Wie Deutschland gespalten wurde. Ulrich Heyden

Wie Deutschland gespalten wurde - Ulrich Heyden


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Staritz und Müller entwickelten Thesen anhand der "Hamburger Volkszeitung" (HVZ) zu überprüfen. Hinzu kamen eigene Fragestellungen: Gab es Ansätze für die Entwicklung eigenständiger Positionen der KPD in Westdeutschland? Warum scheiterte die Einheitsbewegung? Hatte diese Bewegung in Westdeutschland überhaupt eine Chance? Mit welchen Inhalten traten die KPD und die ihr nahestehende HVZ an ihre Zielgruppen25 (Arbeiter, Teile des Bürgertums, Frauen, Jugendliche) heran? Welche politischen und moralischen Werte vertraten Partei und Zeitung? Wie gestaltete sich der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Partei? Welche Haltung nahmen KPD und HVZ gegenüber ausländerfeindlichen und antisemitischen Stimmungen in der Bevölkerung ein?

       2. Quellenlage und Forschungsstand

      Eine Erschwernis bei der Erforschung der Geschichte der KPD in damaligen Westzonen ist die Quellenlage. Ein Teil der Parteiakten wurde beschlagnahmt. Hiervon ist nur ein kleiner Teil im Bundesarchiv in Koblenz einzusehen.26 Ein anderer Teil der Parteiakten wurde vor der Beschlagnahmung ins Zentrale Parteiarchiv der SED gebracht und war bis 1990 nicht zugänglich. Die Akten des "eigentlichen Archivs der KPD" wurden dem ehemaligen Zentralen Parteiarchiv der SED nach Auskunft des Archivleiters, Prof. Voßke, erst 1990 in einem völlig ungeordneten Zustand übergeben27 und mussten archivwissenschaftlich bearbeitet werden. Diese Quellen konnte ich meine Untersuchung aus finanziellen und zeitlichen Gründen nicht einbeziehen.

      Die für meine Untersuchung wichtigste Quelle war die „Hamburger Volkszeitung“, die seit 1946 mit zunächst 80.000 und ab 1947 mit 30.000 Exemplaren erschien. Soweit es mir für den Gang meiner Untersuchung nützlich erschien, habe ich außerdem folgende Quellen ausgewertet: Die vom ZK der KPD 1945 und 1946 zu Schulungszwecken herausgegebenen "Vortragsdispositionen", einzelne Aufsätze der Funktionärszeitschrift des Bezirks Wasserkante "Weg und Ziel" (WuZ), einzelne Aufsätze, Reden und Rededispositionen führender KPD und SED-Funktionäre, die Dokumentensammlungen zur Geschichte von KPD und SED sowie Archivalien der "Gedenkstätte Ernst Thälmann" (Hamburg) und des Hamburger Staatsarchivs. Schließlich habe ich einige Zeitzeugen - ehemalige Mitglieder der KPD - befragt.

      Die KPD-Nachkriegsgeschichte ist von der westdeutschen Historiographie bis Mitte der 70er Jahre kaum behandelt worden. Bis dahin lagen neben dem 1959 erschienenen Standardwerk von Hans Kluth28 und Dokumenteneditionen aus der Bundesrepublik und der DDR, nur einige Aufsätze vor, die parallel mit dem Aufkommen der westdeutschen Neuen Linken erarbeitet worden waren.29

      Weitere umfangreiche Monographien zur KPD-Nachkriegspolitik wurden erst in den 80er Jahren vorgelegt. Dabei handelt es sich zum einen um eine Arbeit aus dem Bereich der etablierten KPD-Forschung in der Bundesrepublik (Dietrich Staritz30), zum anderen um die Arbeit eines DKP-Autorenkollektivs (Judick/Schleifstein/Steinhaus31).

      Von den Publikationen zur KPD-Nachkriegspolitik seien hier außerdem folgende Arbeiten hervorgehoben: Zu Politik und Programmatik der KPD im Jahre 1945 liegen die Arbeiten von Laschitza32, Kirste33, Benser34 und Sywottek35 vor. Zur Einheitspolitik von KPD/SED gibt es Arbeiten von Müller36 und Hauth37 sowie regional bezogene Arbeiten zum Thema38.

      Eine Arbeit zur nationalen Politik der KPD wurde von Klein vorgelegt.39 Über sozialistische und kommunistische Organisationsversuche außerhalb von KPD und SPD informieren zwei Arbeiten von Kulemann und Wittemann.40

      Weitere Arbeiten erschienen zur KPD-Politik in Nordrhein-Westfalen41, zur Wirtschaft-42, Gewerkschaft-43 und Gesundheitspolitik44 der KPD. Über von der offiziellen Parteilinie abweichende Meinungen, sowie über Fragen der innerparteilichen Meinungsbildung und der Unterdrückung abweichender Meinungen, informieren Berichte von ehemaligen KPD-Mitgliedern45 und mehrere geschichtswissenschaftliche Arbeiten.46

      Die grundlegende Arbeit zur Nachkriegspolitik der Hamburger KPD und SPD wurde von Christier vorgelegt.47 Der Autor untersucht die Politik der beiden Arbeiterparteien in der Zeit von 1945 bis 1949 insbesondere unter dem Gesichtspunkt ihres Verhältnisses zueinander.

