8 Krimis: Killer kennen kein Gebot: Krimi Sammelband 8009. Frank Rehfeld
einiges flüstern. Zwei habe ich auf meine Art beruhigt, aber der dritte, dieser Wurmfortsatz, der hat mir dann eine verpasst, dass mir die Luft aus den Reifen rauschte. Direkt auf dem Parkplatz vor unserem Sportclub war es. Ja, und als ich aufgewacht bin, da waren sie alle drei weg. Mann, o Mann, sogar mein Portemonnaie haben sie mir geklaut, und ich verdurste bald. Gibt‘s hier was zu trinken?“
Der Baron entschloss sich, ihn doch zum Tisch mitzunehmen. „Da drüben, aber reden Sie keine Opern, James. Ist noch was Besonderes außer diesem Fight?“
„Hmm“, meinte er überlegend, „der eine, den ich zuerst auf die Bretter nagelte, der hat mir was geflüstert, von wegen sofort Dr. Ferrenc freilassen und so ‘n Zeug. Der blöde Hund, als ob ich das entscheiden könnte.“
„So? Das war allerdings ein Zahn zu viel. Na, kommen Sie, wir trinken einen auf Ihre Straßenschlacht. Haben Sie die Polizei verständigt?“
Er schüttelte den Kopf, verzog aber sofort heftig das Gesicht und griff sich an die Schläfe. „Nein“, erwiderte er ächzend. „Dachte, das würde Ihnen nicht in den Rahmen passen. Ich glaube, ich musste Ihnen das verklickern, bevor Sie auch mit den drei Jungs zusammentreffen. Habe so ein Gefühl, als ob die schon auf Sie warten, und da möchte ich liebend gern dabei sein. Rache ist Blutwurst!“
Sie erreichten den Tisch, und der Baron sagte zu Miss Gillmore: „Unser gemeinsamer Freund hatte eine kleine Auseinandersetzung. Ich hoffe, er ist willkommen.“
Sie lachte, als sie James begrüßte, und sagte leise: „Na, das muss ja schon eine Lokomotive gewesen sein, mit der Sie zusammengeraten sind.“
James verzog das Gesicht zu säuerlicher Miene und meinte trocken: „Stimmt, aber sie ist dabei entgleist, Madam.“ Er nahm das Glas vom Baron, trank davon und fragte: „Durfte ich?“ Eine herzerfrischende Art, sich sein Einverständnis einzuholen.
Der Baron winkte einen Kellner, und James hatte ein paar Minuten später einen Sodaflip vor sich, den er hastig trank, dann aufsprang und sich überstürzt verabschiedete. Dem Baron raunte er zu: „Ich warte draußen.“ Dann verschwand er.
Lucy Gillmore lachte und meinte zum Baron: „Ein merkwürdiger Bursche.“
„Ja, mit einem Herzen aus Gold. Aber jetzt will ich Sie mal etwas fragen: Kennen Sie Schwester Gloria, ich meine Miss Mitchell, näher?“
Sie nippte an ihrem Martini und sah Alexander über ihr Glas hinweg nachdenklich an. Schließlich sagte sie, während sie das Glas absetzte: „Sie ist jung. Ihre Mutter ist mit Dr. Ferrenc gut bekannt … hm … sehr gut, möchte ich sagen.“
„Sie verdächtigt Dr. Ferrenc.“ Lucy Gillmore zog die Augenbrauen hoch. „Wie kommt sie dazu? Wenn jemand das beurteilen könnte, dann höchstens Dr. Proud oder ich. Er ist ein guter Chirurg, nur …“ Sie brach ab und malte mit dem Zeigefinger imaginäre Figuren auf die Tischplatte.
„Nur?“, fragte der Baron.
„Ach nichts, ich will es nicht sagen.“ Sie sah auf, lächelte wieder und fragte: „Sind Sie etwa schon müde? Wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen? Es ist doch furchtbar, Sie immer mit Baron anreden zu müssen.“
„Okay, sagen Sie Alexander zu mir, Lucy“, erwiderte er, und er fand ihren Vorschlag gar nicht so übel.
Sie tanzten, sie plauderten, nur von dem „Fall“ sprachen sie nicht. Der Baron erfuhr dennoch eine Menge über Dr. Ferrenc, so, wie sie ihn sah. Das gab kein schlechtes Bild. Und Lucy war bezaubernd.
Nachher brachte Alexander sie im Taxi nach Hause. Sie bewohnte ein Zimmer ganz oben im Hospital, also fuhren sie dorthin. Während der Fahrt kamen sie sich auch ein bisschen näher, und als sie ausstiegen, duzten sie sich.
Der Baron entlohnte den Fahrer, weil er lieber noch ein Stück zu Fuß gehen wollte, die Nacht war angenehm kühl. Wieder duftete es nach Lindenblüten, und in den Sträuchern des Parks zirpten die Insekten. Glühwürmchen schwirrten umher, am Himmel standen unzählige Sterne, alles in allem Romantik en gros.
