Langeooger Dampfer. Peter Gerdes

Langeooger Dampfer - Peter Gerdes


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rauche ich nicht mehr.« Sina gefiel der Gedanke, für ein paar Minuten aus diesem Getümmel herauszukommen. »Aber wenn du eine für mich hättest, so ausnahmsweise …«

      »Ich sagte dampfen. Nicht rauchen. Mensch, Sina, ich rauch doch nicht mehr. Werde mir doch meine schöne Lunge nicht mit Teer zukleistern.« Sie zog ein Gerät aus der Jackentasche, das entfernt an einen Akku erinnerte – mit einem kleinen Sauger seitlich oben dran. Sina nahm einen fruchtigen Geruch wahr, mit Spuren von Lakritze.

      »Du also auch?« Sina zuckte mit den Schultern. »Egal, ich komme trotzdem mit raus. Frische Luft ist auch etwas Feines.«

      Im Hinausgehen warf sie einen letzten Blick auf das rot-weiß geringelte Pärchen in der Nische. Auf die kleine Tinka, die sich in Robin Seefeld verliebt und ihren Freund betrogen hatte. Und auf Karl Antes, ihren Freund, nicht ohne Grund Kante genannt. Er war Tinka auf die Schliche gekommen. Jetzt hatte sie ein blaues Auge. Und Robin war tot.

      Bea konnte es anscheinend gar nicht abwarten, vor die Lokaltür zu kommen; sie pflügte durch die Menschentrauben wie ein Dampfer durch Schönwetterwellen. Sina folgte in ihrem Kielwasser.

      10.

      Stahnke legte sein Smartphone auf den Dinettentisch. »Ich zeichne unser Gespräch auf«, konstatierte er. »Nennen Sie bitte Ihren Namen und Ihren Wohnort.«

      »Ist das überhaupt zulässig?« Maik Schubert saß breit auf der Polsterbank, die dicken Arme verschränkt. Sein Ton klang schon wieder ganz schön aufsässig. »Dürfen Sie das so einfach, mich verhören? Ohne meinen Rechtsanwalt?«

      »Sie haben einen Rechtsanwalt?«, fragte Lüppo Buss zuckersüß. »Wie ist denn wohl sein Name und wo ist seine Kanzlei?«

      Schubert zog einen Schmollmund. »Nee, hab ich nicht«, murmelte er.

      Dabei hatte er mit seiner Frage vollkommen recht, dachte Stahnke. Für eine Befragung wie diese gab es Regeln! Sie hatte in einem geeigneten Raum der nächstgelegenen Dienststelle stattzufinden, und natürlich war dem Verlangen nach einem Rechtsbeistand umgehend nachzukommen. Das und vieles mehr war einzuhalten, oder die gewonnenen Erkenntnisse konnten in einem eventuellen Gerichtsverfahren nicht verwendet werden. Ganz egal, ob sich dieser Maik Schubert als Zeuge erwies oder als Beklagter.

      Was sich hier abspielte, war aber alles andere als der Regelfall. Statt in einer Amtsstube saßen sie zu dritt in einem abgeranzten Wohnmobil, und draußen flickten gerade ein Notarzt und drei Sanitäter zwei Verletzte zusammen, die von Polizeibeamten Prügel bezogen hatten. Von Polizisten, die davon nichts in ihren Berichten erwähnen würden. Und die hofften, damit durchzukommen, weil sie die Betroffenen und deren vier Kumpels unter Druck gesetzt hatten. Mein lieber Mann, dachte Stahnke, wir sind auf ganz dünnem Eis unterwegs.

      Ausgeschlossen, jetzt umzukehren.

      Der Hauptkommissar deutete auf sein Mobiltelefon. »Aufnahme läuft«, sagte er. »Das – oder doch noch die 110.«

      Schubert seufzte. »Okay«, sagte er gedehnt und genervt. »Was wollen Sie wissen?«

      »Diese Gruppe hier, Sie und Ihre Kumpels da draußen – was ist das für ein Verein?«, fragte Stahnke.

      »Wir sind ein Fußballguckklub«, erwiderte Schubert.

      Stahnke blieb ruhig. Der will mich doch auf den Arm nehmen, dachte er. Er schaute auf Lüppo Buss; der dachte offenbar dasselbe, keine Frage, und seine Miene blieb ebenfalls stoisch.

      Maik Schubert seufzte; es klang enttäuscht, wohl wegen der überschaubaren Wirkung seiner Worte. »Wir treffen uns immer zum Fußball gucken«, erläuterte er. »Champions League, Länderspiele oder Bundesliga, je nachdem, was es gibt. Wir haben ja alle Sky.«

      »Und das nennen Sie einen Klub?«, fragte Lüppo Buss.

