Wie Deutschland gespalten wurde. Ulrich Heyden

Wie Deutschland gespalten wurde - Ulrich Heyden


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Die Stimmung unter den Hamburger Linken war nach dem Zusammenbruch des realen Sozialismus mau. Und da kam dieser Gysi, der in seiner humorvollen Art ganz anders rüberkam als die bekannten Partei-Oberen aus DDR.

      Der PDS-Vorsitzende erzählte, fast wie in einem schönen Märchen, die Geschichte des Sozialismus sei noch nicht zu Ende. Es gäbe einen dritten Weg, jenseits von Stalinismus und Kapitalismus.

      Die Zuhörer in Hamburg waren fasziniert von diesem Mann, für den das Ende des „realen Sozialismus“ kein Grund für Trauer war, sondern Anlass, frohen Herzens neue Wege zu beschreiten.

      Doch nicht Wenige blieben skeptisch. Mit dem „dritten Weg“ hatte doch schon Lenin in seinen Werken abgerechnet. War diesem Gysi zu trauen?

      Für die Medien war der neue Polit-Star Gysi ein gefundenes Fressen. Einige Zeit konnten sich Zeitungen und Fernseh-Sender nicht entscheiden, ist Gysi nun gut und schlecht für Deutschland?

      Dann begann man dem Parteivorsitzenden aus Ost-Berlin und der PDS Steine in den Weg zu legen. Es durfte einfach nicht sein, dass die Nachfolgepartei der SED sich völlig gleichberechtigt am deutschen Politik-Betrieb beteiligt.

      Wieder und wieder wurde der Vorsitzende der PDS vom „Spiegel“ ohne Beweise als informeller Mitarbeiter der Stasi verdächtigt. Jahrelang hagelte es Vorwürfe, die PDS habe sich ungesetzlich „Milliarden“ der SED angeeignet.

      Das Kuckucks-Ei, welches die DDR der BRD ins Nest gelegt hatte, wurde vom Verfassungsschutz beobachtet. Im März 2014 teilte Innenminister Thomas de Maizière dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi mit, dass Bundestagsabgeordnete seiner Partei nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

      Doch diese Erklärung war unglaubwürdig. Ein Beispiel: Die Linke-Politikerin und Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau, bekam zwar Einsicht in ihre Akte, die der Verfassungsschutz über sie führte. Große Teile der Akte waren jedoch geschwärzt17.

      Das Schwärzen von Akten schürt Unsicherheit. Für ein Land, welches international für Demokratie und Menschenrechte eintritt, ist so eine Praxis höchst fragwürdig.

       „Spiegel Online“ fordert von der Partei Die Linke Treue zur Nato

      Bis heute steht die Partei Die Linke unter strenger Beobachtung der deutschen Medien. Immer wenn Jemand aus der Partei Die Linke direkte Kritik an der NATO und der USA übt, kommt eine Gegenattacke von den „Leitmedien“. Als der Linken-Abgeordnete Alexander Neu im Bundestag am 10. März 2020 eine Veranstaltung18 der Linken-Fraktion zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen organisierte, auf der eine der russischen Regierung nahestehende russische Politologin ein Referat hielt, lief „Spiegel Online“ Sturm und drohte unterschwellig mit staatlichen Maßnahmen gegen die Partei Die Linke.

      Beim Lesen des Artikels19 von Spiegel-Online-Autor Jonas Schaible über die Linken-Veranstaltung hat man den Eindruck, dass der Artikel nicht von einem unabhängigen Journalisten, sondern von einem Pressesprecher des Verfassungsschutzes geschrieben wurde. In dem Spiegel-Artikel heißt es, „die Linke steht derzeit unter Beobachtung wie lange nicht. Nach diesem Abend noch etwas mehr.“

      Die Veranstaltung der Linken mit einer russischen Politologin sei eine „heikle Veranstaltung in einem heiklen Moment“, schreibt Spiegel-Online. Warum heikel? Weil der Abgeordnete Neu „als Initiator einer Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin wegen des US-Drohnenmordes am iranischen General Qassim Soleimani gerade erst den Zorn vieler in Partei und Fraktion auf sich gezogen hat und jetzt ein Podium bekommt.“

      „Heikel“ ist also, wenn ein deutscher Bundestagsabgeordneter Willkürakte der USA von deutschem Boden aus unterbinden will und russische Politologen auf Veranstaltungen sprechen lässt. Kaum zu glauben, dass solche Artikel heute als „Journalismus“ anerkannt werden, wo sie doch eigentlich PR für die Regierung sind.