Lucy lehnte sich an Alexander und sah verträumt zu ihm auf. „Liebst du mich?“, fragte sie.
„Hm, da muss ich mal darüber nach denken.“
Sie lachte leise. „Du solltest dich beeilen, Alexander. Ich bin ein gefragter Typ.“
„Wer fragt denn alles? Vielleicht dieser Dr. Hiller?“ Der Baron musste daran denken, was er alles über die Schwestern zu erzählen wusste.
Er spürte, wie sie unter seinem Arm steif wurde. Und im matten Lichtschein, der von den Lampen des Hospitaleingangs auf ihr Gesicht fiel, sah er, dass sie nicht mehr lachte.
„Alexander, sprich nicht von ihm!“, sagte sie spröde und löste sich aus seinem Arm.
„Ein Freund von dir?“ Alexander tat so harmlos wie er konnte, aber ihm sagte eine innere Stimme, dass dieser Mann für Lucy doch bedeutungsvoll sein musste.
„Ich möchte jetzt gehen, Alexander.“ Sie schmiegte sich an seine Schulter und flüsterte: „Alexander, vergiss mich!“
Bevor er sich versah, gab sie ihm einen flüchtigen Kuss und lief die Stufen zum Personaleingang hinauf. An der Tür winkte sie noch einmal und verschwand dann. Eine Weile wartete der Baron noch, zündete sich eine Zigarre an und schlenderte davon.
Er ging den Parkweg entlang, und nach ein paar Schritten drehte er sich noch einmal um und sah, wie ganz oben im Hospital hinter einem Fenster Licht anging. Er tat einige Schritte zur Seite, so dass er besser erkennen konnte, ob jemand oben hinter dem Fenster auftauchen würde. Es geschah auch wirklich. Eine Männergestalt, und daneben Lucy. Dann zog der Mann die Vorhänge zu.
„Hoppla“, brummte Alexander. „Sieh mal einer guck!“
Der Weg durch den dunklen Park konnte seine Tücken haben, und so lief der Baron quer über den Rasen auf die Umzäunung zu. Man kann ja nie wissen. Wo James steckte, wusste er übrigens auch nicht. Sollte er wirklich die ganze Zeit hinter ihm geblieben sein? Am Club war er noch dagewesen. Treu wie sein Schatten.
Wider Erwarten geschah nicht das, was Alexander vermutete. Da steckte niemand hinter den Büschen, jedenfalls zeigte sich keiner. Er gelangte am Zaun entlang bis zum Tor der Einfahrt, betrat unangefochten die Straße und ging langsam dahin. Völlig allein, niemand vor und hinter ihm. Das Tappen seiner Schritte hallte von den Häusern in der North-West 20 th Street wieder. Die laue Luft wehte vom Meer, fächelte in den Akazien, die den Fußweg säumten. Ein paar abgestellte Autos auf den Parkstreifen, sonst nichts auf der Straße. Er warf einen Blick auf die Uhr: kurz nach Mitternacht. Und wie auf ein Zeichen, erlosch jede zweite Straßenlampe. Es war mit einem Male viel düsterer.
Alexander gab schon die Hoffnung auf ein Taxi auf, als er hinter sich ein Auto hörte, das relativ langsam dahinfuhr. Er sah sich um und erkannte das beleuchtete Taxischild. Damit der Fahrer ihn sehen sollte, trat er ein paar Schritte auf die Fahrbahn und winkte. Der Wagen kam heran und stoppte. Ein glatzköpfiger Mann steckte den Kopf zur Scheibe heraus. „Taxi?“
„Genau“, erwiderte der Baron und stieg hinten ein. Kaum saß er, fuhr der Wagen an. Das fiel dem Baron sofort auf.
Und dann schob sich neben dem Fahrersitz eine Gestalt hoch. Das ging so schnell, dass Baron Strehlitz seine Automatic nicht mehr aus dem Holster bekam. Denn dieser Bursche neben dem Fahrer hielt die Pistole schon in der. Hand. „Still, mein Freund, wir haben lange genug auf dich gewartet. Verdammt lange! Keine Bewegung!“
„Was sind das für raue Sitten, eh?“, knurrte der Baron.
Der Fahrer zeigte mit keiner Regung, ob er ebenfalls bedroht wurde oder zu diesem meckigescherten Burschen gehörte, der mit seiner FN 6,35 auf den Kopf des Barons zielte.
„Die Sitten sind rau für Schnüffler“, meinte der Meckikopf. Leider konnte der Baron sein Gesicht nicht sehr deutlich sehen. Ein breiter Kopf mit abstehenden Ohren.
„Wir haben nicht vor, dir etwas zu tun.