Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross

Scheidung kann tödlich sein - Andrea Ross


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ich mir aber nicht gefallen ließ. Sollte sie ihre Launen doch woanders loswerden, ich hatte schon genügend Probleme.

      In der Zwischenzeit hatte ich meine Prüfung als Heilpraktikerin für Psychotherapie beim Gesundheitsamt bestanden und bekam meine Zulassung. Ich feierte mit Günther und den Kindern bei einem ausgiebigen Frühstück im Café »Sinopoli«, hoffte, nun doch irgendwann dem Beamtenberuf den Rücken kehren zu können. Ich gedachte, diesen neuen Beruf zunächst während der Elternzeit auszuüben und muss zugeben, dass ich nebenbei damit auch die schon wieder auftretenden Beziehungsprobleme niederbügeln wollte. Davon abgesehen, wäre dies erst einmal ein sinnvolles Gegengewicht zu meinem öden Job in der Behörde gewesen.

      Da kam mir der Zufall zu Hilfe, nachdem zunächst tragische Entwicklungen fast zu Attilas Ableben geführt hätten. Er und Uschi hatten schon lange Eheprobleme, die ständig zu unschönen Auseinandersetzungen führten, die gelegentlich richtig eskalierten. Nach einem Vorfall mit einer Blumenvase und anderen Begebenheiten waren sie nach Hummeltal gezogen, um mal wieder neu anzufangen. Auch dort ging es aber nicht gut, und Uschi drohte Attila, mit den Kindern auszuziehen. Er unternahm einen Selbstmordversuch in seinem Büro, der trotz bombensicherer Vorbereitung seltsamerweise scheiterte. Und genau dieses Büro bot er mir nun an, meine Praxis dort unterzubringen. Er werde künftig zu Hause im Keller arbeiten, hatte er erklärt, und das Büro sei noch für mehrere Monate fest gemietet, aus dem Vertrag komme er ohnehin nicht raus. Die Miete müsse ich ihm aber nicht erstatten, ich solle erst einmal ausprobieren, ob die Praxis Gewinn abwerfe und dann entscheiden, ob ich die Räume weiter mieten will.

      Ich konnte es gar nicht fassen. Was war das für ein großzügiger Mensch, der mir die Räume für die Restlaufzeit des Mietvertrages umsonst überlassen wollte? Attila konnte richtig selbstlos sein. Hierzu passten die Schilderungen Uschis, was für ein Unmensch er doch sei, so gar nicht.

      Wir schmiedeten Pläne, neben der Praxis noch einen Vertrieb für Naturkosmetik-Produkte unterzubringen, damit auch Uschi eine Beschäftigung habe und wir beide zusammen dort etwas auf die Beine stellen können. Meine aufkeimenden Beziehungsprobleme waren jetzt relativ uninteressant geworden, ich war mit Hochdruck beschäftigt, die Arbeiten zur Praxiseröffnung voranzutreiben, und war ansonsten mit meinen Kindern beschäftigt und ausgelastet. Und natürlich mit Uschi. Diese hatte zwar Ideen, doch die Umsetzung erwartete sie ausnahmslos von mir. Um die Internetseite für die Kosmetik kümmerte sich Attila, bzw. eine von ihm beauftragte andere Verwandte.

      Schließlich war Eröffnung. Günther und ich, Uschi und Attila standen vor dem offiziellen Teil in der Küche der Praxis und philosophierten über die Ungerechtigkeit der Steuern und die gemeine Welt an sich. Na ja, sagen wir, hauptsächlich Attila und ich taten das. Ich fand es klasse, mit ihm zu reden und bewunderte ihn wieder einmal für seinen messerscharfen Verstand.

      Ich hatte eine neue Strategie: spätestens, wenn zu Hause etwas nervig wurde, fuhr ich in die Praxis. Dort gab es ja genug zu tun. Bis mir ein neidischer, arroganter Kollege aus dem Straßenverkehrsamt die Tour vermasselte, in welchem ich damals seit Jahren die Leitung der Fahrerlaubnisbehörde innehatte. Der »Kollege« flüsterte so lange meinem Dienststellenleiter ein, dass ein Interessenkonflikt mit meiner dienstlichen Tätigkeit in der Führerscheinstelle bestehe, wenn ich während der Elternzeit eine Praxis betreibe, bis dieser sich an das Personalamt wandte. Die wollten mir dann die Nebentätigkeitsgenehmigung entziehen oder mir versagen, eine Praxis im Stadtgebiet Bayreuth zu führen. Das war das Ende der Praxis, vom Kosmetikvertrieb und allem, was damit zusammenhing.

      Natürlich war ich aufgrund der Vorgehensweise des sogenannten Kollegen entsetzt, enttäuscht und ausgesprochen wütend. Hätte ich ihn zwischen die Finger bekommen, so hätte ihn so schnell niemand mehr wiedererkannt. Er hatte aus Neid gehandelt, weil ich ihm seit Jahren auf seiner eigenen Karriereleiter im Wege stand. Alles gelang mir einen Deut schneller oder besser, er konnte es nicht verwinden, wollte ein Karrierebeamter sein. So trachtete er danach, mir möglichst Minuspunkte zu verschaffen, die ihm den Weg nach oben etwas freier machen würden. Denn mit bloßer Leistung schaffte er das nicht.

