8 Krimis: Killer kennen kein Gebot: Krimi Sammelband 8009. Frank Rehfeld
an Dr. Ferrenc mehr daran, als er anfangs geglaubt hatte. Die Angelegenheit wurde immer verwickelter, und Baron Strehlitz musste sich mehr denn je eingestehen, dass er sich von Gefühlen leiten ließ.
Auch auf Lucy konnte er sich keinen rechten Vers machen. Und auch jetzt ertappte er sich wieder dabei, einem Gefühl nachzugeben, weil sie einen Mann in ihrem Zimmer erwartet hatte. Was wusste denn der Baron wirklich? Nichts als Vermutungen das Ganze. Auch Hartman wusste keine Beweise, keine Geständnisse vorzulegen.
Der Baron wollte nur noch einmal mit Dr. Ferrenc reden, und dann jede Kleinigkeit selbst nachprüfen.
Wieder wünschte er sich, den ganzen Fall wegen Befangenheit zurückzuweisen.
Doch so einfach war das alles nicht. Mike erwartete von ihm, dass er ihm helfen würde. Er hoffte und rechnete fest damit, der Baron versuchte sich vorzustellen, wie ihm zumute war. Beschuldigte man ihn zu Unrecht, war er geradezu darauf angewiesen, jemanden mit seinem Fall betraut zu wissen, der es gut mit ihm meinte. Hartmans These lag so felsenfest, dass der Baron daran zweifelte, den Polizeiinspektor mit Entlastungsmomenten oder Indizien überzeugen zu können. Hartman hatte sich einfach in seine Theorie verrannt.
Oder war der Baron derjenige, der sich verrannte? Lag vielleicht alles klar auf der Hand, nur in seinem Glauben an Mike und dessen Unschuld ließ es ihn einfach die Tatsachen nicht sehen? Sah er alles im falschen Licht?
„Sie sehen blass aus, Baron. Ist Ihnen nicht gut?“, fragte Hartman und es klang geradezu väterlich besorgt.
Der Baron wischte sich über die Stirn. „Ach, müde, nichts weiter.“
„Baron, geben Sie den Fall wieder ab“, sagte er leise und eindringlich. „Es geht über Ihre Kraft. Ich verstehe Sie gut. Er ist Ihnen zu vertraut. Sie können einfach nicht gegen ihn ermitteln.“
Der Baron sah Hartman an. Sein faltiges Warzengesicht wurde ihm direkt sympathisch. In seinem Blick lag wirklich rührende Sorge. Er hatte also auch ein zweites Gesicht, und das war sehr menschlich.
Der Baron lächelte. „Danke, Hartman, die Tasse Kaffee hilft schon, es ist nichts weiter. Sicher, ich bin nicht glücklich darüber, dass der Verdächtigte ausgerechnet Dr. Ferrenc ist, aber …“
„Aber Sie wollen weitermachen.“ Er nickte, als hätte er es nicht anders erwartet. „Okay, ich verstehe Sie. Aber ich glaube, diesmal brauchen Sie Hilfe. Ich biete sie Ihnen an!“
Er streckte dem Baron seine magere knochige Hand entgegen, und Alexander schlug ein. Dieser alte Haudegen hatte mehr Herz, als der Baron ihm zugetraut hätte. Und weiß Gott, er würde diesmal tatsächlich jemanden brauchen, der ihm half. Wusste er, wie er reagieren würde, wenn eine fragwürdige Situation entstand, beispielsweise eine Gewissensentscheidung? Vielleicht, so sagte er sich, ist es gut, wenn Hartman eine Art Gegenpol zu ihm sein wird.
„Ich halte Ferrenc für schuldig“, erklärte Hartman. „Er ist in die Sache auf alle Fälle dick verwickelt, daran beißt die Maus keinen Faden ab. Jetzt heißt es nur, seine Komplicen zu fassen, damit wir ein paar Aussagen haben, die ihn zu einem Geständnis zwingen. Das ist meine Marschroute. Wollen Sie auf dieser Linie mit mir arbeiten?“
„Was macht Ferguson?“, fragte der Baron.
Hartman zuckte die Schultern. „Noch keine genauen Anhaltspunkte. Es gibt ein paar Zeugen, die sich wie üblich widersprechen, aber immerhin. Also, ich wollte von Ihnen eine Antwort!“
„Gut, ich gehe auf dieser Linie mit.“ Hartman sah den Baron fest an. „Dann verzichten Sie am besten auf ein weiteres Verhör von Dr. Ferrenc. Das tut nicht gut. Überlassen Sie das am besten mir.“
„Na schön, fest versprechen will ich das nicht, aber für heute wollen wir es dabei lassen“, antwortete der Baron. „Was Neues von Dr. Proud?“
Hartman schüttelte den Kopf. „Ich werde mal hören, was von Miss Keil zu erfahren ist, denn wenn sie reden kann, sollten Sie das Verhör übernehmen, okay?“
Der Baron merkte, dass Hartman das Zepter dieses Falles in die Hand nehmen wollte, und es war ihm ausnahmsweise sogar gleichgültig. Es deprimierte ihn, gegen einen Freund ermitteln zu müssen, dass er am liebsten den ganzen Kram hingeschmissen hätte.