      SPON-Autor Schaible fordert von der Partei „Die Linke“ absolute Treue zur Nato und zur USA. Er schreibt: „Heikel ist die Veranstaltung, weil die Partei schon lange damit ringt, dass immer wieder Linke Diktaturen und Menschenrechtsverletzungen allenfalls halbherzig kritisieren, wenn es um linke Regierungen wie in Kuba und Venezuela, oder eben um Russland geht. Das aber wirft die Frage auf, ob man mit dieser Partei regieren kann. Und mehr noch: ob alle in der Partei bedingungslos zur liberalen Demokratie stehen.“

      Dass die Dienste und „Leitmedien“ gegen Linke Misstrauen schüren, ist seit 1945 eine Konstante in der westdeutschen und Politik. Die Öffentlichkeit hat sich an diesen Zustand gewöhnt, aber mit Demokratie hat das nichts zu tun. Demokratie heißt, gleiche Chancen für alle, auch für die kleineren Parteien.

      Die folgende historische Untersuchung ist eine überarbeitete Fassung meiner Magisterarbeit, die 1990 von der Historischen Fakultät der Universität Hamburg angenommen wurde.

      Ulrich Heyden, August 2020

       Einleitung

       1. Fragestellung

      Im Mittelpunkt der KPD-Politik in Westdeutschland in der Zeit von 1945 bis 1948 stand das Bemühen in ganz Deutschland eine "antifaschistische Demokratie" aufzubauen. In ihrem Aufruf vom Juni 1945 erklärte die KPD-Führung, es wäre falsch, Deutschland ein Sowjetsystem aufzuzwingen. Dieser Weg entspräche "nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland."20 Zugleich beschwor die KPD "die Einheit der Alliierten", die im Potsdamer Abkommen ihren Niederschlag gefunden hat. Wesentliche Voraussetzung einer demokratisch-antifaschistischen Entwicklung sei die Schaffung einer "Einheitspartei der Arbeiterklasse". Als gesellschaftspolitisches Vorbild galt der KPD der Umwälzungsprozess in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ).

      Die Ansätze der Einheitsbewegung in Westdeutschland hatten sich in den meisten Städten und Regionen schon bald nach Kriegsende festgefahren. Entgegen den Prognosen im KPD-Organ „Hamburger Volkszeitung“ führte die Vereinigung von KPD und SPD in der SBZ nicht zu einem Aufschwung der Einheitsbewegung in Westdeutschland. Die führenden KPD-Funktionäre nutzten das Stagnieren der Einheitspolitik nicht, um diese grundsätzlich zu überdenken.

      Nach Meinung von westdeutschen Historikern war die zunehmende Erfolglosigkeit der KPD in erster Linie Resultat der KPD- Politik.21 Nach Dietrich Staritz befand sich die KPD in Westdeutschland in einem unlösbaren Widerspruch. Im Rahmen der von der KPdSU geprägten strategisch-taktischen Leitsätze der internationalen kommunistischen Bewegung habe die KPD neben einer innenpolitischen auch eine doppelte außenpolitische Funktion zu erfüllen gehabt:

      "Sie stand einerseits wie ihre westeuropäischen Bruderparteien vor der immer wieder modifizierten Aufgabe, in ihrem engeren Aktionsbereich die globalen Interessen der Sowjet-Union zu propagieren und gegenüber den Westmächten abzusichern oder zu forcieren. Sie war andererseits als Teil einer gesamtdeutsch organisierten Partei auch einem Konzept verpflichtet, das - wie das der osteuropäischen Parteien - auf die volksdemokratische Transformation der SBZ zielte, damit die Spaltung Deutschlands hinnahm, die Möglichkeit einer einheitlichen gesamtdeutschen Entwicklung gleichwohl beständig betonte und womöglich auch tatsächlich offen halten sollte.

      In der KPD der Westzonen kreuzten sich demnach eine eher defensive und eine eher offensive Variante der als einheitlich konzipierten internationalen kommunistischen Strategie. Und das Aufeinandertreffen dieser tendenziell widersprüchlichen Zielfunktionen in einer Partei prägte die Politik, die Entwicklung und damit auch das Schicksal der KPD zumindest ebenso wie ihr politisch-soziales Umfeld, der kalte Krieg und die Spaltung Deutschlands es taten."22

      Anstatt nach "eigenen, situationsgemäßen Kampfformen" zu suchen sowie innerhalb oder außerhalb der Kommunistischen Weltbewegung eine "kritisch-selbstständige Position"23 einzunehmen, habe das Wahrnehmen "internationalistischer Aufgaben" für die KPD einen weitgehenden Einfluss-Verlust bewirkt.

      Werner Müller kritisiert an der KPD-Nachkriegspolitik: Negierung der "Kerninhalte der 'westlichen' Demokratie"24, Vertretung eines ideologisch und nicht politisch begründeten Führungsanspruchs, Befürwortung der unter Ausschaltung einer offenen politischen Auseinandersetzung betriebenen Vereinigung von KPD und SPD in der SBZ.


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