       3. Vorgehensweise

      Begonnen habe ich meine Arbeit mit einem Abriss der auf dem 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (KI), im Jahre 1935, eingeleiteten Neuausrichtung der KPD-Politik. Wichtige Elemente der KPD-Nachkriegspolitik wie die Konzeption der antifaschistischen Demokratie und die Frage der Einheitspartei wurden in dieser Zeit entwickelt. Die Voranstellung dieses Abschnitts schien mir auch deshalb sinnvoll, weil das systemoppositionelle Selbstverständnis der KPD aus der Zeit vor 1933 innerparteilich bis Anfang der 50er Jahre immer wieder als gegenläufiger Faktor auftrat.

      Schwerpunktmäßig habe ich in meiner Arbeit Themen behandelt, die innerhalb der KPD umstritten waren sowie Thesen, die von der Geschichtswissenschaft aufgeworfen worden sind. Folgende Fragenkomplexe lassen sich spezifizieren: "NS-Vergangenheit", "Weg zum Sozialismus", "Sozialdemokratie und Kommunismus", "Antikommunismus", "innerparteiliche Demokratie", "Systemopposition"/"Partei des Aufbaus", "die nationale Frage".

      Zur Vertiefung bestimmter Fragen erwies es sich als vorteilhaft, bestimmte Zeitabschnitte und Regionen intensiver zu bearbeiten als andere. Aus arbeitsökonomischen Gründen konnten einige Politikbereiche nur am Rande behandelt werden. Dazu gehören die Bereiche: Betrieb und Gewerkschaft, Bodenreform48, Frauen, Jugend, Gesundheit49, Kultur sowie der Bereich "vorparlamentarische Gremien".

      Der Großteil der Artikel in der von mir ausgewerteten Hamburger Volkszeitung (HVZ) war nicht mit vollem Namen, sondern nur mit Kürzeln gekennzeichnet. Auch wo der volle Autoren-Name genannt wurde, war ein Abgehen von der politischen Grundlinie der KPD nur in wenigen Fällen feststellbar.

      Im Gegensatz zu dem von der KPD in der damaligen Zeit meist gebrauchten Begriff "Westzonen" habe ich in meiner Arbeit für dieses Gebiet den Begriff "Westdeutschland" verwandt.

      Bei einzelnen Zitaten habe ich notwendige Erklärungen zum Verständnis mit meinem Namenskürzel „UH“ und eckigen Klammer in das Zitat eingefügt.

      1 Huster, Kraiker, Scherer, Schlottmann, Welteke, Determinanten der westdeutschen Restauration 1945-1949, 1972, S. 55

      2 Siehe Übersicht 9 „Verbote von Zeitungen der KPD“ im Anhang

      3 Vgl. Peter Brandt, Demokratischer Sozialismus - Deutsche Einheit - Europäische Friedensordnung, Kurt Schumacher in der Nachkriegspolitik (1945 - 1952), S. 51

      4 Vgl. Andreas Rieckhoff: Die SPD-Betriebsorganisation in Hamburg 1945/46-1949/50, Magisterarbeit 1986, Bd. 1, S. 199

      5 Vgl. Huster, Kraiker, Determinanten der westdeutschen Restauration, S. 190

      6 Siehe Tabelle 1 „Mitgliederentwicklung der KPD“ im Anhang

      7 Vgl. Hendrik Bunke. Die KPD in Bremen. 1945-1968, S. 38 ff.

      8 Ebenda, S. 145

      9 Die Stadtorganisation der KPD in Hamburg gehörte zum Partei-Bezirk „Wasserkante“. Zu diesem Bezirk gehörten außerdem die Partei-Organisationen in Schleswig-Holstein und in den nördlichen Randgebieten von Niedersachsen.

      10 Michael Schumann, "Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System!", 16.12.19 https://www.die-linke.de/detail/wir-brechen-unwiderruflich-mit-dem-stalinismus-als-system-1/

      11 Am 12. August 1970 wurde im Kreml der „Moskauer Vertrag“ zwischen Deutschland und der Sowjetunion unterschrieben, der aber erst 1972 vom Bundestag ratifiziert wurde. In dem Vertrag verpflichteten sich beide Seiten den internationalen Frieden aufrechtzuerhalten und den Entspannungsprozess zu fördern, damit sich die Lage in Europa normalisiert.

      12 Willy Brandt, „Die Welt ist voller Narren“, Der Spiegel, 31.05.1976

      13 Kurt Bachmann (1909-1977) seit 1932 Mitglied der KPD, illegale Arbeit für die KPD in Köln, nach 1942 Insasse verschiedener KZs, 1945 Lizenzträger der Volksstimme, einem KPD-Organ in Köln, Mitgründer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), 1949–56


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