      So musste ich den Ärger über die geschlossene Praxis hinunterschlucken, der sich jetzt schon wieder mit anderem Frust paarte. Frust mit Günther und dessen Mutter. Als ich mit Günther darüber redete, wurde es erst einmal besser. Er bemühte sich, wies auch die Mutter in die Schranken. Monatelang ging ich nun davon aus, dass die Schwierigkeiten überwunden seien. Ich traute mich sogar, Günther zu heiraten, was angesichts meiner Vorgeschichte schon recht mutig war. Als Trauzeugen fungierten Attila und Uschi, wir feierten in Mittelaltergewändern. Es entstand ein lustiges Foto, dem ich damals noch keine Bedeutung beimaß, das ich heute aber als durchaus richtungsweisend werte. Ich war strahlend neben Attila fotografiert worden, während sich Uschi und Günther mit den Kindern im Hintergrund hielten. Man hätte denken können ...

      Nach der Hochzeit funktionierte alles recht gut, an Günthers Hang zum Märtyrertum und seine ständigen Krankheiten, die allesamt grundsätzlich viel schlimmer als bei anderen Menschen waren, gewöhnte ich mich einigermaßen. Allerdings geriet er immer wieder, meiner Meinung nach ungerechtfertigt, in Konflikte mit Ann und Axel. Ich schob das aber auf die beengte Wohnsituation und wollte umziehen, am liebsten in ein Häuschen, wo auch Günther in Ruhe arbeiten könne.

      Günther teilte diese Überlegungen. Nach kurzer Suche fanden wir etwas Passendes in Voitsumra, schön ländlich und schön abgelegen. Ich dachte mir, hier könne man wenigstens die Kinder hinauslassen, in der Natur spazieren gehen und man liefe sich in der Weitläufigkeit des Hauses und Gartens nicht ständig über den Weg. Ich war ja auch noch wegen der Elternzeit zu Hause und musste mir momentan über den weiten Weg zur Arbeit keine Gedanken machen.

      Die Zeit von März bis Oktober des ersten Jahres empfand ich als wirklich schön, auch wenn ich merkte, dass man die Kinder keineswegs alleine aus dem Haus lassen konnte. Vorbei donnernde Holzlaster, fehlende Zäune und Sickergruben verhinderten das. Ich spaltete Holz, schichtete dieses auf, arbeitete im Garten und strich alle Zimmer des Hauses an, freute mich über etwas Neues. Günther hatte sein Arbeitszimmer und war für seine Verhältnisse sogar gut drauf. Mit den Nachbarn freundeten wir uns an, so gab es am Abend oft ein Bierchen am Lagerfeuer.

      Mit der Zeit merkte ich dann, dass mich Haus und Gartenpflege doch recht überforderten. Ich musste nun wieder halbtags arbeiten, und das 35 km entfernt. Im Winter warf das regelmäßig Probleme auf, mit heilem Auto dort anzukommen, ansonsten kostete es zumindest viel Zeit. Es blieb das Meiste rund um Haus und Hof an mir hängen, auch alle Fahrten zum Abholen der Kinder, zum Arzt usw. Günther mähte höchstens alle heilige Zeit den Rasen, ansonsten arbeitete er oder beschwerte sich über sein furchtbar stressiges Leben.

      Langsam bemerkte ich nun auch, dass Günther absichtlich Tätigkeiten streckte, oder mit sinnloser Hektik herum rannte, ohne wirklich irgendeine Arbeit hinterher erledigt zu haben. Er wollte also jammern, fühlte sich ununterbrochen gestresst.

      Märtyrer als Lebensinhalt. Dasselbe Schema bezüglich seiner ständig schmerzenden Zähne und chronischen Krankheiten, was ich durch beiläufige Bemerkungen der Ärztin erfuhr, die sich über so manchen Besuch bei ihr wunderte. Also hatte er womöglich die Hypochondrie von der lieben Mutter geerbt, die ich, nebenbei bemerkt, eines Tages des Hauses verweisen musste, weil sie sich boshaft aufführte und sogar mir recht geduldigem Menschen der Geduldsfaden riss. Ich habe noch nie damit umgehen können, wenn man mich nur zu dem Zweck anstänkerte, um seine eigene schlechte Laune auf jemanden abzuwälzen.

      Theo versuchte in der Zwischenzeit durch viele kleine Aktionen, Axel zu sich zu ziehen, ähnlich, wie Klaus-Werner es mit Ann getan hatte. Ich kämpfte mit Klauen und Zähnen, sowie mit meiner Rhetorik und konnte es verhindern. Aber an meinen Nerven zerrte diese Erkenntnis selbstverständlich trotzdem, konnte ich doch das Muster erkennen und wusste auch, wohin es letzten Endes führen würde, wenn ich nicht ständig auf der Hut wäre.

      Die Beziehung zu Günther zersetzte sich derweil langsam weiter. Die Nachbarn sprachen mich darauf an, was denn mit Günther los sei? Der sei total komisch, unfreundlich und tue nur, als ob er arbeite. Ja, das konnte ich teilweise leider bestätigen. Mehrfach hatte er mir extremen Stress vorgejammert, und wenn ich dann an seinen Arbeitsplatz vorbeikam, surfte er auf privaten Internetseiten, die garantiert nichts mit Arbeit zu tun hatten. Schrieb Beiträge für


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