie, wenn du mir deine Handynummer gibst, kann ich mich bei dir melden, wenn mir der Name der Stadt wieder einfällt.“
„Danke“, sagte Cassie.
Sie gab Tim ihre Nummer und leerte ihr Bier. Die anderen schienen bereit für die nächste Runde zu sein und würden vermutlich bis nach Mitternacht weiterplaudern, aber sie war erschöpft.
Sie stand auf, wünschte allen eine gute Nacht, nahm dann eine heiße Dusche und kletterte ins Bett.
Erst als sie die Bettdecke über sich zog, fiel ihr mit Schrecken ein, dass sich ihre Medikamente noch in ihrem Koffer befanden.
Schon mehrmals hatte sie die Konsequenzen einer vergessenen Dosis ausbaden müssen. Es fiel ihr schwer, zu schlafen, wenn sie nicht regelmäßig ihre Tabletten nahm und sie wurde immer wieder von lebhaften Albträumen geplagt. Manchmal schlafwandelte sie sogar und Cassie fürchtete sich davor, dass in dem Schlafsaal zu tun.
Sie konnte nur hoffen, dass ihre eigene Erschöpfung in Kombination mit dem Bier die bösen Träume fernhalten würde.
KAPITEL VIER
„Schnell, steh auf. Wir müssen gehen.“
Jemand tippte Cassie an der Schulter an, aber sie war müde – so müde, dass sie kaum die Augen öffnen konnte. Gegen ihre Erschöpfung ankämpfend, wachte sie langsam auf.
Jacqui stand an ihrem Bett, ihr Haar glänzend und braun. Sie trug eine stylische, schwarze Jacke.
„Du bist hier?“ Aufgeregt setzte Cassie sich auf, um ihre Schwester zu umarmen.
Aber Jacqui drehte sich weg.
„Beeil dich“, flüsterte sie. „Sie sind hinter uns her.“
„Wer denn?“, fragte Cassie.
Sofort dachte sie an Vadim. Er hatte sie am Ärmel gepackt, ihre Jacke zerrissen. Er hatte Pläne für sie gehabt. Ihr war es gelungen, ihm zu entkommen, aber jetzt hatte er sie entdeckt. Sie hätte es wissen müssen.
„Ich weiß nicht, wie wir entkommen können“, sagte sie nervös. „Es gibt nur eine Tür.“
„Über die Feuerleiter. Komm, ich zeig es dir.“
Jacqui führte sie den langen, dunklen Korridor entlang. Sie trug modische, kaputte Jeans und rote Sandalen mit hohen Absätzen. Cassie trottete in ihren ausgetragenen Turnschuhen hinter ihr her und hoffte, dass Jacqui recht hatte und es tatsächlich einen Fluchtweg gab.
„Hier entlang“, sagte Jacqui.
Sie öffnete die stählerne Tür und Cassie schreckte zurück, als sie die klapprige Feuerleiter sah. Die Metallstufen waren rostig und kaputt. Außerdem sicherte die Treppe nur die Hälfte des Gebäudes ab. Danach folgte in endloser, schwindelerregender Tiefe die Straße.
„Wir können nicht hier runter.“
„Doch. Und wir müssen.“
Jacquis Lachen war schrill und als Cassie sie entsetzt ansah, erkannte sie, dass ihr Gesicht sich verändert hatte. Das war überhaupt nicht ihre Schwester. Es war Elaine, die Freundin ihres Vaters, die sie am meisten gefürchtet und gehasst hatte.
„Wir gehen hier runter“, schrie die teuflische, blonde Frau. „Runter, du zuerst.