Sie gingen zusammen hinaus, und über Sprechfunk erhielten sie Verbindung zum Jackson Hospital. Was sie befürchteten, war eingetreten. Mary Keil hatte den Transport nicht lebend überstanden.
Indessen war auch die Mordkommission schon eingetroffen, und die übliche Ermittlungsarbeit begann. Der Baron setzte sich zu James in den Le Mans und rief Hartman zu: „Ich fahre zum Hospital und nehme mir nochmals die Schwestern vor.“
Er nickte nur und sprach dann weiter mit dem Leiter der Mordkommission.
10
Kurz vor der Brücke über den Miami River erreichte Alexander und James die Nachricht, dass Schwester Gloria Mitchell einen Selbstmordversuch verübt hatte, der aber zum Glück von Schwester Lucy Gillmore gestört worden war. So blieb Schwester Gloria am Leben.
Hartman schaltete sich über Funk ein und sagte: „Baron, jetzt beginnen die Puppen zu tanzen. Wir haben Fingerabdrücke gefunden, die einwandfrei von Dr. Proud stammen. Und zwar an der Farbdose. Außerdem welche von Dr. Ferrenc und einer weiblichen Hand. Wem sie gehört, müssen wir noch herausfinden. James sollte am besten die Abdrücke aller Personen im Hospital nehmen, die mit Lieutenant Koog zu tun gehabt haben.“
Der Baron versprach es ihm, und sie fuhren weiter zum Hospital. Doch schon kam wieder eine Meldung, diesmal von Evans.
„Baron, eine dringende Nachricht! Kommen Sie erst zu uns. Dieser Wake Emmenter hat in seiner Wohnung, vielmehr im Keller seiner Wohnung etwas verborgen, das Sie interessieren dürfte. Ich kann Ihnen über Funk nicht mehr sagen. Ich muss auf Sie warten, ehe ich andere Anweisungen geben kann.“
„Okay, wir kommen“, sagte der Baron und schaltete das Gerät ab. „Fahr zu, James, zur Lincoln Road in Miami Beach.“
„Na, endlich zeigen sich ein paar Lichter, was?“, meinte James.
„Hmm“, brummte der Baron nachdenklich.
James war trotz seiner beiden Prügeleien obenauf. „Wissen Sie, wenn die Sache so richtig in Fahrt kommt, macht es Spaß. Nur die langweiligen Ermittlungen, die sind zum Kotz …“
„James, auch die sind wichtig!“, unterbrach der Baron ihn. „Ohne die geht es nicht. Und mir wäre lieber, ich würde mich zur Zeit auf dem Mond befinden.“
„Die Kleine, mit der Sie gestern Abend getanzt haben, die war eine Wolke.“
„So?“
James schnippte mit den Fingern. „Das wäre schon was für ‘n ausgewachsenen Jungen wie mich. Sind Sie mit ihr wieder verabredet?“
„Ist das wichtig?“, sagte der Baron abweisend.
James lachte aber. „Na ja, wäre die richtige Partie für Sie. Geht doch nichts über einen hübschen Käfer. Das freudlose Dasein eines Junggesellen ist ja nur dann erträglich, wenn man ab und zu einen Käfer an Land ziehen kann.“
„Haben Sie aber Sorgen, James.“
Der kratzte sich am Hinterkopf und fuhr eine Weile freihändig, weil er auch noch mit der Linken nach den Zigaretten in der Rocktasche suchte. „Das Leben ist hart, man muss selbst etwas Anständiges daraus machen … Na, wo stecken sie denn nur? Ach so … ja, ich für meinen Teil habe ein Püppchen, das ist schon ein abendfüllendes Programm, sage ich Ihnen … Hoppla, der Kerl kann auch aufpassen, was? Führerschein auf der Kegelbahn gemacht. Und wenn man dann so zum Tanz geht, dann weiß man immer, mit wem man loszieht … Schon wieder rot auf der Kreuzung. Diese Ampel ist ewig rot. Bin noch nie bei grün ‘rübergekommen, gibt es gar nicht. Immer rot! Woher hat dieser Dr. Proud nur den tollen Cadillac, und noch weiß? Ist ja eine ungünstige Farbe. Auto zum Putzen; jeden Flecken sieht man. Na endlich,