Leipzig - Neubau, Sanierung und Verfall. Frank Cobb Walter

Leipzig - Neubau, Sanierung und Verfall - Frank Cobb Walter


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nunmehr nur noch zwei Bahnhöfe - den Hauptbahnhof im Norden und den Bayerischen Bahnhof im Süden. Verkehrstechnisch gesehen hatte der Hauptbahnhof jedoch einen Nachteil – er war ein Kopfbahnhof, und es fehlte eine Direktverbindung in Richtung Süden.

      Schon Mitte des 19. Jahrhunderts existierten Vorstellungen, eine ebenerdige Eisenbahn-Nord-Süd-Achse anzulegen. Mit dem Bau des Hauptbahnhofs stand das Problem der Verbindung beider Bahnhöfe wieder auf der Tagesordnung. Diesmal als viergleisige 16 m breite Hochbahntrasse, die in einer Höhe von 4,40 m die Innenstadt überqueren sollte. Aber auch diese Variante wurde verworfen, da zahlreiche Gebäude der Innenstadt hätten abgerissen werden müssen.

      Die Idee eines Tunnelbaus existierte bereits Ende des 19. Jahrhunderts, konnte jedoch nach dem damaligen technischen Entwicklungsstand nicht realisiert werden. 1911 wurde dann die Firma Siemens & Halske mit der Planung eines Tunnels beauftragt, der nur wenige Meter unter der Oberfläche verlaufen sollte.

      Unter dem Bahnsteig 24 der Osthalle wurde im Herbst des Jahres 1913 mit dem Bau des U-Bahnhofes begonnen. In 18 m Tiefe wurden zwei 80 m lange Bahnsteige angelegt.

      Ein Tunnel von über 700 m Länge in Richtung Augustusplatz war schon fertig. Der erste Weltkrieg stoppte jedoch die Arbeiten. Der Tunnel blieb unvollendet.

      Auch die in den Jahren 1923, 1929 und 1934 vorgesehenen Maßnahmen zur Fortführung der Arbeiten wurden nicht umgesetzt. Im 2. Weltkrieg wurde der Tunnel in zwei Schutzräume aufgeteilt. Ein erneuter Anlauf zum Tunnelbau wurde 1947 genommen – ein erster Vorentwurf wurde erarbeitet, der jedoch dann aus Kostengründen nicht realisiert werden konnte.

      Stattdessen wurde in der unterirdischen Station in der Osthalle des Hauptbahnhofs 1950 das "Zeitkino" eingebaut. Es wurde 1990 geschlossen. Letztmalig wurde der Tunnelbau dann im Jahr 1967 in den Generalverkehrsplan der Stadt Leipzig aufgenommen. Der DDR Ministerrat hatte den Bau jedoch wegen fehlender Kapazitäten zugunsten des Wohnungsbaus abgelehnt.

      Erneut wurde über eine Hochbahntrasse nachgedacht, die letztendlich aber auch verworfen wurde. Nach der Wende wurde der Gedanke des Tunnelbaus wieder aufgegriffen. Seit 1992 war der City-Tunnel Bestandteil der Verkehrsplanung der Stadt Leipzig. Der Zugbetrieb am Bayerischen Bahnhof wurde am 10.6.2001 völlig eingestellt.

      Am 16.2.2004 wurde mit den Bauarbeiten zum City-Tunnel begonnen. Der Tunnel ist ein Teilstück des Ausbaus des Bahnknoten Leipzig zur künftigen Hochgeschwindigkeitsstrecke. Die nunmehr gewählte Trasse beginnt jedoch nicht unter der Osthalle sondern unter der Westhalle des Bahnhofs. Die Inbetriebnahme sollte mit dem Fahrbahnwechsel der Deutschen Bahn AG Mitte Dezember 2009 erfolgen.

      Nicht vorherzusehende Probleme auf Grund des schwierigen Untergrundes unter dem Hauptbahnhof und nördlich davon führten erneut zu Zeitverzögerungen. Eine weitere Ursache für den Verzug waren beispielsweise festgestellte Schwachstellen der Bodenplatte des Einkaufszentrums Hauptbahnhof.

      Umfangreiche zusätzliche Verstärkungsarbeiten wurden erforderlich. Juristische Probleme bei Vergabe der Aufträge für den Innenausbau der Stationen, die im November 2009 gelöst wurden, führten zu einer weiteren Verzögerung. Der ursprünglich geplante Termin der Fertigstellung 2009 verschob sich weiter.