      »Na ja, nur so, zum Spaß. Immer da, wo wir gerade Fußball gucken, schmücken wir den Vorgarten mit Rum- und Colaflaschen. Und Whiskey. Und natürlich Wodka.«

      »Natürlich.« Der Inselpolizist nickte so verständnisvoll, als wüsste er keinen besseren Platz für Leergut als einen Vorgarten.

      Schubert zuckte mit den Schultern. »Wir arbeiten alle bei VW in Emden, am Band, in derselben Schicht. Und wir treffen uns regelmäßig im Fitnessstudio. Da brauchen wir einen Ausgleich.«

      »Einen Ausgleich. Klar.« Stahnke nickte. Zum Ausgleich könntet ihr auch mal ein gutes Buch lesen, dachte er. Er schaute Maik Schubert ins Gesicht; schon bezweifelte er seinen eigenen Gedanken.

      »Und das?« Seine Handbewegung schloss das Wohnmobil und den benachbarten Campingwagen ein. »Ist das auch Teil dieses Ausgleichs?«

      »Na sicher.« Schubert nickte eifrig. »Wir wetten immer, auf jedes Spiel, das wir gucken. Spielausgang, klar, aber auch, wer die Tore schießt, wer vom Platz fliegt und so. Wenn’s keiner richtig hat, kommt der Einsatz in die Kasse. Da kommt einiges zusammen! Und als es diese außerplanmäßigen Werksferien gab, wegen Absatzkrise und Dieselskandal und so, da haben wir uns gesagt, jetzt gehen wir campen und hauen alles schön auf den Kopf.«

      »Zum Beispiel bei einer Dünenparty auf Langeoog«, warf der Inselpolizist ein. »So richtig schön.«

      Schubert stemmte seine Ellbogen auf die Tischplatte. Deren Aufhängungen knackten bedenklich. »Es war so heiß an diesem Tag, wir waren nur am Schmoren, da hat Helmut gesagt, fahren wir doch rüber, auf der Insel ist immer schöner Wind. Baden können wir auch. Und so. Also sind wir zur Fähre.«

      »Mit Rucksäcken voller Getränke«, ergänzte Lüppo Buss. »Dosenbier und Schnaps. Außerdem paketweise Grillwürste.«

      »Na klar!«, ereiferte sich Schubert. »Wissen Sie, wie teuer da drüben alles ist?«

      »Weiß ich«, sagte der Inselpolizist.

      »Damit sind Sie über den Strand direkt in die Dünen gestiefelt«, sagte Stahnke.

      Schubert nickte.

      »Und haben da Ihre Fete abgezogen. Obwohl dort das Betreten aus Gründen des Natur- und Küstenschutzes streng verboten ist«, stellte Lüppo Buss fest.

      »Konnten wir doch nicht wissen«, nölte Schubert.

      »Weil da ja auch nirgendwo Schilder stehen. Oder Absperrungen.« Lüppo Buss lächelte unbeirrt, und Stahnke ahnte, dass er nicht der einzige Binnenvulkan in dieser Campingbehausung war.

      »Als Erstes haben Sie ein Lagerfeuer angezündet«, fuhr Stahnke fort. »Wegen der Würstchen. Und weil Ihnen ja auf dem Festland so heiß gewesen war.«

      »Feuer ist immer geil«, sagte Maik Schubert. »Und Holz lag am Strand genügend rum.«

      »Dort, wo Sie feierten, lagen dafür sehr bald leere Dosen und Flaschen herum«, warf der Inselpolizist ein. Seine Stimme zitterte nur ganz wenig.

      »Hätten wir ja alles wieder mitgenommen!«, brauste Schubert auf. »Ist doch Pfand drauf, oder etwa nicht? Jedenfalls auf den Dosen. Da hätte sich dieser Blödmann gar nicht so künstlich aufregen müssen.«

      »Mit Blödmann«, sagte Lüppo Buss, »meinen Sie Robin Seefeld, richtig? Hersteller von Kunstgegenständen aus Treibholz, der bei der Suche nach neuem Material für seine Objekte auf Sie und Ihre Kumpels gestoßen war.«

      »Der hat sich aufgeführt, als ob er was zu sagen hätte!«, ereiferte sich Schubert. »Von wegen Feuer verboten, Betreten verboten, Müll entsorgen verboten! Aufgespielt hat der sich wie ’ne Tüte Mücken. Wollte uns sogar fotografieren.«

      »Hat er auch.« Der Inselpolizist hob kurz sein Smartphone. »Die Bilder hat er mir geschickt. Ganz schön groß das Feuer, nicht? Bloß für Würstchen?«

      »Och. Feuer an der Küste machen, das hat doch Tradition.« Maik Schuberts Blick huschte zwischen beiden Ermittlern hin und her. Worauf war der aus – auf Zustimmung etwa?

      »Hier ist ein sehr schönes Foto von den Scherben.« Jetzt war das Beben in Lüppo Buss’ Stimme nicht mehr


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