      Die feierliche Eröffnung erfolgte dann Sonntag, 15. Dezember 2013. Damit müssen die Züge Leipzig nicht mehr umfahren, sondern sie unterqueren die Innenstadt. Es werden pro Stunde und Richtung zwölf S-Bahnen und ein Fernverkehrszug den Tunnel durchfahren. Damit wird auch die Innenstadt deutlich entlastet vom Individualverkehr.

      Nach Einschätzung des Projektleiters war die Baustelle City-Tunnel die schwierigste Baustelle Europas. Der Tunnel besteht aus zwei Röhren, mit einem Durchmesser von je

      9 m, Länge ca. 3,9 km.

      Es gibt 4 unterirdische Stationen:

       Hauptbahnhof, unter den ehemaligen Bahnsteigen 1-5, 18 m tief, Bahnsteiglänge 215 m

       Markt, 22 m tief, Bahnsteiglänge 140 m

       Wilhelm-Leuschner-Platz, 21 m tief, Bahnsteiglänge 140 m

       Bayerischer Bahnhof, 20 m tief, Bahnsteiglänge 140 m

      Hinzu kommen noch zwei neue Haltepunkte – Leipzig Nord und MDR. Die Durchfahrt durch den Tunnel ist zugelassen für S-Bahn, Regionalbahn und auch für Fernzüge, einschließlich ICE. Die maximal zulässige Geschwindigkeit liegt bei 80 km/h, 12 Züge verkehren pro Stunde in jede Richtung.

      Hauptgrund für den Bau des Tunnels war die Verkürzung der Reisezeiten in das Umland sowie in Richtung Süden, d. h. von Leipzig über Regensburg nach München.

      Etwa 35.000 Fahrgäste nutzen den Tunnel täglich. Das folgende Schema gibt einen Überblick über das gesamte Bauvorhaben:

      Nun einige interessante Aspekte zum Bau des Tunnels:

      Die Station Hauptbahnhof entstand 18 m unter der Empfangshalle und der Straßenbahnhaltestelle vor dem Westeingang des Hauptbahnhofs.

      Im März 2008 traf die Tunnelbohrmaschine hier ein.

      Die Bahnsteige 1-6 wurden dazu geräumt. Hier entstand die nördliche Ein - und Ausfahrt in den City-Tunnel. Als die neue Station und der Tunnel fertig waren, wurde der Bahnsteig Nr. 6 wieder in Betrieb genommen. Die Bahnsteige 1-3 gibt es nicht mehr.

      Bahnsteige 4 und 5 liegen im Bereich der unterirdischen U-Bahn-Station.

      Für die Tunnel-Station „Markt“ musste das Untergrund-Messehaus am Markt weichen. Es wurde 1924 errichtet und zur Frühjahrsmesse 1925 eröffnet.

      Die Ausstellungshalle, zu der auch eine Gaststätte gehörte, war 89 m lang, 45 m breit und 5 m hoch. Auf 1.850 m² konnten 175 Aussteller der Nahrungs- und Genussmittelbranche ihre Waren präsentieren.

      Es war das einzige unterirdische Messehaus der Welt.

      Architekt war Karl Gröner.

      Eingang zum ehem. Untergrundmessehaus

      Der historische Eingangsbereich der alten Untergrundmessehalle wurde originalgetreu rekonstruiert einschließlich der alten Türen und ist jetzt Ein- und Ausgang der unter dem Markt errichteten City-Tunnel-Station.

      Tunneleingang Markt, Südseite

      Der ehemalige Eingang des Untergrundmessehauses wurde 2013 als Südzugang zur Station Markt wieder eröffnet. Fußboden und Wände wurden mit aus Portugal importierten Terrakotta-Platten ausgekleidet.

      Der Aushub, der beim Bau der Untergrundmessehalle angefallen war, wurde zum Verfüllen der Alten Elster genutzt. 40 Tonnen schwere Stahlbetonträger überspannen nunmehr die Station Markt. Zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen wie unterirdische Betonfundamente und Verankerungen der Seitenwände wurden nötig.

      Der weitere Deckenaufbau:

       1,5 m Schicht Deckenbeton

       2,5 m Erde

       historisches Straßenpflaster

      Interessant ist, dass bei den hier durchgeführten Bauarbeiten Teile des allerersten Leipziger Marktpflasters gefunden wurden. Die Leipziger Volkszeitung vom 12.9.2008 schrieb hierzu: „Es stammt aus dem 13. Jahrhundert, besteht aus Geröllsteinen, Kies und Knochen, die einfach in den lehmigen Boden getreten wurden“.

      Der Leipziger Markt diente im 13. Jahrhundert als Lehmgrube.

      Die Station Wilhelm-Leuschner-Platz ist aus architektonischen Gründen 4 m breiter, deshalb liegen dort 90 Tonnen schwere Deckenträger. Da sich der Boden als


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